Kapitel 24 - Bringen wir es hinter uns

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Es blieb still. Niemand wagte es, etwas zu sagen und ich war wirklich froh, dass er nicht versuchte diese Spannung zwischen uns zu lösen. Denn das würde alles umso schlimmer machen. Obwohl ich seine Nähe keine weitere Sekunde mehr ertragen wollte, blieb ich und wartete auf den Morgen. Ich würde das schon durch stehen. Wenn ich gehen würde, würde ich ihm nicht noch einmal unter die Augen treten wollen.

Ich nahm stark an, dass ich kein Auge zu bekommen würde aber als ich Blakes lautes Schnaufen hörte und da liegen sah, wurden meine Lider ebenfalls schwer. Er sah so unschuldig aus. Wie konnte dieser schlafende Mensch, mein Leben so durcheinander bringen?
Aber in erster Linie fragte ich mich - wie konnte ich ihn lieben? Es kann nicht sein, dass es die Gefühle meines Wolfes sind, die mich all die Jahre begleitet haben. Es kommt vom mir, meiner menschlichen Seele. Ich war komplett verrückt, soetwas für diese Person zu empfinden. Nach all dem Schmerz, der Qual und den ewigen Auseinandersetzungen.

Trotzdem.

Wenn ich ihn jetzt ansah, wie er da so unschuldig vor sich hin schlummerte, verzieh ich ihm alles. Jede Tat, jedes Wort und jeden Schmerz.
Ich wünschte, ich könnte das nicht. Das würde einiges leichter machen. Auch diese Situation hier. Ich könnte seine Anwesenheit trotz all dem ertragen. Wir könnten einfach weiter machen wie bisher aber das war wohl nicht so einfach.

Während ich ihn beobachtete und über all das nachdachte, gewannen meine müden Augen den Kampf und ich schlief endlich ein.

Mein Traum war sehr wirr. Kaum deutbar. Keine erkennbaren Person. Es fühlte sich an wie ein Chaos, das durch mein Inneres tobte. Ich fühlte mich zerstreut und unsicher.

Dieses Gefühl hatte ich auch, als ich endlich aufwachte. Das helle Licht der Sonne hatte mich geblendet. Es kam mir so vor, als hätte ich nur 5 Minuten geschlafen aber scheinbar waren es doch mehrere Stunden gewesen.

Ich blickte zu Blake. Er lag immer noch genauso da wie vorher. Der Alkohol hatte ihn wohl in einen tieferen Schlaf versetzt als mich.
Leise krammte ich nach meinem Handy und blickte auf die Uhr. 6 Uhr morgens. Ich schätze, ich hatte nur 3 Stunden geschlafen, wenn überhaupt.

Ich wendete meinen Blick nicht von ihm ab. Das waren die letzten ungestörten Stunden, in denen ich ihn in Ruhe beobachten konnte, bevor er endgültig aus meinem Leben verschwand.
Wie hatten wir es geschafft, nach all diesen Jahren zu so einer Entscheidung zu kommen? Wir hatten uns beide so lange gequält.

Innerlich hoffte ich, dass es nicht dazu kommt. Dass irgendwas dazwischen kommt, er vielleicht im nüchternen Zustand anders über diese Sache denkt, vielleicht einsieht, dass es schwachsinnig ist, seine Gefühle zurück zu halten.

Aber ich wusste es besser. So würde es niemals kommen. Es würde niemals ein 'Wir' geben. Mit diesem Tag, wird jede Hoffnung sterben, die ich hatte und vielleicht war es auch wirklich gut so. Es würde bestimmt Monate dauern bis ich das irgendwann endgültig einsehen werde aber wenigstens müsste ich nicht wieder von Anfang anfangen wenn ich ihn jedes Mal sehen. Ich könnte endlich abschließen. So wie ich es fast in den letzten zwei Jahren getan hatte.
Ich weiß nicht wie es wäre, wenn er nicht mehr zurück gekommen wäre. Ich hätte wohl irgendwann einfach abgeschlossen. Dafür war wohl jetzt der Zeitpunkt gekommen, es endgültig zu tun.

Er schlief noch eine weitere halbe Stunde, dann würde ich zu ungeduldig und bewegte mich immer mehr, sodass er wach wurde. Er blickte sich verwirrt um und als er mich sah, sah er noch verwirrter aus. Er sagte jedoch nichts, setzte sich auf und gähnte ausgiebig.
Dann trafen sich erneut unsere Augen und ich hatte das Gefühl, ich schmelze. Dieser Blick sah so ehrlich aus, kein Funken Bösartigkeit konnte ich erkennen.

Ich riss mich zusammen und räusperte mich. Ich wollte nicht zuerst sprechen aber jetzt, wenn er mich so direkt ansah, wollte ich es unbedingt hinter mich bringen. Zu meinem Glück, sprach er zuerst.

"Ich kann mich noch gut an unser Gespräch erinnern. Naja... jedenfalls an das was wir beschlossen haben. Davor weiß ich nichts mehr und ich denke, dass ist besser so. Ich habe bestimmt nur Dreck von mir gegeben. Lass uns... keine Zeit mehr verschwinden." Er wich meinem Blick aus und entsperrte das Auto.
Ich sagte nichts dazu, sondern starrte ihn nur an bis er austieg. Ich folgte ihm und knallte die Tür hinter mir zu. Ich war total verspannt von den harten Sitzen aber das war mir jetzt eigentlich völlig egal. Ich versuchte ruhig zu atmen und nicht die Fassung vor ihm zu verlieren.

Wir gingen ein ganzes Stück in den Wald rein bis er stehen blieb und sich zu mir drehte. Ich blickte mich kurz um und erkannte, dass es die Lichtung war, wo wir uns zu einem Rudelführer vereint hatten. Ich musste innerlich bitter lächeln. Passender Ort für unsere Trennung.

Ich sagte nichts und verwandelte mich einfach vor ihm. Er tat es mir gleich. Wir saßen nun voreinander und würden unserer zweiten Seele die Chance geben, sich endgültig zu verabschieden.

"Versuch bitte deinem Wolf die komplette Kontrolle zu überlassen. Kling dich am Besten aus. Wir sollten sie alleine lassen.", schickte ich ihm per Gedanken und kam einige Schritte auf ihn zu.

"Okay, also dann..."

Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf die Seele des Wolfes und überließ ihm die komplette Leitung. Ich schaffte es sogar, dass ich nichts mehr mitbekam. Es schien als würde meine Seele schlafen. Ich hoffe Blake würde das Selbe tun. Es war einfach das Beste.

Die Wölfe waren vollständig sie selbst. Sie sahen sich an und beide spürten, die tiefe Trauer die sie beide versprüten. Die Engerie um sie herum, wurde immer schwächer und schlechter. Sie wollten nicht gehen aber sie mussten die Entscheidung des Wirts akzeptieren.

Sie kamen aufeinander zu und als sie sich trafen, strichen sie sich aneinander und jaulten leise auf um ihrer Trauer Ausdruck zu geben. Sie wollten sich in eine Umarmung verbinden und nie wieder lösen. Immer wieder suchten sie die Nähe des Anderen aber es schien nie genug zu sein. Sie wollten mehr sein. Verbunden und frei. Sie wussten beide nicht, ob sie es schaffen werden, ohne einander leben zu können. Sie haben zwar eine Kernverbindung, mit der sie immer verbunden sein werden aber das würde lange nicht reichen um sie glücklich zu machen.
Sie strichen sich, leckten sich gegenseitig über das Fell und hoffen, der Moment würde ewig dauern.

Trotz das sie beide die Trennung wahrnahmen und wussten, dass ihr Wirt mit seiner kompletten Überzeugung hinter dieser Entscheidung stehen, so hatten sie innerlich ein tiefes Gefühl, dass diese Trennung nicht lange dauern wird. Beide wussten es und trotzdem trauten sie, als würden sie füreinander sterben.

Sie vergruben sich in einen großen Knäul am Waldboden und hörten nicht auf gegenseitige Nähe zu suchen. Sie würden das schaffen auch wenn ihre Seele, für immer schmerzen würde, falls sie sich doch nie wieder sehen würden. Sie würden trotzdem immer noch verbunden sein und fühlen können, was der Andere fühlt.

Plötzlich wurden beide unruhig. Schritte nährten sich von einer unbekannten Bedrohung. Sie lösten sich beide auf und lauschten auf das Geräusch, das immer näher zu kommen schien. Beide konnten es nicht deuten. Keines ihnen bekannten Situationen würde ihnen dieses Ereignis erklären. Beide fühlten die innere Angst die aufstieg.
Ihr tierischer Instinkt setzte ein und sie fingen an in die entgegen gesetzte Richtung zu rennen und das so schnell sie konnten.

Erst der weiße Wolf stürzte in eine unendliche Schwärze und dann der Schwarze.

Back in the woods [Band 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt