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Als ich mit gesenktem Blick meinen Heimweg entlang ging, liefen mir paar Tränen über die Wangen. Diesen Weg war ich immer mit Taehyung entlang gelaufen, als er mich von der Uni abholte. Dann hatte er mich immer in seine Arme geschlossen und gesagt, wie stolz er auf mich sei. Obwohl ich nichts getan hatte. Oder er erzählte mir von Kunden, über die er sich lustig gemacht hatte.

Nachdem ich eine Woche die Uni geschwänzt hatte, ging ich heute wieder hin. Es hatte nicht viel gebracht, da ich mit meinen Gedanken wieder nur bei dem inneren Schmerz war, den ich hatte. Ich weinte nicht mehr. Nicht, weil es mir besser ging, sondern, weil ich gar keine Tränen mehr übrig hatte. Dies war auch meinen Mitschülern aufgefallen. Ich war aber zu schwach, um all deren Fragen darüber zu beantworten.

Heute ging ich einen eher verlassenen Weg entlang, wo fast keine Menschenseele zusehen war. Alle soziale Kontakte ging ich aus dem Weg und zerbrach alleine an all den schlimmen Gedanken.
Es war so, als würde jemand mit einem großen Stein meinen Körper zerschlagen. Ich war angekettet an den Schmerz, sowie an dem ganzen Leiden.
Mein Herz fühlte sich so an, als würde es durchgehend bluten. Durch all die Wunden, die im Herzen waren.

Mit gesenktem Blick ging ich meinen elenden Weg weiter, bis mir vor meinen Füßen eine Maske auffiel. Eine allzubekannte Maske.
Sie lag auf dem Boden und war komplett verdreckt. Langsam ließ ich meine zitternde Finger die Maske aufheben und blickte schluckend darauf. Meinen Daumen ließ ich über den staubigen Stoff gleiten. Sehnsüchtig roch ich an der Maske und vernahm den bekannten Duft von ihm...
Dies ließ mich dann doch wieder losweinen.

Mit festem Griff um die Maske schaute ich um mich um und fand paar schwarze Handschuhe. Sie lagen in der Nähe einer verlassenen Wiese. Auf der Wiese hielt sich kein Mensch auf, da dieser Ort sehr gefährlich war. Diese Gegend wurde auch von der Polizei abgesperrt. Man konnte schnell in die Tiefe fallen, wenn man immer mehr in die Wiese eintrat. Am Ende befand sich sowas wie eine Schlucht. Eine nicht so schöne Gegend Busans.

Die Handschuhe musterte ich mit einem angenehmen Gefühl in meinem Herzen, dass ich aufgrund Taehyungs Duft hatte. Es ließ mich beruhigen, aber zugleich auch in Verwirrung schweben.
Wieso lagen seine Sachen hier?
Vorsichtig betrat ich die fremde Wiese und ging eine Weile herum.
Nervös schaute ich mich um. Niemand war hier.
Nichts war zur hören. Das Einzige, was ich wahrnehmen konnte, waren meine schwache Atemzüge und das Auftreten in den Schnee.
Je tiefer ich in die Gegend hineinging, desto gefährlicher wurde es.
Nach einer Weile sah ich auch die verdammt hohe Klippe, von der jeder sprach.

Genau in dem Moment konnte ich auch nach ewiger Stille ein neues Geräusch wahrnehmen. Es war ein unregelmäßiges Atmen. Selbst das kleinste Geräusch erschien bei dieser unerträglichen Stille so laut.
Ich wusste ab den Moment, dass ich nicht allein war.
Meine Angst war verblassen.
Worüber brauchte ich Angst haben? Mich interessierte es nicht mehr, ob mir was Schlimmes passieren würde...

Mein Kopf war gesenkt, da ich auf die Tiefe schaute, die vor mir zusehen war. Aber dann wendete ich meinen Blick nach rechts und sah nichts. Außer wie groß die schneebedeckte Wiese war.
Dann schaute ich langsam nach links und erkannte eine Gestalt, die ganz vorne an der Klippe stand. Die Person hatte den Blick in die dunkle Tiefe gerichtet. Langsam näherte ich mich dieser Person wie hypnotisiert an und blinzelte verwirrt.

Die große Gestalt trat einen Schritt nach vorne in die Luft und verriet mir somit, was es eigentlich vorhatte. Als ich erkannte, wer diese Person dann auch war, rannte ich so schnell, wie ich es noch nie war auf ihn zu.

Genau in dem Moment, wo er nach vorne in die Tiefe fiel, packte ich sein Handgelenk und zog ihn mit aller Kraft zurück auf die Wiese.

Mit aufgerissenen Augen schaute ich ihn an. Er saß nun auf den Schnee und fing an zu weinen. Sein Rücken bebte unregelmäßig.
„L-Lasst mich sterben.",wisperte er an seine Handflächen, die er auf seinen Gesicht gelegt hatte.

Ich hatte Taehyung vor dem Selbstmord bewahrt. Und das, in der letzten Sekunde.

Tief atmete ich durch und stand direkt hinter ihm. Überfordert und kopfschüttelnd schaute ich wie paralysiert zu ihm runter und setzte mich in die Hocke hin, wobei ich bemerkte, wie sehr ich meine Muskeln vor Angst angespannt hatte. „Taehyung...",hauchte ich leise in die Stille, die durch sein Weinen gefüllt war. Direkt nach meiner Aussage bewegte er sich nicht mehr.
Nach paar Sekunden fing er wieder an zu schluchzen.
Dieser Anblick ließ mich auch emotional werden, wodurch ich anfing zu tränen.

Ich ließ mich auf meine Knie nieder und legte meine Arme zitternd um seinen Bauch.
„Jungkook...",wisperte er komplett in seinen Tränen gefangen.
„Es tut mir so leid.",sagte ich leise, wodurch er seinen Kopf schüttelte. „E-Entschuldige dich nicht. Du hast nichts getan. Es tut mir eher leid.",flüsterte er.
Seine Reue und seine Schwäche konnte ich direkt beim ersten Wort heraushören. Ich wusste, dass Taehyung nach all den Jahren psychisch krank sein musste. Er war sogar suizidgefährdet, wie sich herausstellte.

„Taehyung, ich liebe dich.",sagte ich leise an seinem Ohr.
„Ich hatte fast einen Herzinfarkt, als du fast gefallen bist. Ich hätte fast die wichtigste Person in meinem Leben verloren."
Achtsam drückte ich seinen schwachen Körper an mich und strich mit einer zittrigen Hand über seinen flachen Bauch.
Nun brauchte er ganz viel Verständnis, Aufmerksamkeit, Liebe und Therapie, damit er das Geschehene verarbeiten kann.

Eine Weile blieben wir so sitzen, bis er sich in meinen Armen umdrehte und mich endlich anschaute. Seine Wangen waren von der Kälte einwenig errötet, und seine Augenringe stachen direkt wegen seiner hellen Haut heraus.
Seine Arme fanden ihren Weg um meinen Körper und schlossen mich feste an ihn. Nach dieser unbeschreiblichen Nähe und Wärme hatte ich mich wochenlang gesehnt.

Taehyung strich mir mit seiner kühlen Hand über den Rücken, während er mich genauso feste an sich drückte, wie ich ihn.
„Verzeihst du mir, Jungkook?",fragte er leise, nachdem er sich einwenig beruhigt hatte.
„Natürlich verzeihe ich dir. Ich bin bei dir. Naja, wenn du mich überhaupt noch willst.",wisperte ich zurück und schaute ihm in die Augen. Den Augenkontakt erwiderte er direkt und strich mir mit seinen Fingern behutsam über die Wange.

„Es gab keine Sekunde in meinem Leben, wo ich darüber nachgedacht hatte, dich loszuwerden. Ich wollte dich immer, und daran wird sich nichts ändern. Denn ich liebe dich immernoch so sehr, wie am ersten Tag.",hauchte er leise.
Aufmerksam hörte ich ihm zu, während ich ihm über den Hinterkopf strich.
Durch Taehyungs Worte schlich sich ein kleines Lächeln auf meinen Lippen. Mein Herz pochte automatisch schneller von der ganzen Liebe, nach der ich mich über die Wochen gesehnt hatte.

Wir verblieben so.
Wir schauten uns stumm an, ohne irgendwas zu sagen. Gegenseitig streichelten wir uns und kamen uns seelisch, wie auch körperlich näher, als wir es schon waren.
Auch der kleinste Abstand schloss sich zwischen uns, und so verbindeten wir unsere Lippen miteinander.

Das ich seine Liebe genauso intensiv wie vor dem ganzen Geschehene nochmal verspüren durfte, hätte ich nicht gedacht.

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-Eleja 🌹♠

Zusammenstoß | TaeKookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt