Im Koma

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Shi war nicht erwacht. Madam Pomfrey hatte es geschafft ihre Blutung zu stillen und hatte auch die angeknacksten Rippen wieder geheilt. Doch das war alles, was sie tun konnte. Die Gryffindor lag bleich und still auf dem Bett im Krankenflügel und sah eher wie eine Leiche, als eine Lebende aus.
„Ich kann es mir nicht erkläre", seufzte Madam Pomfrey an Dumbledore gewand. „Sie sollte längst aufgewacht sein. Ihr Herz schlägt regelmäßig und stark und trotzdem scheint etwas ihr jegliche Lebensenergie zu rauben. Wenn dieses Etwas, das ich weder finden noch benennen kann, weiterhin so viel von ihrem Leben nimmt, wird sie bald sterben."
„Das müssen wir verhindern, Poppy", antwortete der Schulleiter sehr ernst und legte der Heilerin eine Hand auf die Schulter. „Tun Sie alles, was in ihrer Macht steht.
Als Antwort nickte sie ernst. „Das werde ich tun, Dumbledore!"
Dumbledore wandte sich seufzend um. Er musste zur zweiten Prüfung, doch alles in ihm widersprach dagegen, Shi alleine zu lasse.
Wie auf's Stichwort ging die Tür zum Krankenflügel auf und Draco Malfoy kam keuchend hereingestürmt. Verwundert betrachtete Dumbledore den atemlosen Jungen, der sich nach Luft schnappend auf den Knien abstützte.
„Professor", brachte er atemlos hervor. „Wie geht es Shi?"
Mit einem sanften Lächeln trat er einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf Shi frei. Draco starrte voller Entsetzen auf Shi, bevor er durch den Saal stürmte und zu ihr ans Bett trat. Dumbledore legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Passen Sie auf sie auf, Mr Malfoy. Ich muss zum See runter. Lassen Sie niemanden in ihre Nähe. Ihr Leben könnte davon abhängen."
Wie in Trance nickte Draco und ließ sich auf den Stuhl fallen, den Dumbledore ihm heranzog. Fest nahm er ihre schlaffe Hand zwischen seine und drückte einen Kuss auf ihre heilenden Knöchel.

Die zweite Prüfung war zu Ende und nichts hatte sich geändert. Außer, dass der letzte Rest Farbe aus Shis Wangen gewichen war.
Draco war über ihren verschlungenen Händen zusammengesunken und behielt die Tür zum Krankenflügel scharf im Auge. Jedesmal, wenn er etwas hörte, zuckte seine Hand zu seinem Zauberstab. Die Champions und ihre Freunde, die sie aus dem See gefischt hatten, kamen von Madam Pomfrey angeführt herein. Harry, Hermione und Ron blieben wie angewurzelt stehen, als sie Shi in einem der Betten liegen sahen.
„Was ist mit ihr passiert?" keuchte Hermione entsetzt und stürzt an die andere Bettseite. Madam Pomfrey zerrte sie wieder zurück und drückte ihr ein Bündel Kleider an die Brust. „Ziehen Sie sich erst einmal etwas Trockenes an, Miss Granger", befahl sie mit eisiger Miene und bugsierte die drei Freunde von Shis Bett weg.
„Wenn du sie verhext hast, Malfoy...", knurrte Ron, doch Draco beachtete ihn überhaupt nicht. Seine Augen waren auf die fremde Frau gerichtet, die in Begleitung von Dumbledore, McGonagall, Snape und Moody herein kam. Das gleiche schwarze Haar, zu einem kurzen Bob geschnitten, die gleichen schwarzen Augen, mit schwarzem Lidschatten betont. Eine ältere und größere Version von Shi. Selbst in Jeans und Pullover, der unter der geöffneten Lederjacke hervor blickte, wirkte sie sehr elegant. Die Absätze ihrer Stiefel klackerten bei jedem Schritt, den sie auf Draco und Shi zu machte.
Das war also Yuki Mortem, Shis Tante. Die andere noch lebende Mortem.
Draco behielt sie genau im Auge, als sie neben Shi am Bett stehen blieb und auf das blasse Gesicht ihrer Nichte hinab blickte. „Haben Sie den Verantwortlichen gefunden, Dumbledore?" Ihre Stimme war tiefer, als die von Shi und genauso angenehm. Eine Stimme, von der man sich gerne Geschichten erzählen ließ.
„Wir ermitteln noch", gab Dumbledore als ausweichende Antwort. Yuki wirbelte herum, in ihren Augen blitzte es gefährlich. „Nicht einmal ein Verdacht?" zischte sie. Dumbledore schwieg kurz. „Ihre Freunde Fred und George Weasley haben berichtet, dass sie vor ihrem Verlassen des Gemeinschaftsraums noch etwas von einem Scheißkerl gebrüllt hätte."
„Also hat sie das Drecksschwein, das hinter all diesen seltsamen Vorkommnissen hier in Hogwarts steckt, gefunden", schlussfolgerte Yuki sofort und Dumbledore nickte. „Das vermuten wir auch."
„Was hat sie zuletzt getan?"
„Ich schätze da müssen Sie die Zwillinge fragen, Yuki."
„Dann holen Sie sie her!"
Die Lehrer sahen Shis Tante mit offenen Mündern an. Noch nie hatte jemand so mit Dumbledore gesprochen.
Doch Dumbledore nickte nur ernst und drehte sich zu McGonagall um. „Minerva, wären Sie so gut?"
Die Professorin für Verwandlung nickte kurz angebunden und rauschte aus dem Krankenflügel. Yuki beugte sich wieder über ihre Nichte und strich ihr sanft das matte Haar aus dem Gesicht. „Poppy!"
Madam Pomfrey kam zu ihnen herüber geeilt, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass alle Schüler gut versorgt waren und sie dann aus dem Krankenflügel scheuchte.
„Was haben Sie heraus gefunden?"
Die Heilerin fühlte kurz Shis Puls und berührte dann ihre Stirn. „Sie ist eine Treppe hinabgestürzt und hat durch eine Platzwunde am Hinterkopf eine Menge Blut verloren. Fünf ihrer Rippen waren angeknackst, zwei gebrochen und sie hat einige blaue Flecken und Blutergüsse davon getragen, aber ansonsten war da nichts. Eigentlich müsste sie längst wach sein, aber stattdessen wird sie immer schwächer. Etwas saugt ihr das Leben aus."
Yuki hob Shis andere Hand, die die Draco nicht fest hielt, hoch und musterte sie eingehend. „Es kann kein Zauber oder Bann sein, den würde sie nach ein paar Stunden umgehen. Ich tippe auf ein höchst effektives Gift, das den Körper und nicht den Geist angreift."
„Dann müssen wir das Gift bestimmen!" keuchte Madam Pomfrey aufgeregt. Yuki nickte. „Ich überlasse Ihnen, diese Aufgabe, Poppy. In der Medizin bin ich nicht ausreichend bewandert. Ich werde stattdessen versuchen herauszufinden, was Shi in Erfahrung gebracht hat, dass man sie aus dem Weg räumen musste."
In dem Moment kam McGonagall mit den Zwillingen zurück. „Fred und George Weasley!" erklärte McGonagall schnell, wurde jedoch von einem „Shi!" unterbrochen und die Zwillinge stürzten zum Bett. Bevor die Weasley alle mit Fragen bestürmen konnten, ergriff Yuki das Wort. „Was wisst ihr über die letzten Aktivitäten meiner Nichte?"
Zuerst antworteten Fred und George nicht. Stattdessen musterten sie die Mortem aus misstrauisch zusammengekniffenen Augen.
„Sie hat einen Haufen alter Zeitungen durchgelesen", murmelte George schließlich zögerlich.
„Sonst noch etwas?"
George sah zu Draco. „Sie hat den Großteil des Tages mit Malfoy verbracht und mit der Suche nach einem Ausweg aus einem Bann, den wir ihr aufgehalst haben."
„Weiter?"
„Sie wollen gar nicht wissen, ob er etwas damit zu tun hat?" fragte Fred ungläubig nach. Yukis Lippen verzogen sich zu einem schmalen Lächeln. „Draco Malfoy sitzt am Bett meiner Nichte, hält ihre Hand und sieht aus, als ob er jeden umbringen würde, der ihr auch nur ein Haar krümmen will. Daraus lässt sich schließen, dass das entweder eine einseitige oder erwiderte Liebe ist. Da Shis Hals jedoch mit Knutschflecken übersät ist, was auf Geschlechtsverkehr hinweist, scheint es eine erwiderte Liebe zu sein, da meine Nichte nicht einfach mit irgendjemanden schläft, egal was der Grund dafür war."
Alle starrten Yuki an, bevor die Augen der Lehrer sich auf Draco richteten, der jedoch immer noch Shis Tante anstarrte. „Also?" hakte Yuki ungeduldig nach.
„Äh...", machte George und wand sich unter dem scharfen Blick etwas.
„Sie war in der Küche!" fiel Fred plötzlich ein.
„In der Küche?"
„Sagte, sie müsse dort mit einer Hauselfe namens Wicky oder so reden."
„Winky?"
„Ja genau, Winky!"
Yukis Augen verengten sich zu Schlitzen. Dann wirbelte sie auf dem Absatz herum und winkte Dumbledore zu. „Dumbledore, wären sie so freundlich?"
Der Schulleiter ließ ihr höfflich den Vortritt und folgte ihr dann. Die kleine Versammlung löste sich schnell auf. Madam Pomfrey zapfte Shi ein bisschen Blut ab, Snape warf Draco einen letzten Blick zu und verließ mit McGonagall und den Zwillingen den Krankenflügel. Nur Moody blieb und starrte auf Shi hinab, dann packte er Draco an der Schulter, was diesen kurz zum Zusammenzucken brachte. „Pass ja auf sie aus, Malfoy!" knurrte er und es klang ziemlich stark nach einer Drohung.
Draco nickte kurz und beobachtete wie der Professor aus dem Krankenflügel hinkte.

Times Das Mädchen, das den Tod siehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt