12th Kiss

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12th KISS

... oder als ich das fehlende Puzzleteil war

Heute ist wohl der Tag der Tage. Heute kann ich unter Beweis stellen, dass ich kein hilfloser Mensch bin, sobald er alleine ist. Jedenfalls hoffe ich, dass ich es beweisen und nicht widerlegen werde.

Seufzend packe ich meinen Rucksack mit all den wichtigen Utensilien wie zum Beispiel Ungeziefer-Spray, Pflaster und Salbe. Ich würde gerne vermeiden, dass sie mich dort zum Sterben zurücklassen, weil ich mich mit einem tödlichen Virus angesteckt habe und ich ab da an unter Quarantäne stehen würde.

Zusätzlich ziehe ich mir eine lange Jeans und ein langes Oberteil an, damit Mücken und die anderen Flugtiere keine Chance haben, mich zu löchern. Ich bin mir sicher, dass am Buffalo Bayou Insekten ihr Unwesen treiben.

Weil sie einfach überall ihr Unwesen treiben.

Außerdem setze ich mir wieder die Cap auf, um mich vor der penetranten Sonne und den Fliegen zu schützen, die in mein Gesicht knallen würden. Als ich mich letztendlich im Spiegel betrachte, bin ich mir selbst nicht sicher, ob ich in den Dschungel oder zur Kanutour aufbreche.

Meine Tür wird aufgerissen und ich drehe mich erschrocken um. Ben steht am Türrahmen und sieht mich seltsam an. Verblüfft starre ich auf sein T-Shirt und seine Shorts.

»Was hast du da an?!«, fragen wir beide gleichzeitig, total schockiert von unserem Gegenüber.

»Willst du nach Australien auswandern?«, versucht er es erneut und deutet auf mein ganzes Zeugs, was ich bei mir trage.

Ich schnappe nach Luft. »Im Gegensatz zu dir, bin ich mir bewusst, dass am Fluss Ungeziefer herum krabbeln. Ich habe keine Lust, nachher wie ein roter Luftballon auszusehen.«

Zweifelnd hebt Ben die Augenbraue. »Meinst du nicht, dass du etwas übertreibst?«

»Wir werden sehen, Ben. Wir werden sehen«, murmele ich leise, krame schnell meine Sachen zusammen, schubse Ben aus dem Türrahmen und schließe hinter mir wieder die Tür.

Gemeinsam gehen wir die Treppe herunter. »Du weißt schon, dass wir nur im Kanu sitzen und ein wenig herum paddeln? Wir werden keine Wanderung durch dieTiefe des Dschungels unternehmen«, erklärt er mir, weil er sich nicht sicher ist, ob ich den Wandertag auch wirklich richtig verstanden habe.

Abwinkend nicke ich. »Wenn du nachher mit dreißigtausend Stichen ankommst, werden wir ja sehen, wer hier bekloppt ist.«

Ben zieht die Augenbrauen hoch. »Meinetwegen.«

In der Küche kommt unsere Mutter uns schon entgegen. »Ihr müsst genug zu Essen und Trinken mitnehmen. Ich habe euch da schon einmal die Tüte . . . Ben, was hast du da bitte an?«

Ben verdreht die Augen. »Warum?«

»Da fliegen unzählige Insekten herum. Mit Sicherheit gibt es bestimmt auch giftige Pflanzen, die deine Beine streifen und das will ich nun wirklich nicht, mein Schatz.«

»Mom«, stöhnt er gequält auf, während ich mein Grinsen verstecke.

»Zieh dir wenigstens eine lange Hose an«, sagt sie und sieht ihn bittend an. Und das kann Ben wohl schlecht ausschlagen.

Genervt dreht er sich um und trottet die Treppenstufen wieder herauf.

. . .

Ausnahmsweise bringt unsere Mutter uns zur Schule, wo sich die ganze Oberstufe trifft. Allerdings trennen sich dort die Wege der Sophomores und Junior. Was so viel bedeutet wie: Freshman und Sophomore gehen zusammen auf den Wandertag und die Junior mit den Senior. Das erleichtert immerhin etwas Planung und Größenwahnsinn.

Blind KissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt