Kapitel 7

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Am nächsten Morgen klingelte mein Wecker viel zu früh – viel zu früh, um überhaupt schon aufzuwachen. Ich starrte auf das Display meines Handys, die Zahl blinkte mir entgegen, als wollte sie mir sagen: „Aufstehen, der Tag wartet." Doch ich hatte keine Lust. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich mich einfach wieder umgedreht und weitergeschlafen. Aber dann fiel mir ein, dass ich nicht einfach so schlafen konnte.

Der Kuss, der gestern Abend noch wie ein verwirrendes, aber auch aufregendes Gefühl in meinem Kopf herumgeisterte, war immer noch präsent.

Und trotzdem – ich ging wie jede Nacht auch diese Nacht meiner liebsten Beschäftigung nach: Schlafen. Einfach abschalten, mich von allem lösen. Den Kopf aus und den Körper in Ruhe lassen.

Ich war kein Morgenmensch. Nie gewesen. Während andere sich den Wecker gleich wieder aus dem Kopf schütteln und sich voller Energie in den Tag stürzen, war ich der Typ, der erstmal eine halbe Ewigkeit brauchte, um überhaupt in Gang zu kommen. Aber irgendwann zwang ich mich dazu, aus dem Bett zu steigen, der Tag musste ja irgendwie beginnen.

Ich schlich ins Badezimmer, drehte den Wasserhahn auf und ließ warmes Wasser über mein Gesicht laufen. Der Schock des kalten Wassers brachte mich ein wenig zurück in die Realität, doch noch immer konnte ich nicht aufhören, an den Kuss und die Gedanken zu denken, die er in mir ausgelöst hatte. Und an Jack. Wieso hatte er das gemacht? Wieso hatte er mir plötzlich all diese Aufmerksamkeit geschenkt? Und vor allem: Wieso fühlte sich das alles jetzt so... gut an?

Nach der Dusche schlüpfte ich in meine Klamotten, wie immer etwas planlos, aber irgendwie funktionierte es immer. Heute entschied ich mich für ein einfaches, weißes Hemd und eine schwarze Skinny-Jeans. Nichts Auffälliges, aber trotzdem irgendwie stimmig. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass ich versuchte, zu sehr aufzufallen, aber ich wollte auch nicht aussehen, als hätte ich gar nichts vorbereitet. Eine Balance zwischen „Ich habe mir Gedanken gemacht" und „Ich will nicht übertreiben" – die gute alte Mittelweg-Strategie.

Als ich die Treppen hinunterging, fiel mir auf, dass ich das letzte Stück Nutellabrot, das meine Mutter mir gemacht hatte, fast schon in zwei Bissen verschlungen hatte. Sie hatte es so liebevoll zubereitet, und es schmeckte immer noch ein wenig nach ihrem „Guten-Morgen-Lächeln". Das war einer der wenigen Momente, in denen ich mich in meiner Familie wirklich verstanden fühlte. Sie waren immer da, auch wenn ich mal wieder in meinen eigenen Gedanken versank und vergaß, was um mich herum passierte.

„Guten Morgen", begrüßte meine Mutter mich mit einem fröhlichen Lächeln, das sie mir entgegenstreckte, während sie den Löffel in der Hand hielt. „Ich hoffe, du bist nicht zu spät dran.
„Morgen", murmelte ich, während ich meine Tasche schnappte. „Ich komm schon zurecht."
Eigentlich wollte ich sagen, dass ich zu spät dran war – wie immer. Aber warum sollte ich das tun? Es war nicht der Tag, an dem ich das Thema in den Raum werfen musste. Auch wenn es in der Tat wieder knapp werden würde.

Nachdem ich gegessen hatte, machte ich mich auf den Weg zur Schule. Und statt wie sonst den Bus zu nehmen, fuhr ich heute mit meinem neuen Auto. Es war erst seit kurzem mein, aber ich liebte es. Die Freiheit, die mir das Auto gab, war ein unglaubliches Gefühl. Kein Warten an der Bushaltestelle, kein Gedränge mit den anderen Schülern – einfach losfahren, wann immer ich wollte. Ich konnte den Radio-Sender wechseln, so wie es mir gefiel, und die Musik laut aufdrehen.

Es war irgendwie surreal, mit dem eigenen Auto zur Schule zu fahren. Ich fühlte mich erwachsener, auch wenn ich es noch nicht so richtig begreifen konnte.
Die Fahrt war ruhig, abgesehen davon, dass ich fast gegen eine Straßenecke gefahren wäre, als ich unaufmerksam war und in meine Gedanken abdriftete. Aber ich rappelte mich wieder zusammen. Ich musste wirklich aufpassen, auch wenn ich immer noch nicht richtig an die Situation mit Jack dachte.

Als ich auf den Schulparkplatz fuhr, bemerkte ich, wie die anderen Schüler mich beobachteten. Einige starrten auf das Auto, andere tuschelten und deuteten in meine Richtung. Ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sie mich jetzt irgendwie anders wahrnahmen. Was dachten sie wohl über mich? Wahrscheinlich, dass ich zu viel Geld hatte oder einfach nur einen unerklärlichen Luxusgenuss pflegte. Aber das war nicht das, was mich beschäftigte. Mein Kopf war noch bei Jack, bei gestern Abend. Und bei dem Kuss.

Der Rest des Schultages zog sich irgendwie. Auf dem Weg in die Klasse traf ich auf Henry. Wie immer stand er vor der Tür, sein Rucksack auf einer Schulter und seine braunen Haare, die im Wind wehten, so wie er es immer liebte. Henry war mein bester Freund. Er kannte mich besser als jeder andere, auch wenn er manchmal etwas zu schroff wirkte. Aber er war eben so.
„Na, du Dussel", grinste er mich an, als er mich sah. „Immer noch frisch und munter, oder hast du beim Fahren ein paar Fehler gemacht?"

„Ganz ruhig", erwiderte ich grinsend. „Ich hab alles unter Kontrolle. Und nein, ich bin nicht gegen irgendeine Straßenecke gefahren."

„Klar", lachte Henry. „Weißt du, was für ein Glück du hast, ein eigenes Auto zu haben? Ich musste wieder den Bus nehmen. Aber hey, wenigstens kannst du dich heute nicht über das Gedränge beschweren."

„Jeder hat seine Vorteile", antwortete ich, während wir den Weg zum Klassenraum fortsetzten. „Mal sehen, wie lange das so bleibt."

Als es dann endlich klingelte und der Unterricht begann, dachte ich wieder an gestern – und daran, wie alles irgendwie anders geworden war. Vielleicht war das Auto nicht das Einzige, was sich verändert hatte.

Mein Leben als Omega (bxb,Mpreg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt