twenty-one

2K 70 7
                                    

Diese Entscheidung wurde mir jedoch abgenommen, denn kurz bevor ich auch nur umdrehen hätte können, wurde mir die Tür vor der Nase aufgemacht und ein fröhlich aussehender Nico stand vor mir. Er trug eine enge Jeans und einen weißen Gucci-Pullover und als eine seiner besten Freundinnen konnte ich sagen, dass er verdammt gut aussah. „Damn bitch, du siehst gut aus!", begrüßte ich ihn grinsend und schloss ihn in eine innige Umarmung. „Dasselbe geht an dich, Juju. Komm rein, ein paar sind schon da!" Mit einer einladenden Handbewegung ging er mir vorraus und umso näher ich dem Wohnzimmer kam, umso lauter wurde es. Als wir eintraten staunte ich nicht schlecht, denn mit „ein paar" hatte er ein kleines bisschen untertrieben. Trotzdessen dass die Party erst jetzt richtig hätte Angangen sollen, war sie schon im vollen Gange und es wurde getanzt, geraucht, geknutscht und geredet. Der Geruch von Bier und Gras stieg mir in die Nase und ein leichtes lächeln bildete sich auf meinen Lippen. Ich mochte Partys einfach. Sie waren wie kleine Realitätskiller die einen für wenige Stunden aus dem normalen Leben rausholten.
Nico verschwand in der Menge und ich fing an mich durch dir Menschen in seine Küche zu kämpfen. Diese war ebenfalls mit ein paar Menschen gefüllt, darunter sogar ein paar bekannte Gesichter.
„Oh mein Gott, June!", rief Nadja mit ihrem starken russischem Akzent aus. Wir kannten uns von früheren Schulzeiten noch und hatten uns Ewig nicht gesehen. Happy sie wiederzusehen zog ich sie ebenfalls in eine Umarmung und sofort begann ein bisschen Smalltalk. Über unsere Jobs, Freunde, Familie, der ganze Scheiß halt. Keine 2 Minuten später hatte ich auch schon das erste Bier in der einen Hand und eine Zigarette von Nadjas Freund, Joseph, in der anderen. Ein paar andere Schulfreunde von uns aus dem alten Abijahrgang kamen irgendwann dazu und wir unterhielten uns für gut eine Stunde über alte Zeiten.

Ich hatte es nie schwer Menschen kennenzulernen. Ein paar Gesprächsfetzen und schon war ich mit XY befreundet. Meine Familie bezeichnete das als meine "Gabe", da eben nicht jeder zu sowas fähig war. Ich wollte trotz der netten Gesellschaft eine kurze Minute für mich alleine und entschied mich deshalb, kurz auf den Balkon zu gehen. Dieser war an Nicos Schlafzimmer angegrenzt und da dort eigentlich niemand reindurfte, schlich ich mich mit der Erwartung dort niemanden zu treffen, davon.

Mein Plan wurde jedoch durchkreuzt als ich einen bestimmte Cap durch die Scheibe zum Balkon sah.

Fuck Feelings.

Seufzend machte ich mich dennoch auf den Weg dorthin, immerhin wollte ich mir meine verdiente Ruhe nicht nehmen lassen. Und da ich sowieso schon ein paar Bier intus hatte, stellte das ganze noch weniger ein Problem für mich da.
Vorsichtig öffnete ich die Tür und erschrocken fuhr sein Blick zu mir. „Scheiße June, erschreck' mich doch nicht so", sagte er erleichtert und lächelte mich dann an. „Sorry.", murmelte ich schulterzuckend und schnappte mir den Stuhl der neben seinem stand. Aufatmend setzte ich mich drauf und legte meine Beine auf seinen ab. „Wieso ziehe ich hochhackige Stiefel an?", fragte ich irgendwie uns beide aber gleichzeitig auch einfach die Situation.
Machte das überhaupt Sinn?
„Weiß ich nicht", lachte Sascha, „aber den Fehler machst du häufig." Dann zog er an seinem Joint und schaute auf Stuttgart vor uns. Es dämmerte langsam und ich hatte Recht mit meiner Annahme - es wurde langsam immer kühler. Endlich.
„Gib mal her", sagte ich und nahm ihm den Joint ab ohne auf seine Antwort zu warten. Ich steckte mir das gute Ding zwischen die Lippen und als ich zog, durchfuhr mich dieser gewisse Schauer, den man bekommt, sollte man lange nicht mehr gekifft haben. Es war befreiend. „Wie gehts dir?", fragte ich geraderaus und schaute ihn an. Seine roten Augen fanden ihren Weg über die Stadt letztendlich zu mir und um ehrlich zu sein, sah er ein wenig kaputt aus. Sein Bart war hart an der Grenze, seine Augen sahen Müde aus und auch seine Lippen waren kaputt. Zum Glück hatte ich meine Depression wegschminken können.
„Soll ich ehrlich sein?" Er nahm mir den Jay aus der Hand und zog selbst nochmal dran.

„Beschissen."

Ich nickte lediglich. Was sollte ich auch anderes tun? Ihm sagen wie es mir geht? Dass ich dasselbe empfinde? Dass er nicht aus meinem verfickten Kopf geht? Alles nicht so gute Optionen, fande ich. Also hielt ich einfach den Mund und schaute weiterhin auf die Lichter der Stadt. Der Bass der Musik war bis hier auf dem Balkon zu spüren und langsam merkte ich, wie die Wirkung des Grases eintrat. Ich wurde entspannter und meine Muskeln entkrampften sich ebenfalls, wenige Minuten später.

Bis heute weiß ich nicht wie er es gesehen hat, doch mein Rock musste wohl hochgerutscht sein oder einfach falsch gelegen haben, denn als ich Anfangen wollte zu reden und ihm zu sagen, dass ich das alles so nicht mehr könnte, Unterbrach er mich.
„Sascha, Ich-" — „Sind das Wunden, June?" Ertappt wich ich seinem Blick aus und nahm meine Beine von seinen. „Sind das Wunden, verdammt? Bitte sag mir nicht, du hattest einen Rückfall. Komm' schon Juju, bitte sag mir-" Ich stand auf und rückte meinen Rock zurecht, während ich ihm tief in die Augen sah und versuchte, irgendwas aus ihnen Lesen zu können. Dann legte ich meine Finger auf die Lippen, zuckte mit den Schultern und lachte einfach. Oh man, es war mir egal was er dachte. Oder ob er sich Sorgen machte. Mir war alles egal. Kam das vom Gras in Mischung mit Alkohol? Ich tippte auf diese Vermutung und verschwand vom Balkon denn um ehrlich zu sein; Kim war sicherlich auch hier irgendwo und bevor ich ihr über den Weg laufe, will ich hackedicht sein. Sascha würde mich sicherlich auch nochmal abfangen im laufe des Abends und auch davor wollte ich hackedicht sein. Also kämpfte ich mich durch die Menge, nahm eine Vodkaflasche und Nadja mit auf die Tanzfläche und fing an meine Hüften im Takt der Musik zu bewegen.
Nadja lachte nur, nahm mir das Getränk aus der Hand und trank selbst ein paar Schlucke bevor sie mir sie wiederreichte und ebenfalls anfing zu tanzen. Ich tauchte einfach unter in der Menge, versuchte meinen Kopf für ein paar Momente auszuschalten und glücklich zu sein. Und das klappte ziemlich gut, denn Nadi und ich zogen eine ziemliche Show ab. Sei es sich gegenseitig auf den Arsch zu hauen während man twerkte oder alte Choreos aus dem Sportunterricht auszupacken und erneut zu tanzten.

Die Mädels und Jungs die sich mit mir auf der Tanzfläche befanden waren in bester Laune und so lernte ich nach kurzer Zeit Saskia kennen. Wir verstanden uns auf anhieb und verschwanden desöfteren zusammen in die Küche, auf den Balkon, ins Bad oder auch mal vor die Tür um zu reden, lachen und trinken. Wir tauschten sowohl Nummern als auch Adressen aus und merkten, wie ähnlich wir uns waren. Allerdings waren wir auch besoffen und deshalb erfuhr sie bei unserem dritten Joint zusammen an diesem Abend von Sascha. Wie sehr ich ihn liebte, er mich aber nicht. Wie er es nicht wusste. Und von Kimberly. Von allem. Ich schwöre bei Gott, dieses Mädchen wurde zu meinem Kummerkasten an dem Abend.

Ich würde allerdings auch bald ihrer werden, aber dazu kämen wir noch.

rainy days - unsympathischtvWo Geschichten leben. Entdecke jetzt