Ende

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Gakushuus Ende

Gakushuu hatte sich nie auf die Abschlussfeier seines letzten Schuljahres der Kunugigaoka Mittelschule gefreut, da es nichts weiteres bedeutete, als einen Abend mit betrunkenen Schülern zu verbringen, bevor sie dann nach den nächsten Ferien wieder zurück kamen und in die weiterführende Schule gehen würden. Etwas zu feiern war nichts, was man missachten musste, aber auch nichts besonderes, zumal sich Gakushuu noch nie unter so vielen Leuten so alleine gefühlt hatte, wie jetzt gerade. Es war kein seltenes Gefühl, aber es war noch präsenter, als jemals zuvor, denn ein bestimmtes Puzzelstück fehlte an diesem Abend. Und er hatte das Gefühl, als würde er auch für den Rest seines Lebens ohne dieses Stück leben müssen. Es war dramatischer dargestellt, als es vermutlich sein würde, sobald der Schmerz in ein paar Monaten vergangen war und er sich wieder auf die Schule konzentrieren konnte, aber am heutigen Abend erstickte ihn dieses Gefühl regelrecht.
Sie hatten ein örtliches Kulturhaus für ihren Abschluss gemietet. Ein riesiges Gebäude mit zwei Stockwerken. Die riesige Eingangshalle diente dazu, etwas Ruhe vor der tanzenden Masse zu bekommen, stellte zwei Toiletten bereit und zwei riesige Treppen führten gegenüber voneinander den Weg nach oben in den zweiten Stock, wo die Tanzfläche und die Tische für die Feiernden bereit standen. In der hinteren linken Ecke des Eingangsbereiches befanden sich zahlreiche Schließfächer mit Spiegeln und Beleuchtung für die Klamotten, bereiteten ein luxoriöses Ambiente für eine perfekte Fotoecke. Im zweiten Stock, wenn man die linke Treppe benutzte, ging es rechts zu dem Bereich, in dem das Essen und Trinken verkauft und vorbereitet wurde, während der restliche Platz von den aneinander gereihten Tischen, einer kleinen Bühne und einer Tanzfläche bestückt war. Dies alles, was jeden seiner Mitschüler begeisterte, ließ Gakushuu allerdings kalt. Dieser nippte an einem Glas Sekt, während er, umgeben von den anderen Virtuosen, draußen vor dem Eingang stand. Die Musik kam gedämpft aus den geschlossenen Türen hinaus, sodass man in aller Ruhe ein Gespräch führen konnte.
,,Was ist los, Asano? Du bist heute so still.'', sprach ihn Seo an, woraufhin Gakushuu ein monotones Gesicht beibehielt. Der einzige, der sich offensichtlich denken konnte, wie sehr Gakushuu dieser Abend traf, war Sakakibara, der sich wegen Seo mental vor die Stirn schlug, aber mitfühlende Blicke für den Blonden der Gruppe hatte. Gakuhuus Augen trafen die von Seo und er versuchte so viel natürliche Gleichgültigkeit in seine Stimme zu legen, wie möglich. ,,Rede keinen Stuss. Ich bin genau so gesprächig wie sonst auch.'' Und, oh, wie dieser Versuch fehlgeschlagen war. Aber wozu sollte er sich auch verstellen? Er hatte nicht mehr vor so lange zu bleiben, also wieso verstecken? Etwas, was er von ihr gelernt hatte. Es traf ihn tief. ,,Hey, Asano, vielleicht lenkt dich ein kleines Spiel auf unseren Gitarren ab.'', schlug Koyama daraufhin vor, der wohl genau so auf den Kopf gefallen war, wie Seo. Von Gakushuu kannte man kaum Gefühle, demnach verstanden die drei der vier Virtuosen unter Gakushuus verhaltenem Schweigen nichts weiter, als etwas schlechte Laune, wie es mal vorkommen konnte. Doch das der Junge darunter litt, dass er keine Begleitung für den Abend hatte, stimmte ihn trüb, wenn er es auch nicht zugeben würde. Passive Aggressivität richtete das Ganze schon für ihn. Ganz sicher. Und dann würde man ihn in Ruhe lassen. ,,Ich denke, ich passe. Ich werde nicht mehr lange bleiben und nach Hause gehen. Die Arbeiten für das kommende Schuljahr machen sich nicht von allein.'', ,,Huh?'', kam es von Araki, zu dem sich Gakushuu dann genervt zuwandte. ,,Du willst heute lernen? Aber es ist unser Abschluss, willst du nicht wenigstens ein paar Erinnerungen machen?'' Gakushuu wandte seine Augen ab und sah in die blubbernde Flüssigkeit seines Glases, bevor er es genüsslich an die Lippen drückte und den Kopf in den Nacken legte, damit die goldene Flüssigkeit seinen Hals verbrannte. Mit einem kurzen Schluck hatte er den gesamten Inhalt hinunter gekippt und erntete besorgtere Blicke von Sakakibara. Ob es dem Blonden aufgefallen war, daran zweifelte er... Aber es war sein fünftes Glas und seine Statur wirkte mittlerweile nicht mehr so stark wie sonst. Bei dem nächsten Glas würde er eingreifen. ,,Wofür? In drei Jahren werde ich einen weiteren, noch wichtigeren Abschluss haben.'', ,,So funktioniert das nicht.'', griff dieses Mal Seo wieder an, bei dem es allmählich zu Klicken begonnen hatte, wie es schien. Denn die Argumentation des Jungen war nicht mehr er selbst. Auch wenn manche es nicht glaubten, Gakushuu schätzte Erinnerungen wert und lebte auch für die Momente, die nicht mit einem Sieg zu tun hatten.
Während die Argumentation von Seo weiter ging, der Gakushuu stumm zuhörte, veränderte sich plötzlich Sakakibaras Gesicht. Ein vorfreudiges Lächeln bildete sich plötzlich auf seinen Zügen und er unterbrach die Diskussion seiner beiden Freunde. ,,Hey, was ist das denn?'', zeigte er in die Richtung hinter Gakushuu, der gelangweilt seinem Blick folgte.
Und dann beinahe das Glas fallen ließ.

Just let go.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt