Kapitel 21 - Schritt für Schritt

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Abends war ich noch mit Cole ins Kino gegangen. Das hatten wir lange nicht mehr gemacht, obwohl wir es beide früher als eine Art Tradition eingeführt haben. Der Film war in Ordnung. Ich würde mir ihn nicht noch einmal anschauen aber trotzdem diskutierten wir auf dem Heimweg über die Charaktere und den Plot. Wir lachten ausgelassen und hatten einfach Spaß am einfachen Leben. Manchmal vermisste ich die Normalität. Aber nur manchmal.

"Hey, kann ich dich was fragen?" Ich sah ihn an und unterbrach damit unser vorheriges Gespräch. Er sah mich etwas überrascht an. "Klar, du kannst mich alles fragen." Er lächelte mir zu und wartete gespannt auf meine Frage. Ich blickte in den dunklen Nachthimmel. Einige Sterne konnte man erkennen aber der Mond war noch nicht zu sehen.

"Wie stellst du dir deine Zukunft vor?", fragte ich ihn und blickte weiter nach oben. Er blieb kurz ruhig und antwortete dann. "Gute Frage. Die letzten Jahre waren ziemlich... naja... sie haben einen schon aus der Realität gerissen. Ich kenne mich jetzt und ich kann mich gut an meine vorherigen Leben erinnern und es ist traurig, dass ich nie den Schritt des Erwachsenwerdens machen konnte. Jedes Mal bin ich vorher gestorben und erneut in die Welt gesetzt worden. Natürlich habe ich trotzdem Vorstellungen und Wünsche was meine Zukunft betrifft aber ich habe jetzt keine Erinnerung, die das bestärken könnte. Ich meine klar, du hast sie auch nicht aber wenn du schon mehrfach gelebt hast, dann ist das glaube ich etwas anderes.
Außerdem ändern sich meine Vorstellungen ja permanent. Du kennst mich ja." Er lachte. "Aber ich glaube, ich habe den Punkt erreicht, an dem ich weiß, was ich möchte. Ich habe mit dir darüber noch gar nicht geredet aber ich will Lehrer werden. Ich weiß, das klingt total absurd aber ich würde gerne Jugendliche unterrichten, vielleicht sogar an einer Privatschule die andere Förderungsmöglichkeit nutzt als die Staatlichen. Ich möchte sie aufklären, was auf sie zu kommt, wenn sie erwachsen werden. Ihnen sagen, dass es okay ist anders zu sein und das man damit nicht gleich ein schlechterer Mensch ist. Mir ist das wirklich wichtig. Ich habe mich schon beworben. Ich habe gestern einige Bewerbungen abgeschickt. Schon komisch, dass du dieses Thema dann sofort ansprichst. Als hättest du einen sechsten Sinn oder so." Ich blickte ihn an und er lächelte breit.
Ich sah zu Boden. "Es tut mir leid, dass ich so abwesend bin. Ich bekomme irgendwie nichts mehr mit. Auch wenn ich ein ganzes Jahr weg war, kommt es mir so vor, als wäre ich noch nicht wirklich wieder angekommen. Ich verstehe, dass ihr alle eure Zukunft plant. Allison und Isaac gehen jetzt nach Chicago, du wirst wahrscheinlich auch gehen und mit dem Rest werde ich reden müssen. Das Rudel löst sich langsam aber sicher auf und um ehrlich zu sein, brauche ich mich deswegen nicht schlecht fühlen. Klar ich war da, als schlimme Dinge passiert sind aber dann bin ich gegangen ohne etwas zu sagen. Das Rudel ist schon länger aufgelöst."

Cole kam näher zu mir, legte ein Arm um mich und drückte mich näher an ihn. "Hey, mach dir keine Vorwürfe. Ihr seid nunmal viele und auch viele verschiedene Persönlichkeiten. Es war nicht deine Pflicht hier zu bleiben und auf sie auf zu passen. Das konnen sie alle auch selber. Natürlich habt ihr eine Verbundenheit unter euch Wölfen aber das sollte dich nicht bremsen deinem Traum nach zu gehen. Die, die bleiben wollen, werden es tun und die, die gehen werden bestimmt irgendwann zurück kommen. So ist das wohl wenn man Erwachsen wird. Leute kommen und gehen. Das ist völlig normal. Wir werden wohl alle damit klar kommen müssen."
Er strich mir tröstend über den Rücken. Ich sah ihm dankbar an. "Ja du hast schon recht. Es ist trotzdem irgendwie traurig darüber nach zu denken."


Wir redeten noch eine ganze Weile bis wir zu meiner Haustür bei meiner Grandma kamen. Ich drückte ihn fest in die Arme. "Danke." Ich meinte nichts bestimmtes sondern ich war für alles dankbar, was er sagte und tat.

Wir verabschiedeten uns und ich ging nach Drinnen. Entweder Grandma schlief schon aber sie war bei den Anderen. Ich schlich trotzdem durch das Haus, um sie nicht auf zu wecken, falls sie doch hier schlief. Es war recht spät, deswegen machte ich mich langsam fertig um ins Bett zu gehen. Ich legte mich ins Bett und nahm mein Handy in die Hand. Ich hatte nur eine Nachricht von Cole, dass er zu Hause angekommen ist. Ich wünschte ihm eine gute Nacht und wollte mein Handy weg legen, als eine Nachricht ertönte. Ich öffnete sie und dachte, es wäre eine Antwort von Cole aber zu meiner Verwunderung war sie nicht von ihm. "Können wir reden?" Ich sah noch einmal genauer auf den Namen. Blake? Wir hatten uns jetzt so lange ignoriert, wieso schrieb er mir plötzlich? Es war seine erste Nachricht seit Jahren. Wow, das damals... war schon so lange her. "Worüber?", tippte ich als Antwort und setzte mich auf. Wieso wollte er so spät noch ausgerechnet mit mir reden? "Bitte." Ich seufzte und strich mir durch die Haare. "Gut von mir aus. Jetzt?" Seine Antwort kam schnell. "Ja."

Ich stand auf. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust mich wieder anzuziehen aber mich interessierte doch, was er zu sagen hatte, also zog ich mich komplett wieder an und stapfte leise die Treppe runter. "Wo bist du?", schrieb ich ihm und als ich die Tür öffnete, erübrigte sich die Frage. Er stand genau vor mir. Seine Augen sah mich müde an. Er schien in letzter Zeit nicht viel geschlafen zu haben. Ich schloss leise die Tür und er trat zur Seite. "Hey", sagte er mit tiefer rauer Stimme. "Hey", murmelte ich und biss wieder auf meine Unterlippe. Wieso musste er nur so eine Wirkung auf mich haben? Ich legte schützend die Arme um mich. "Worüber möchtest du mit mir reden?", fragte ich ihn ruhig und blickte in seine Augen. Sie waren ruhig auf mich gerichtet. Es schien, als würde er versuchen meine Gedanken zu ergründen.
"Nichts. Ich wollte nur... mit dir reden", sagte er und wand den Blick ab.
Ich war vollkommen überrascht von seiner Art. War das wirklich Blake vor mir? Ich hatte ihn noch nie so unsicher gesehen.
"O-kay, dann... naja reden wir", murmelte ich und fuhr mir durch die Haare. Ich war nervös. Ich wusste nicht, wie ich auf diese Seite von Blake reagieren sollte. Er zeigte zu seinem Auto. "Fahren wir ein Stück." Beide stiegen mir ein. Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, wieso er plötzlich mit mir reden wollte aber ich schwieg. Ich würde es schon früh genug erfahren.



Back in the woods [Band 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt