Kapitel 22 -Betrunkene sagen immer die Wahrheit

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Es dauerte eine ganze Weile bis ich den Geruch von Alkohol wahrnahm, der von ihm aus kam. Ich reagierte erst nicht, weil es mich verwirrte, doch dann sah ich ihn geschockt an. "Hast du getrunken?" Jetzt wusste ich auch warum er so fertig aussah.
Er blickte mich an und grinste dämlich. "Ein Bisschen vielleicht."
Meine Kinnlade klappte auf. Wie konnte er nur so unverantwortlich sein? Er fuhr zwar ganz normal aber ich krallte mich in den Sitz. "Blake wenn du jetzt nicht sofort anhälst, tue ich es." Er blickte mich kurz an, fuhr erst ganz normal weiter doch dann wendete er den Wagen und stoppte ihn bei einem Parkplatz. "Zufrieden?", lallte er. Wie konnte mir das nicht vorher aufgefallen sein? Er war Stockbesoffen und war mit seinem Auto von weiß Gott woher, zu mir gefahren. Wie konnte er nur so leichtsinnig mit seinem Leben umgehen?
Ich drehte mich zu ihm. "Ja ich bin jetzt zufrieden. Wie konntest du nur? Du hast nicht nur dein Leben riskiert, sondern auch meins, ist dir das bewusst? Was ist nur los mit dir?"
Ich war wirklich sauer auf ihn aber ihm schien es egal zu sein, denn er grinste einfach nur vor sich her.

Er räusperte sich und sein Blick wurde endlich wieder ernster. "Wieso solltest du dir Sorgen um mich machen? Du hast mich doch...die ganze Zeit ignoriert." Sein Blick huschte rastlos über mein Gesicht.
Ich presste meine Lippen zusammen. War das gerade sein Ernst?
Als er meinen Blick sah beugte er sich näher zu mir und der süßliche-bittere Geruch des Alkohol brannte unangenehm in meiner Nase.
"Hör zu, vergiss was ich gerade gesagt habe", lallte er und fuchtelte mit seinen Händen vor meinem Gesicht herum. "Ich weiß, ich bin nicht die beste Gesellschaft... und bin ziemlich abgefuckt... und ich weiß nicht mal, wieso du mir überhaupt noch zu hörst.", lallte er langsam in einer falschen Betonung.
Ich wollte da ansetzten und etwas sagen aber als er sah, dass ich das vorhatte, schüttelte er übertrieben den Kopf. "Bitte... lass mich reden. Jetzt wo mein Verstand, nicht arbeiten kann, kann ich dir alles sagen, was ich dir immer sagen wollte." Ich seufzte und nickte. Das machte mich irgendwie nervös. Wenn sein Verstand aus ist, weiß ich nicht, wer hier vor mir sitzt. Ich kenne ihn so überhaupt nicht.
"Also was glaubst du wohl, wieso ich überhaupt zurück gekommen bin? Ich glaube ich habe dir keinen Grund genannt oder einfach irgendeinen scheiß von mir gegeben. Also... ich habe Zeit mit meinem Vater verbracht und anfangs war das auch gut... aber du kennst mich. Sobald es mit Emotionen zu tun hat, bin ich raus. Das hat sich aber nicht verhindern lassen. Wir waren eigentlich nie lange allein weil... du weißt ja wie ich bin. Ich war die ganze Zeit bei seinem Rudel und habe scheiße gebaut und Wutausbrüche gehabt. Es wundert mich wieso ich erst so spät gegangen bin. Wenn ich die wäre, hätte ich mich selbst raus geworfen. Jedenfalls bin ich gegangen, als es mir zu viel wurde. Keiner dort konnte mich leiden und ich sie auch nicht und ich war einfach scheiße. Ich glaube ich habe richtige Scheiße gebaut. Meinen Vater... werde ich bestimmt nie wieder sehen weil ich so scheiße bin." Er blickte auf seine Hände und blieb eine Weile lang still. Ich wusste nicht, ob das schon alles war aber ich würde gerne etwas dazu erwidern aber als ich anfing zu reden, stoppte er mich wieder. Er blickte nicht hoch, sondern schüttelte einfach nur den Kopf. "Ich bin nicht nicht fertig, wenn ich es bin, werde ich es dir sagen. Lass mich... lass mich einfach reden. Ich erwarte keine Antwort von dir."

Ich seufzte und nickte nur stumm. Es tat mir leid mit seinem Vater. Er hat es irgendwie selbst verbockt aber er konnte ja nichts dafür, dass seine  Vergangenheit ihn so kaputt gemacht hat. Vorallem dachte er all die Jahre, er hätte seinen leiblichen Vater getötet.

"Ich bin nicht sofort zurück gekommen. Bin alleine rum gereist. War eigentlich die meiste Zeit Wolf. Weißt du, dass es nach einer so langen Zeit als Wolf, echt komisch ist wieder Mensch zu sein? Selbst gefressen habe ich wie ein Wolf." Er blickte zu mir hoch und wartete meine Reaktion ab. "Es ist gar nicht schlimm. Ich weiß nicht, ich glaube irgendwann ist man einfach Wolf oder die Seele des Wolfes übernimmt dann die Kontrolle. Ich kann mich auch wenig an diese Tage erinnern. Sie sind alle ineinander verschwommen." Er holte tief Luft. Ich sah ihn die ganze Zeit einfach nur an. Wie er hier vor mir kauerte und sich endlich alles vom Herzen redete. Er tat mir leid. Ich hatte das starke Bedürfnis ihn in den Arm zu nehmen aber ich tat es nicht. Ich versuchte Distanz zu wahren.

"Ich bin erst zurück gekommen, als Royce mir geschrieben hat, dass du wieder da bist. Ehrlich, ich hatte nicht einmal eine Ahnung, dass du weg warst. Sie hatten mir nicht Bescheid gesagt. Vielleicht weil sie dachten, es wäre mir egal aber das war es nie. Als ich die Nachricht bekommen habe, bin ich tagelang einfach nur gerannt. Mein Wolf wusste, wie ich wieder nach Hause komme. Da fand ich das total merkwürig wieso ich mich so gut orientieren konnte und genau wusste wo du bist. Jetzt weiß ich, dass mein Wolf das wusste, nicht ich. Er wusste wo... seine zweite Hälfte ist." Er stoppte erneut um mich wieder anzusehen. Seine Augen waren glasig und sein Blick wirr. Ich wagte es nicht zu atmen. Diese Worte. Auch wenn er nicht von sich selbst sprach aber das er es zu gab war einfach... unbeschreiblich.

"Hätte Royce nicht geschrieben, wäre ich wahrscheinlich nie zurück gekommen aber irgendwie... musste ich einfach." Er griff sich an den Kopf und schlug mit der Faust auf seine Schläfe. "Es ist so verwirrt. Manchmal... manchmal weiß ich nicht, ob es meine Gefühle sind oder die meines Wolfes." Er rupfte sich durch die Haare und fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht. "Ich dachte immer, es sind seine aber je mehr ich darüber nach denke, unterscheiden sich die Gefühle von meinem Wolf und mir nicht. Es war nicht nur mein Wolf, der zurück wollte... sondern auch ich... ich...", murmelte er vor sich hin. Ich war erstarrt. Sagte er das gerade wirklich? Ich zitterte vor Nervosität und wartete ab, bis er weiter sprach.

"Seit dem mein Wolf damals nachts bei dir aufgetaucht war, habe ich jeden Tag getrunken. Über eine Woche. Ich bin seit Tagen fast ohne Pause betrunken und weißt du was? Man kann sich nicht verwandeln wenn man betrunken ist, wusstest du das? Ich nicht aber es war gut für mich. So konnte ich mich von dir fern halten und mein Wolf hatte keine Macht über meine Gedanken und Gefühle. Es ist... als wäre er irgendwie gar nicht mehr da. Da habe ich es gemerkt. Denn es hat keinen Unterschied gemacht. Ich habe immer noch das Selbe gefühlt und gedacht. Es hat mich komplett verrückt gemacht, Jamie. Ich... ich kann das nicht. Ich kann keine Gefühle zeigen. Ich muss es einfach blockieren. Ich kann nicht noch einmal leiden. Sie ist tot. Es war einfach zu schmerzhaft. Deswegen bin ich hier und gebe diese Scheiße von mir. Denn was ich dir damit sagen will ist, dass egal was ich fühle oder denke, ich werde es immer blockieren. Für den Rest meines Lebens." Er sah mir in die Augen. "Ich liebe dich, denke ich aber das ist egal. Es wird für immer egal sein weil ich es niemals zu lassen werde. Deswegen solltest du dich von mir fern halten. Ich bin ein Stück Scheiße. Vergiss mich einfach. Denn es wird sie niemals irgendwas an mir ändern, verstehst du das? Niemals. Ich werde meine Gefühle zu dir niemals zu lassen."


Back in the woods [Band 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt