02.|| Lücken

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„Sicher, dass sie alleine klar kommen?", der Soldat sah sie fragend an. Magdalena nickte. „Ja, wir schaffen es schon",  widerwillig akzeptierte er die Antwort und schritt über die Türschwelle.  Die Tür wurde geschlossen und er war erleichtert nicht noch länger da  zu sein. Er kann mit weinenden Frauen einfach nicht umgehen.

Als  sie die Tür schloss, konnte sie einfach nicht mehr. Ihre Beine verloren an Kraft und sie knickte ein. Sie lehnte sich gegen die Tür und heiße  Tränen der trauer flossen ihre Wangen hinab. Er war fort. Sie würde ihn  nie wieder sehen können. Nie wieder würde sie seine Stimme hören können  und nie wieder würde sie seine Lippen auf ihren spüren. Sie will ihn  sehen. Sie will seine beschützenden Arme um sich haben, die ihr so oft  all den Kummer genommen haben. Doch nun war alles vorbei. Er kommt nicht zurück. „Mama, nicht weinen...", Antonia legte ihre Hand auf die Schulter ihrer Mutter. Diese sah sie mit rot geschwollenen Augen an. „Schatz....", sie wischte sich kurz mit ihrem Ärmel über ihre verheulten Augen. „...ich habe dir doch gesagt du sollst im Zimmer bleiben, bis ich dich rufe", sie kniete sich hin, um mit ihrer Tochter auf einer Augenhöhe zu sein. „Ich hab gehört wie der Mann gegangen ist und als ich nach ein paar Minuten immer noch nichts gehört habe, dachte ich, ich seh mal nach",  die kleine braunhaarige sah traurig zu ihrer Mutter. Dass ich gesehen  habe wie sie weint, sollte ich lieber nicht erzählen, dachte sie sich.  Ich muss Mama ablenken. Sie legte ihre Stirn in falten und überlegte  fieberhaft, mit was sie ihre Mutter ablenken könnte. Währenddessen  musterte Magdalena das Gesicht ihrer Tochter. Das Klopfen der Tür  unterbrach die beiden. Magdalena stand auf und öffnete sie. Vor der Tür  standen zwei Männer, in der Uniform der Freiheitslegion. „Magdalena Weber?", der kleinere der beiden sah sie fragend an. „J-Ja, das bin ich", stotterte sie leicht. „Wir bitten Sie uns zu begleiten"-„Warum, wenn ich fragen darf?", die brünette verstand nicht ganz. „Uns sind Dokumente ihres Mannes Hans Weber abhanden gekommen und wir bitten Sie darum, diese Lücken zu füllen.", der größere sprach nun: „Wir müssen Sie bitten sofort mitzukommen, da diese Dokumente von großer Dringlichkeit sind", Magdalena drehte sich um und wand sich an Antonia. „Liebes,  ich muss mit den Männern mitgehen und wichtige Dokumente über Papa  auszufüllen, ich bin spätestens heute Abend wieder da, schaffst du es  bis dahin allein zu Hause zu bleiben?", Antonia zögerte, nickte aber dann zaghaft. Magdalena gab ihr einen Kuss auf die Stirn und ging wieder zurück zur Tür. „Gut, wir können gehen",  die beiden Soldaten nickten und gingen Richtung Kutsche, welche vor dem  Haus stand. Magdalena folgte ihnen und stieg als letzte ein. Die  Kutsche fuhr los und die junge Mutter winkte ihrer Tochter zum Abschied  zu, welche dies erwiderte. Antonia sah der Kutsche hinterher, welche  hinter der nächsten Abzweigung verschwand. Nun war sie alleine. Was soll  die denn jetzt machen? Ihr knurrender Magen gab ihr eine Antwort. War  es etwa schon Mittag? Sie sah aus dem Fenster. Die Sonne strahlte am  Himmel, sie zeigte einen späten Nachmittag an. Antonia ging in die Küche  und sah den fertigen Eintopf, welchen ihre Mutter vor dem ganzen Drama zubereitet hatte. Sie nahm sich eine Schüssel und löffelte sich mit  einer Suppenkelle, eine kleine Portion in ihre Schüssel.

Nachdem  sie gegessen hatte, räumte sie alles weg und ging in ihr Zimmer. Sie  setzte sich vor ihren Schreibtisch und sah aus dem Fenster. Von hier aus  hatte sie einen guten Blick auf den Markt. Antonia beobachtete den  Trubel, welcher um die verschiedenen Stände herrschte. Die Menschen  sahen so sorglos aus. Die Tatsache, das sie wie Vieh eingeschlossen hinter Mauern leben, verdrängen sie einfach. Sie verdrängen den Tod,  welcher hinter den Mauern auf die lauerte. Leise seufzte Antonia. Sie  selbst war nicht besser. Die braunhaarige lebt selbst wie Vieh, hinter Meter hohen Mauern. Sie lebte sorglos. Sie ignorierte den Tod, welcher  hinter den Mauern herrschte. Anders als ihr Vater, er war ein Held. Er hat für die Menschheit gekämpft und am Ende sein Leben für sie gelassen.  Genauso wie die restlichen Soldaten des Aufklärungstrupps....und  trotzdem werden sie verachtet. Sie verstand es nicht. Sie taten so viel  für uns und trotzdem werden sie mit Verachtung gestraft, ging ihr es durch den Kopf. In diesem Augenblick traf sie einen Beschluss. Sie möchte, wie ihr Vater, ein Held sein. Der Menschheit helfen und nicht wie Vieh  hinter Mauern leben. Sie möchte dem Aufklärungstrupp beitreten.

Es  war früh am Abend, als Antonia erwachte. Ihr Nacken schmerzte, als sie  den Kopf hob und etwas bewegte. Sie blinzelte müde und sah sich verwirrt  um. Sie ist wohl am Schreibtisch eingeschlafen. Die braunhaarige fuhr  sich mit den Händen über das Gesicht und erhob sich von ihrem Stuhl.  Antonia ging zu ihrem Schrank und wechselte ihre, vom Schlaf,  zerknitterten Sachen. Die 10-Jährige zog eine schwarze Hose und einen  grauen Pullover an, welchen sie von ihrem Vater vor langem mal geschenkt bekam. Sie ging hinunter in den Keller und fing an, die dreckige Wäsche  in dem kleinen Wasserbecken zu reinigen. Ihre Mutter ist sicher  erschöpft, wenn sie wieder Heim kommt und sie möchte ihr etwas Arbeit abnehmen. Sie nahm das Waschbrett und die Kernseife, welches ihre Mutter  im Wandschrank lagerte. Antonia begann mit ihrem Kleid, welches sie am  Morgen mit Matsch besudelt hatte. An sich war es sehr schön, nur mochte  sie Kleider nicht. Sie trug sie nur ihrer Mutter zuliebe. Der Schmutz  war hartnäckig, weswegen das Waschen etwas länger gedauert hat. Doch am  Schluss war es sauber. Sie stellte sich auf eine Kiste, um das Kleid auf  eine Kordel zu hängen. Die Kordel hing quer über den Kellerraum und war für ihre normale Statur zu hoch, doch mit der Kiste kam sie gut dran. Ein heftiges Erdbeben unterbrach ihr tun und ließ sie erschrocken  aufkreischen. Die braunhaarige stolperte nach hinten und viel um. Unglücklich schlug sie mit dem Kopf am kalten Boden des Kellerraumes auf. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihren Kopf und trieb ihr Tränen  in die Augen. Sie hörte schreie  von draußen, was ihr das Blut in den  Adern gefrieren ließ. Das Brummen im Kopf der 10-Jährigen, ließ sie  keinen klaren Gedanken fassen. Ein weiteres Beben traf ein und sie hörte das laute knacken von Holz. Antonia blickte hinauf. Risse zierten die  von Holz und Stein bedeckte Decke. Als die Decke nachgab, konnte sie  sich nicht rühren. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah sie auf die Decke. Steinerne Brocken fielen hinab und füllten den kleinen Raum  langsam auf. Sie weiß nicht mehr was wirklich passiert ist. Was ihr die  Kraft gegeben hat, gegen den Schmerz anzukämpfen. Sie fand neue Energie und stürmte mit einem Ruck zur Treppe, welche in den oberen Bereich  führte. Als sie diesen erreichte, strömte ein Glücksgefühl durch sie  hindurch. Die Hälfte war geschafft, schoss es ihr durch den Kopf.  Draußen bin ich sicher! Dachte sie zumindest.  Etwas traf sie an ihrer rechten Kopfhälfte. Wahrscheinlich ein Stein,  welcher sich von der Decke gelöst hat. So genau konnte sie es nicht  sagen. Sie spürte nichts, als sie fiel. Als sie die Treppe wieder  hinunterrollte und hart aufschlug. Sie hörte alles dumpf und das Dröhnen beriet ihr Kopfschmerzen. Doch die Schmerzen vergingen, als die  Schwärze sie Empfing.

Tatakai- gebrochene Feder Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt