Kapitel 28

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„Das schmeckt fast wie das in Polen", stellte Max fest, während ich noch etwas unsicher das Glas mit dieser braunen Flüssigkeit anstarrte. „Probier mal Lolla!"

„Ich weiß nicht so ganz. Ich meine, ich mag Schnaps echt nicht so."

„Du sprichst fließend Slowenisch, aber hast noch nie einen Schluck probiert", unterstützte Peter nun ebenfalls Max, der mich schon seit fast 10 Minuten versuchte, zum Trinken zu überreden. Wir waren nach einem langen Spaziergang durch die Stadt an der Ljubljanica entlang in Peters Wohnung zurückgekehrt und saßen nun am Küchentisch.

„Na gut", knickte ich ein. „Aber nur einen Schluck. Wehe, ihr gebt danach keine Ruhe", guckte ich beide böse an und nahm einen ganz kleinen Schluck. Es schmeckte tatsächlich gar nicht so schlecht, sondern ziemlich süßlich wie Likör.

Die Jungs klatschten sich ab. „Ostblockbrüder", lachte Max.

„Was hast du gesagt?" Verwirrt sah ich zwischen ihm und Peter hin und her.

„Lolla, komm schon. Hattest du nicht Geschichte im Abi? Ostblock? Polen? Slowenien unter Jugoslawien's Herrschaft? Wir sind Ostblockbrüder, Peter und ich!", erklärte mir Max, während Peter schmunzelte, seinen Arm um mich legte und mir einen Kuss auf die Haare gab.

„Weißt du, wie gut es tut, wenn du etwas nicht verstehst?", flüsterte er mir auf Slowenisch ins Ohr. „Fast so süß, wie wenn du schläfst."

„Ich glaube, das Wort sturer Esel wurde für dich gemacht", musste ich lachen und gab ihm einen richtigen Kuss. Peter hatte sich den ganzen Abend so verhalten wie immer, sodass ich kaum noch daran dachte, dass Max ihm von meiner Vergangenheit erzählt hatte, sondern es einfach verdrängte. Daran wollte ich jetzt nicht denken.

„Lolla?", sah mich Peter an, als wir uns voneinander lösten. Seine Stimme hatte sich von „ganz entspannt" zu „leicht angespannt" geändert. Ich hörte die Tonveränderung sofort und setzte mich aufrechter hin. Was wollte er mir sagen in diesem Tonfall? „Ich glaube, es ist nicht schlecht, wenn du Max hier hast, um dich beraten zu lassen. Quasi eine Art dritte Meinung. Oder eher fünfte Meinung, denn ich habe schon mit ein paar Anderen darüber geredet." Peter lächelte mir aufmunternd zu, auch wenn ich immer noch keine Ahnung hatte, was jetzt kommen würde. „Also Thomas weiß ja von uns..."

Stimmt. Peter hatte ihn damals nach meiner Adresse gefragt. Auf einmal ahnte ich, was jetzt kommen würde, sodass ich Peter unterbrach: „Warte, warte, Peter. Ich glaube, ich weiß, was jetzt kommt. Willst du nicht, dass wir erstmal abwarten, bis..."

„Bis?", sah Peter mich mit großen Augen an und brachte mich damit aus dem Konzept.

„Keine Ahnung." Ich schaute auf den Boden. „Bis du sicher bist, ob du es mit mir aushältst auf die Dauer?", sagte ich in einem scherzhaften Ton, obwohl ich es eigentlich ernst meinte. Vielleicht hatte ich innerlich eine leise Angst vor Peters Reaktion.

„Lolla", kopfschüttelnd lächelte Peter sein schiefes Lächeln, das ich so liebte. „Bevor du noch mehr Hirngespinste entwickeln kannst, sage ich dir erstmal, was Thomas überhaupt gesagt hat. Ich dachte nämlich vorher, dass nur er davon weiß, aber dem ist nicht so."

Überrascht hob ich den Kopf, als Peter schon weiterredete: „Timi, Tilen und Jernej haben schon vor vier oder fünf Wochen eine Wette abgeschlossen, wann wir beide zusammen kommen und Timi war sogar der Meinung, dass wir schon längst zusammen sind. Deshalb hat Thomas mich darauf angesprochen, als ich einmal bei ihm wegen meines Knies war, weißt du noch?" Ich nickte und hörte ihm jetzt aufmerksam zu, denn das waren tatsächlich Neuigkeiten für mich. „Thomas meinte, dass wir uns vor der Saison - das heißt in den nächsten zwei Wochen - überlegen müssen, wie wir damit im Team umgehen. Domen und Cene wissen ja auch Bescheid."

Einen Punkt verstand ich nicht richtig. „Aber ich bin doch gar nicht mit bei den Wettbewerben, uns bekommen die doch gar nicht mit? Dann können wir das doch wie bisher laufen lassen."

Doch zu meinem Erstaunen schüttelte Peter den Kopf. „Thomas überlegt, ob er dir die Möglichkeit anbietet, ab und zu mit zu den Springen zu fahren. Wenn du an der Uni Ferien hast, also zum Beispiel während der Vierschanzen-Tournee, könntest du mit.
Und auch so, in den Besprechungen, Teamsitzungen, Trainingsfahrten. Wir werden es nicht ewig verstecken können. Besonders, wenn manche das schon vermuten, dann befeuert ja jeder Blick zwischen uns diese Gerüchte weiterhin."

Bis hierhin klang zwar alles logisch in meinen Ohren, aber irgendwie störte mich die Vorstellung trotzdem, dass sich meine Rolle im Team so schnell ändern sollte. „Peter, ich will aber nicht, dass mich die Anderen dann nur noch als deine Freundin wahrnehmen und nicht mehr als das, was ich eigentlich bin: Assistentin von Thomas.
Es werden doch alle denken, ich hätte die Stelle nur bekommen, weil ich was mit dir habe", erwähnte ich unüberlegt, was mir gerade im Kopf umherging. „Außerdem habe ich auch nicht so Lust, dass uns dann alle angucken werden. Max, sag du doch auch mal was dazu!", schaute ich auffordernd den schwarzhaarigen Jungen an, der uns bis jetzt nur stumm zugehört hatte.

„Lolla, ich verstehe kein Slowenisch. Sprich Deutsch oder Englisch mit mir!"

Hatte ich Max gerade ernsthaft auf Slowenisch angeredet? Diese ganzen Sprachen und der komische Pflaumenschnaps, auch wenn er nicht so schlecht war, hatten mich doch etwas durcheinander gebracht.

„Entschuldige, ich habe nicht dran gedacht, dass du das gar nicht verstehst", schnell fasste ich das Gesagte auf Deutsch zusammen.

Max nickte nachdenklich und redete dann auf Englisch: „Also ich verstehe euch beide. Wenn ihr euch sicher seid und Peter meint, dass das Team damit klar kommen wird, dann solltet ihr denen das sagen.
Zu deiner Sorge Lolla, dass die euch anschauen oder über euch reden werden: Wenn ihr es nicht sagt und alle spekulieren, dann werden sie noch viel mehr über euch reden und euch beobachten. Und Lolla, ich glaube keiner wird dich in deinem Auftreten auf einmal als etwas anderes als die Medizinstudentin von vorher ansehen. Du bist dann eben zusätzlich noch Peters Freundin, aber du verlierst nicht deinen alten Status. War das verständlich?", blickte er Peter und mich fragend an.

Langsam nickte ich. „Wir können doch noch etwas darüber nachdenken, oder?", fragte ich in Peters Richtung, drehte meinem Kopf zu ihm und der legte seinen Arm wieder um mich.

„Natürlich Lolla. Wir können da noch ein paar Mal drüber reden, bevor wir uns entscheiden. Thomas und meine Eltern meinten auch, dass wir zusammen entscheiden sollen, also tun wir das auch."

Dankbar gab ich ihm einen kurzen Kuss und ließ dann erschöpft meinen Kopf auf seine Schultern sinken.

„Alles gut, Lolla?", sah Peter mich leicht besorgt und angespannt an. „War es zu viel, dass ich mit dem Thema angefangen habe?"

Ich legte meine Hand auf seinen trainierten Oberschenkel, um ihn zu beruhigen, denn er machte sich viel zu schnell Sorgen um mich. „Nein, es war nicht zu viel. Ich bin nur müde, der Tag war ziemlich anstrengend. Die Uni, dann die zwei Wohnungen. Ich wünschte, ich könnte einfach in meiner Alten bleiben. Oder dass der neue Käufer einfach sagen würde, dass ich drin bleiben kann. Meinetwegen kann ja sogar die Miete steigen. Aber ich will mein zu Hause nicht verlieren."

Verdammt, jetzt wurde ich wieder traurig, dabei wollte ich doch in Gesellschaft von Peter und Max wirklich nicht traurig sein! Lolla, versau euch jetzt nicht den Abend!, ermahnte ich mich.

Peter strich mir über die Haare. Max und ich hatten ihm beim Spaziergang schon davon erzählt, dass die erste Wohnung absoluter Mist war und die Zweite toll, aber total utopisch für meine Möglichkeiten.

„Lolla, du weißt, dass ich dir helfen kann, deine Wohnung zu behalten", fing Peter jetzt wieder damit an. Vermutlich, weil er es nicht aushalten konnte, wenn ich traurig war. Das hatte er mir mittlerweile gestanden, dass dann seine Beschützerinstinkte - wie am ersten Abend, als mir kalt war -, angingen.

„Peter, lass das! Das hatten wir doch schonmal. Ich möchte nicht, dass du mir hilfst. Wir finden schon noch eine Wohnung."

„Lass mich doch wenigstens mit dem Vermieter unter meinem echten Namen telefonieren", bat er nun. „Ich sage einfach, dass ich ein Freund von dir bin. Nicht dein Freund, sondern ein Freund und versuche als Peter Prevc ein paar Infos über mögliche Käufer rauszubekommen. Das wollte er mir das letzte Mal nämlich nicht verraten, ob er überhaupt schon Annoncen aufgegeben hat."

Ich wiegelte ab und schloss die Augen. So lieb seine Versuche gemeint waren, aber ich konnte sie nicht annehmen und eigentlich wusste Peter das auch.

„Dann lass mich dir doch wenigstens ein bisschen helfen! Ich könnte bei der zweiten Wohnung die Bürgschaft übernehmen, dann musst du auch keine hohe Kaution bezahlen oder wir sagen einfach, dass wir zusammen da wohnen, das würde auch funktionieren..."

„Gib es auf, Peter", schaltete sich Max ein. „So wie ich Lolla kenne, kannst du dir noch 3 Stunden den Mund fusselig reden. Du weißt, dass sie so ein Angebot nicht annehmen wird, dann brauchst du es nicht zu versuchen. Lollas Vermieter hat klar gemacht, dass sie ausziehen muss, also wird sie das tun müssen. So Leid mir das tut, Lolla". Das Letzte sagte Max in meine Richtung. Ich nickte dankbar, dass er mir geholfen hatte. Max kannte mich bei so etwas.

Plötzlich fing mein Handy an zu klingeln. Wer rief mich denn um diese Uhrzeit noch an?

Auf meinem Display stand: Nina. Schnell ging ich ran. „Hey Nina, was gibts?"

„Lolla, super cool, dass du noch ran gehst", Ninas Stimme hörte sich wach und ganz klar an. „Du, ich lerne gerade Biochemie und du weißt, wie schlecht ich bei Störungen in Reaktionswegen bin. Magst du mir einmal erklären, wieso genau der Mangel an der Phosphat-6-Dehydrogenase klinisch..."

Okay, dieses Gespräch würde länger dauern. Aber da Nina mir ja mit den Protokollen half, konnte ich jetzt schlecht Nein sagen und dieser Anruf kam mir eigentlich sehr gelegen, damit ich nicht weiter über meine Wohnung - bald nicht mehr Wohnung - nachdenken musste.

„Warte, ich muss zu meinen Unterlagen gehen", sagte ich zu ihr auf Englisch, nahm das Handy kurz vom Ohr und sagte zu Max und Peter, die mich erwartungsvoll ansahen: „Nina und ich besprechen etwas Biochemie. Ich gehe in dein Zimmer, Peter, okay? Da sind meine Unisachen."

Der nickte, also huschte ich raus aus der Küche, den dunklen Flur entlang - es war schon nach 22 Uhr -, setzte mich auf Peters Bett und breitete meine Unterlagen darauf aus.

„So Nina, jetzt erzähl! Was verstehst du nicht?"

Derweil in der Küche

Max Sicht

„Okay, also langsam habe ich begriffen, dass ich Lolla wirklich nicht helfen kann beziehungsweise darf", stellte Peter etwas niedergeschlagen fest und ich nickte zustimmend.

Treffend formuliert. Lolla machte sich damit zwar das Leben noch schwerer, aber ich konnte sie gut verstehen. Außerdem war ich noch recht zuversichtlich, dass wir eine passende Wohnung für sie fanden. So eine wie die Zweite, nur günstiger und ohne hohe Kaution. Dann wäre es perfekt gewesen. Aber man konnte auch nicht erwarten, dass es gleich am ersten Tag klappte.

„Kann ich dich was fragen, Max? Du erzählst Lolla nichts, oder?"

Was kam denn jetzt von Peter? Doch ich nickte, denn wenn Peter einen Rat von mir brauchte, dann würde ich Lolla das nicht verraten. Außer wenn Lollas Wohl beeinträchtigt wäre, aber so wie Peter Lolla behandelte, brauchte ich mir da wirklich keine Sorge zu machen.
Er schien das zu sein, was man als leicht „overprotective" bezeichnete. Ich sah es an seinen Blicken. Wie er immer darauf achtete, dass ihr nicht kalt war. Der kurze, besorgte Gesichtsausdruck, wenn Lolla traurig wurde. Wie er beschützend seinen Arm um sie legte und ihre Hand hielt.

„Tu ich nicht. Schieß los, ich bin ganz Ohr", bestätigte ich ihm und war wirklich gespannt, was er loswerden wollte.

„Was ist denn, wenn ich Lollas Wohnung einfach heimlich kaufe? Also ohne es ihr zu sagen? Als ihr neuer Vermieter Lolla dann einfach übernehme als Mieterin und sie nicht umziehen müsste. Solange ich ihr nicht sage, dass ich das bin, würde sie es ja nicht mitbekommen und könnte sich nicht dagegen wehren. Trotzdem behält sie ihr zu Hause und ist nicht mehr traurig! Ich meine, es macht doch keinen Unterschied, ob im Grundbuchamt jetzt Herr Tomažič oder ich als Besitzer eingetragen ist und..."

Energisch schüttelte ich sofort den Kopf, denn so etwas konnte nicht gut gehen. „Nein Peter, denk gar nicht drüber nach! Das funktioniert nicht."

„Aber es wäre die Lösung", unterbrach Peter mich. „Und ich müsste mir in der Saison, die bald anfängt, keine Sorgen um Lolla machen. Ich meine, wenn du wegfährst, steht sie wieder alleine da mit dem Problem."

„Ja, da hast du recht, deshalb bemühen wir uns ja auch. Ich fliege doch erst nächsten Mittwoch zurück. Da können wir Montag und Dienstag nochmal was anschauen. Und Lolla ist schließlich nicht auf den Kopf gefallen", versuchte ich ihm zu erklären. „Die erste Wohnung hat Lolla ohne uns beide gefunden. Jetzt hat sie uns beide und selbst wenn ich weg bin, zumindest dich!"

Peter lachte herzhaft: „Du bist gut, Max. „Zumindest dich!" Weißt du, dass es richtig gut tut, mit so Leuten umgeben zu sein, die keine Ahnung von Skispringen haben und vorher nie wussten, wer ich bin?"

Ich lachte mit ihm. Okay, das eben hatte ich Peter Prevc gesagt, der - wie ich nun wusste - in Slowenien tatsächlich sehr bekannt, Weltcup-Sieger und Weltmeister war, Olympia-Silber hatte, einen vollgestopften Wikipedia-Eintrag... - naja, aber ich hatte eben vorher keine Ahnung. Und Lolla ja auch nicht.

„Vielleicht bist du ein bisschen mehr als „zumindest", Peter, aber um zum Thema zurückzukommen: Du kannst es gar nicht verheimlich, würdest du die Wohnung kaufen.
Lolla muss ja an irgendwen das Geld überweisen - auf dein Konto? Wenn sie Fragen hat oder was an der Wohnung gemacht werden muss, ruft sie den Vermieter an - dich? Welche Adresse steht auf dem Mietvertrag drauf - deine? Das funktioniert doch nicht." Hoffentlich waren meine Worte klar genug, sodass Peter sie verstanden hatte. Seine Idee war unmöglich umzusetzen.

„Okay, du hast Recht", gab er seinen Versuch nun auf.

Gott sei Dank!, dachte ich mir nur und seufzte erleichtert. Denn würde Lolla so etwas rausfinden, dass Peter hinter ihrem Rücken die Wohnung gekauft hätte, dann wüsste ich, wie sie reagierte. „Ich weiß", lachte ich und stand von dem Stuhl auf. Mittlerweile taten mir die Beine und der Rücken weh vom sitzen und nach dem Rumgelaufe mit Lolla in der Stadt heute Mittag und dem Spaziergang war ich auch ganz schön müde.

Peter hatte anscheinend den selben Gedanken. „Ich werde mal nach Lolla schauen", sagte er und stand auch auf.

„Gute Idee, halt sie vom Lernen ab und sag ihr, dass sie schlafen soll", stimmte ich ihm zu.

„Bis morgen und danke, Max." Peter ging in sein Zimmer und ich ins Wohnzimmer aufs Sofa zum Schlafen.

Peters Sicht

Schon bevor ich die Tür zum Schlafzimmer aufmachte, sah ich, dass noch Licht war. Hoffentlich lernte Lolla nicht noch. Leider hatte es sich genau danach angehört, als sie das Telefonat in der Küche angenommen hatte.

Leise machte ich die Tür auf und sah Lolla im Schneidersitz auf dem Bett sitzen. Neben ihr, vor ihr, hinter ihr lagen Bücher und Zettel ausgebreitet. Mit der rechten Hand hielt sie sich immer noch das Handy ans Ohr.

„Super, dass du es verstanden hast, Nina", sagte sie gerade auf Englisch. „Wir sehen uns dann am Montag Abend in Neuro, ja? Mach's gut."

Lolla legte ihr Handy weg und schaute zu mir hoch, denn ich stand immer noch im Türrahmen und beobachtete sie. Langsam ging ich zum Bett, legte zwei Bücher zur Seite und setzte mich neben sie.

„Was ist los?", sah mich Lolla mit ihren großen, grauen Augen an. „Du guckst so komisch, Peter. Echt, das ist gruselig!" Lolla schaffte es schon wieder, mich zum Lächeln zu bringen.

„Alles gut", beruhigte ich sie. „Wenn du nicht mehr traurig bist, dann bin ich es auch nicht." Vorsichtig streckte ich meinen Arm aus und fuhr ihr durch die Haare. „Weißt du, in zwei Wochen fängt die Saison an und ich wünsche mir, dass ich bis dahin weiß, dass es dir gut geht und..."

„Peter", unterbrach sie mich und schaute mich trotzig an, „mir geht es doch gut! Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen. Max und ich finden schon noch eine Wohnung." Lolla stand vom Bett auf und räumte ihre Uni-Sachen weg.

„Können wir einen Deal machen, Lolla?" Fragend sah ich sie an. „Damit ich in der nächsten Zeit ein bisschen beruhigter sein kann", erklärte ich ihr noch.

Lolla fing an zu lachen und zauberte damit sofort wieder ein Schmunzeln auf meine Lippen. Sie sah so unbeschwert und fröhlich aus, wenn sie lachte. Ihre vollen Lippen schienen wie gemacht zum Lachen zu sein, ihre Augen funkelten übermütig während ihr das braune Haar ins Gesicht fiel.

„Das sage ich dir erst, wenn ich den Deal kenne", steckte sie die Bedingungen und blickte mich mit leicht schief gelegtem Kopf an. „Wer weiß, was du dir schon wieder ausgedacht hast, Peter Prevc."

Kurz überlegte ich nochmal, aber ich war mir vollkommen sicher, was ich ihr sagen wollte: „Wenn du bis Weihnachten keine Wohnung gefunden hast, dann ziehst du zu mir, okay? Da ist kalt, da ist dunkel, da ist Winter und ich möchte mir dich nicht auf der Straße oder irgendeinem Klapp-Sofa vorstellen müssen."

Erleichtert sah ich, wie Lolla nickte: „Damit komme ich klar, da wüsste ich ja selber nicht, wo ich hin sollte."

Mit zwei großen Schritten war ich bei ihr, hob mit einer Hand ihr Kinn an und küsste sie auf die Lippen. Ich liebte es, wenn sie mich stürmisch küsste. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Lolla bei diesen Küssen selber von ihrer Leidenschaft überrascht war. Mich packte jedes Mal ein Prickeln im ganzen Körper, wenn sie mir nahe kam und mit jedem Mal fiel es mir schwerer, mein Verlangen nach ihr zu unterdrücken.

Ich spürte Lollas kleine kalten Hände unter mein T-Shirt fahren und wie sie über meine Brust und meinen Bauch streichelte. „Weißt du, wie gut ich es finde, dass Wochenende ist und du wieder hier bist?", fragte ich sie etwas heiser zwischen zwei Küssen. Meine Stimme machte bei so etwas immer nicht richtig mit. 

Lolla ließ sich rückwärts auf mein Bett fallen, sodass ich sofort die Chance ergriff und mich neben sie legte. Nach einigen Minuten wildem Rumgeknutsche ließ sie von mir ab: „Peter, wir haben immer noch Jeans und normale Klamotten an. Sollen wir uns nicht erstmal Schlafklamotten anziehen und dann weitermachen? Ich habe keine Lust, nachher nochmal aufstehen zu müssen, wenn wir müde sind und schlafen wollen."

Etwas nachdenklich betrachtete ich Lollas Gesicht, was ganz nah an Meinem war, und zeichnete ihre Lippen mit meinem Daumen nach.

Wie sollte ich reagieren? Nach dem Gespräch mit Max gestern Abend, war ich komischerweise viel beruhigter, denn jetzt wusste ich, dass Lollas Probleme keinen sexuellen Hintergrund hatten oder damit zusammenhingen. Solange ich ihr immer Entscheidungsfreiheit gab und nicht die Kontrolle an mich riß, sollte damit alles in Ordnung sein. Aber ob ich allein deswegen nun den nächsten Schritt wagen konnte? Ich seufzte. Und hatte wieder das Gespräch im Kopf. Lolla und ich mussten darüber reden, doch sie tat, als wäre nichts passiert, obwohl ich mir sicher war, dass Max es ihr bestimmt gesagt hatte.

„Was ist?", sah Lolla mich ganz ernst an. Das Grau ihrer Augen wurde eine Spur dunkler.

„Nichts", sagte ich und fuhr mit der Hand vorsichtig unter ihr T-Shirt. Schüttelte dann aber leicht meinen Kopf und fuhr mir mit der freien Hand durch die Haare, weil ich nervös wurde. „Du, ich glaube wir müssen über was reden. Max und ich...", fing ich an, doch Lolla reagierte sofort und legte mir ihren Zeigefinger auf die Lippen.

„Psst", sagte sie leise, fast flüsternd. „Wann anders Peter, nicht heute Abend. Wir haben doch noch genug Zeit, ich möchte daran jetzt nicht denken und einfach nur die Zeit mit dir genießen! Bitte bestehe jetzt nicht darauf, bitte!" Nahezu flehend kam sie mir vor und ich knickte natürlich total ein, schließlich wollte ich sie zu nichts zwingen. Auch wenn es mir eigentlich missfiel, dass wir die Sache so aufschoben. In meiner Familie sprach man solche Dinge normalerweise immer sofort an, denn es wurde nicht leichter, wenn es man es ständig heraus zögerte und nicht direkt besprach. Auf der anderen Seite wusste ich eben auch nicht genau, über was ich eigentlich mit ihr sprechen wollte.

Mist, wieso musste die ganze Situation auch so kompliziert sein? Wieso hatten wir auch so einen Zeitdruck, weil in zwei Wochen die Saison anfangen würde und ich bis dahin sichergehen musste, dass es Lolla alleine gut ging? Mir musste unbedingt bis dahin etwas einfallen.

Seufzend zog ich mein Mädchen in die Arme und gab ihr einen Kuss auf die Haare. Sie traurig zu sehen, konnte ich nicht aushalten. Doch ich nahm mir fest vor, bei der nächsten Gelegenheit mit Lolla darüber zu sprechen. Etwas lockerer als ich mich eigentlich fühlte, grinste ich nun, deutete auf ihr T-Shirt und sagte: „Wenn du schlafen möchtest, dann solltest du dir eben Schlafsachen anziehen. Ich wüsste, was mir gefallen würde." Bei diesen Worten beobachtete ich sie allerdings genau, doch Lollas Gesichtsausdruck hatte sich wieder entspannt, ja sie sah nahezu verträumt aus, während sie kicherte und sich das Shirt über den Kopf zog.

„Dann musst du aber auch mitmachen!", verlangte sie von mir und ich folgte dem nur zu bereitwillig, entledigte mich schnell meines T-Shirts und meiner Jeans, obwohl mir kurz durch den Kopf schoss, ob sie das gerade machte, um mich vom Thema abzulenken - was ich überhaupt nicht gut fände - oder weil sie es einfach wollte.
Lolla fuhr mir mit der Hand über den Rücken und hinterließ eine Spur aus prickelnden Stellen. Bedacht ließ ich meine Hände über ihren Bauch in Richtung ihrer Jeans wandern, denn Lollas Anziehungskraft konnte ich mich beim besten Willen nicht entziehen, und öffnete den Knopf.

„Was wird das, wenn es fertig ist?", hörte Lolla auf, mich zu küssen und sah mich belustigt an.

„Naja, Jeans ist jetzt nicht so die entspannteste Schlafhose", begründete ich ganz sachlich mein Vorgehen und hoffte, dass sie darauf einging.

Leise hörte ich ihr Lachen. „Natürlich Peter! Alles, worüber du dir Gedanken gemacht hast, ist, wie gemütlich es für mich ist. Du bist ein guter Lügner", grinste sie, stand auf und zog sich ihre Jeans aus.

Ehrlich? Ich war ziemlich geplättet, denn komplett nur in Unterwäsche hatte ich sie noch nie gesehen. „Lolla, du...", wusste ich überhaupt nicht, was ich sagen sollte. Sie sah einfach nur wunderschön aus.

„Sag gar nichts", antwortete sie leise lachend und kam wieder zu mir unter die Decke. Leidenschaftlich küsste sie mich und verwuschelte dabei meine Haare, während ich meine Hände über ihren Körper wandern ließ. Es fühlte sich so unfassbar gut an.
Als ich wie das eine Mal beim Massieren auf ihrem Rücken bei dem Verschluss ihres BHs innehielt und auf ihre Reaktion wartete, blickte sie auf und ich merkte an ihren Muskeln, wie sie sich ganz kurz verspannte.

Lolla sah mir in die Augen und ich wusste, was kommen würde. „Können wir noch etwas warten, Peter? Wenn wir alleine in der Wohnung sind?"

Okay, es war noch zu früh. Aber das war in Ordnung. „Mein Mädchen will ungestört sein", lächelte ich und nickte. „Lolla, wir haben alle Zeit der Welt", murmelte ich in ihr Haar, während sie ihren Kopf auf meine nackte Brust legte und die Augen schloss.

Umhüllt von ihrem süßlichen Geruch musste ich an den einen Film denken, von dem Lolla letztens gesprochen hatte. Über den Physiker Steven Hawking. Sie mochte diesen Film. Er hieß: Die Entdeckung der Unendlichkeit.

Genauso fühlte ich mich gerade. Ich wusste, dass morgen schon wieder alles anders sein konnte - wir beide nicht alle Zeit der Welt für uns hatten. Es kam mir irgendwie eher wie das Gegenteil vor.

Aber es war mir gerade egal, denn wenig Zeit mit Lolla war besser als gar keine Zeit mit ihr.

Deshalb wollte ich dieses Gefühl genießen. Als würde es nie enden. Als wäre es unendlich. Auch wenn es das nicht war.

Über den Dächern der WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt