Erwischt

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Shi saß im Gryffindor-Gemeinschaftsraum und starrte auf den Haufen Zeitungen und Papiere, die sie vor sich auf dem Tisch ausgebreitet hatte. Eigentlich wollte sie alles noch einmal ganz konzentriert durchgehen und sich das Gespräch mit der betrunkenen Winky noch einmal durch den Kopf gehen lassen, stattdessen war sie mit den Gedanken ganz wo anders. Das Kinn in die Handfläche gestützt starrte sie vor sich hin, ohne etwas zu sehen. In Gedanken war sie immer noch in diesem Bad.
Das Portrait schwang zur Seite und die Weasley-Zwillinge kamen wild diskutierend herein. George sah Shi als erstes und stupste seinen Bruder mit der Schulter an. „Hey Shi, wie bist du den Bann los geworden?"
Sie reagierte nicht, schien ihn gar nicht gehört zu haben. Überrascht sahen die Brüder sich an, bevor sie zu ihr hinüber gingen. Fred wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum und das holte Shi aus ihren Tagträumen. Blinzend fokussierte sie sich auf ihre Freunde. „Was?" fragte sie und klang überraschend abwesend. Die Zwillinge tauschten Blicke aus.
„Wie bist du den Bann los geworden?"
Sie blinzelte ein paar Mal. „Welcher Bann?"
Fassungslos starrten sie sie an. Fred wirbelte herum und stürmte aus dem Gemeinschaftsraum die Treppen zum Jungenschlafsaal hoch. „Lee", brüllte er. „Malfoy hat Shi kaputt gemacht!"
Verwirrt legte Shi den Kopf schief. „Wieso hat Draco mich kaputt gemacht?"
George sah sie an. „Du nennst ihn beim Vornamen?" Das Entsetzen war ihm deutlich anzusehen.
„Macht man das nicht so, wenn man den besten Fick seines Lebens hatte?" Offenbar war Shi nicht wirklich klar, was sie da redete.
George klappte der Unterkiefer runter. Auf Shis Miene breitete sich plötzlich Verstehen aus und sie schien wieder zu sich zu kommen. „Ups!" murmelte sie und fing an zu lachen. Fred und Lee kamen die Treppe herunter gerast und George deutete sprachlos auf die lachende Shi. „Sie hatte mit Malfoy Sex und nennt ihn jetzt Draco", rief er so laut, dass alle im Gemeinschaftsraum es hörten und zu ihnen hinüber sahen. Shi begann noch heftiger zu lachen und wandte sich kopfschüttelnd wieder ihrer Informationen-Sammlung zu. Jetzt konnte sie sich endlich konzentrieren.
Kichernd überflog sie alle Zeitungsartikel. Ihr Lächeln erstarrte. Langsam beugte sie sich tiefer über die alte Ausgabe des Tagespropheten und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. „Bei Merlin, ich hab's!" flüsterte sie und ihre Augen verengten sich zu bösen Schlitzen. „Dieser Scheißkerl!" brüllte sie, als sich alle Puzzleteile in ihrem Kopf zusammenfügten. Mit einem Ruck sprang sie auf und rannte aus dem Gemeinschaftsraum. Mit fliegenden Füßen stürmte sie durch das Schloss in Richtung Dumbledores Büro. Sie war so darauf fixiert, Dumbledore so schnell wie möglich zu erreichen, dass ihr der gebückte Schatten entging, der sie aus der Dunkelheit heraus beobachtete und ihr folgte.
Gerade als sie eine weitere Treppe hinauf sprintete, zuckte der Zauberstab des Schattens. Ihr Fuß rutschte auf der nächsten Treppenstufe aus und mit einem überraschten Aufkeuchen stürzte sie den Treppenabsatz wieder runter. Krachend landete sie hart auf dem Boden und Shi stöhnte qualvoll laut auf. Ihr Kopf schrie vor Schmerz auf und Shi kniff die Augen zusammen. Mit einem Schmerzlaut drehte sie sich auf die Seite, jeder einzelne Knochen in ihrem Körper schmerzte. Der Schatten löste sich aus der Dunkelheit und trat direkt vor Shi hin. Ihre Lippen verzogen sich zu einem humorlosen Lächeln. „Ich hätte es wissen sollen!" spukte sie aus und ließ sich zurück auf den Rücken sinken.
„Das hättest du", knurrte der Schatten zurück. Mit einem Schlenker seines Zauberstabs glitt Shis Zauberstab aus ihrem Ärmel in seine Hand und mit einem weitern Wink gab er ihr regelrecht einen Schupser. Einen ziemlich großen Schupser. Shi wurde durch die Gänge des Schlosses geschleudert und dann flog sie die nächste Treppe krachend hinunter. Ihr Kopf rollte von einer Seite auf die andere. Ihre Augen waren geschlossen und ein dunkler Fleck breitete sich unter ihrem Kopf auf dem Teppich aus. Hinkend kam die Gestalt die Treppe hinunter auf sie zu. Er hob ihre bleiche Hand an und zog ein kleines Fläschchen und eine Nadel aus den Taschen seines Umhangs. In dem Fläschchen wirbelte eine eigenartig schleimig-grüne Flüssigkeit umher. Die Nadel stach durch den Korken hindurch und die Spitze wurde mit dem Trank benetzt. Mit dieser Nadel stach die Person in Shis Daumenkuppe, bis ein Tropfen ihres Bluts zu sehen war. Im nächsten Moment verfärbten die Adern ihrer Hand sich grünlich und schossen ihren Arm hinauf, verschwanden unter dem Ärmel ihres Pullovers und nichts weiter war zu erkennen. Nichts deutete darauf hin, dass diese Nadel je ihre Haut berührt hatte. Nichts, außer dem kleinen Blutstropfen an ihrem Daumen, ansonsten wirkte alles nur wie ein tragischer, unglücklicher Sturz von der Treppe.
Der Mond schien für wenige Sekunden durch eines der Fenster und beleuchtete das entstellte Gesicht von Professor Alastor Mad Eye Moody, wie er über Shi aufragte, auf seinem Gesicht ein widerlicher Ausdruck der Zufriedenheit. „Sie werden meinem Meister nicht mehr in die Quere kommen, Miss Mortem!" knurrte er und schob ihren Zauberstab in seine Manteltasche.
In dem Moment ertönte ein Luftzug und das Geklapper von Rüstungen. Dann erklang Peeves Stimme, der laut irgendwelche seltsamen Lieder vor sich hin sang und im Bruchteil einer Sekunde verschwand Moody.
Laut krähend schoss Pevees um die nächste Ecke und erstarrte. Auf dem Kopf schwebend, mit einem Helm auf dem Kopf und einem Morgenstern in der Hand starrte er auf Shi hinab, die am Fuß der Treppe lag, die er gerade hinaufschweben wollte. Ein paar Sekunden starrte er sie einfach nur an, dann, mit überraschender Geschwindigkeit, schoss er davon. „Ah", hörte man ihn ein paar Minuten später krähen. „Snape, mit den fettigen, fettigen Haaröööön!" Der Poltergeist warf dem Professor noch ein paar Beleidigungen um die Ohren und rauschte eine Treppe hinauf, mit Professor Snape dicht auf den Fersen. Über Shi blieb er dann urplötzlich in der Luft stehen und sah Snape entgegen. Snape öffnete den Mund, um dem Poltergeist einen Fluch auszuhalsen, um ihn endlich los zu werden, doch er erstarrte mitten in der Bewegung. Mit schnellen, großen Schritten stürmte er auf Shi zu und kniete sich neben ihren leblosen Körper. Vorsichtig hob er ihren Kopf ein Stück an und fasste direkt in die große Platzwunde an ihrem Hinterkopf, aus der immer noch Blut floss und auf den Teppich tropfte. „Peeves", knurrte er mit ernster Stimme. „hol Professor McGonagall, Professor Dumbledore und Madam Pomfrey."
Der Poltergeist gab überraschenderweise keine Widerworte von sich und raste stattdessen nur los, um den Auftag auszuführen. Schnell knüllte Snape den Saum seines Umhangs zusammen und drückte ihn behutsam auf die blutende Wunde, bevor er sie zurück auf den Teppich legte und wartete, bis er die eiligen Schritte von McGonagall hörte. In einem langen Nachthemd kam die Lehrerin um die Ecke gerannt, mit wehenden Haaren und besorgniserregend ernst. „Was ist passiert? Peeves behauptet, dass eine Schülerin hier auf der Treppe verblutet."
„Damit könnte er ausnahmsweise einmal vielleicht recht haben", murmelte Snape und hob eine blutverschmierte Hand.
„Du meine Güte!" keuchte McGonagall. „Wir müssen sie in den Krankenflügel schaffen. Oder sie verblutet wirklich." Sie schnippte mit ihrem Zauberstab, Shi erhob sich vom Boden und schwebte vor den beiden Lehrern her, die sich eilig auf den Weg in den Krankenflügel machten. Eine rote Blutspur, im Mondlicht deutlich zu erkennen, zog sich hinter ihnen her. Im Krankenflügel trafen sie auf Dumbledore und Madam Pomfrey. „Schnell, schnell! Wer weiß, wie lange sie da schon gelegen hat. Es zählt jede Minute!" rief die Krankenschwester und machte sich an die Arbeit, um Shi noch unter den Lebenden zu erhalten.
„Minerva, schicken sie Yuki Mortem, Shis Tante, eine Eule. Sie wird sicher erfahren wollen, was passiert ist."
McGonagall eilte davon, während Snape sich zu Dumbledore gesellte. „Was glauben Sie, Sir?" fragte Snape.
„Ich schätze, Shi hat etwas herausgefunden, dass sie nicht herausfinden sollte und wurde so zum Schweigen gebracht."
„Ihr Zauberstab ist weg."
Dumbledore runzelte ein klein wenig die Stirn. Snape beobachtete Madam Pomfrey. „Wenn wir ihren Zauberstab finden", führte Snape seine Überlegungen aus. „dann finden wir vielleicht auch denjenigen, der für alles verantwortlich ist."
„Vielleicht!" murmelte Dumbledore und strich sich über seinen langen Bart. „Im Moment können wir nur hoffen, das Shi wieder gesund wird."

Times Das Mädchen, das den Tod siehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt