Wütend

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Zusammen gesunken saß Shi am Gryffindor-Tisch, den Kopf in den Händen vergraben.
„Guten Morgen, Shi", krähte in diesem Moment George hinter ihr voller Schadenfreude. Knurrend vergrub Shi den Kopf noch tiefer in den Armen. „Halt die Fresse!" war ihre gequälte Antwort und die Zwillinge ließen sich lachend neben ihr auf die Bank fallen.
„Was bist du denn so miesepetrig? Immerhin hattest du gestern deinen ersten Kuss."
Langsam hob Shi den Kopf von den Armen und starrte in Fred eklig gut gelauntes Gesicht. „Wie kommst du denn jetzt darauf?" fragte sie knurrend nach.
„Ganz einfach, du bist die Art von Mädchen, die lieber mit Jungs befreundet ist, als mit ihnen etwas ernstes anzufangen."
Shi schürzte die Lippen. „Lass ich durch gehen", meinte sie schließlich und zog mit einem tiefen Seufzer eine Schüssel mit Haferflocken zu sich heran.
„Und wie war dein Date mit Malfoy?" schnurrte Lee ihr gegenüber. Die Ankunft der Post ersparte Shi die Antwort. Eine Schuleule ließ den Tagespropheten vor ihr fallen, den Shi seit kurzem jeden Morgen las. Während sie auf einem Stück Toast herumkaute, blätterte sie durch die Zeitung, bis ihre Augen an einem Artikel hängen blieben. Ihr fiel der Toast aus dem Mund. „Das glaub ich jetzt nicht", flüsterte sie fassungslos. Ihr Gesicht verzog sich vor Zorn. Sehr, sehr großem Zorn.
Sie schlug so heftig mit der Hand auf den Tisch, dass die Teller und Tassen wackelten. „Diese Schlampe!" brüllte sie so laut, dass sich alle in der Halle erschrocken zu ihr umdrehten. Fred und George nahmen in weißer Voraussicht schnell etwas Abstand. „Was ist denn los?" versuchte Fred einen vorsichtigen Anlauf, um sie zu beruhigen, doch er zuckte zurück, als sich die zornerfüllten, schwarzen Augen auf ihn richteten. Mit überraschend ruhigen Händen breitete Shi den Tagespropheten vor ihnen aus und strich die Seite glatt. Lee und die Zwillinge lehnten sich vor, um besser lesen zu können.

Dumbledores Riesenfehler
Albus Dumbledore, der exzentrische Direktor von Hogwarts, der Schule für Zauberei und Hexerei, hat sich noch nie gescheut, Stellen mit umstrittenen Personen zu besetzen. Im September dieses Jahr stellte er Alastor Mad Eye Moody ein, den berüchtigten, schockzauberfreundlichen Ex-Auroren und zwar als Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Diese Entscheidung hat im Zaubereriministerium einiges Kopfschütteln ausgelöst, da Moody durchaus bekannt dafür ist, dass er gewohnheitsmäßig jeden angreift, der in seinem Umkreis auch nur eine plötzliche Bewegung macht. Mad Eye Moody jedoch kommt einem ganz vernünftig und freundlich vor, wenn man ihn mit dem Halbmenschen vergleicht, den Dumbledore Pflege magischer Geschöpfe unterrichten lässt.
Rubeus Hagrid, der zugibt, dass er in seinem dritten Schuljahr von Hogwarts geflogen ist, hat seither die Stelle eines Wildhüters an der Schule inne, eine Arbeit, die ihm Dumbledore besorgt hat. Letztes Jahr allerdings hat Hagrid seinen unheilvollen Einfluss auf Dumbledore dazu eingesetzt, sich zusätzlich die Stelle eines Lehrers für Pflege magischer Geschöpfe unter den Nagel zu reißen, ohne Rücksicht auf viele besser ausgebildete Kandidaten.
Hagrid, ein beängstigend großer und wild aussehender Mann, nutzt seitdem seine neu gewonnene Autorität, um die ihm anvertrauten Schüler mit einer Reihe grauenhafter Kreaturen in Angst und Schrecken zu versetzen. Während Dumbledore beide Augen zudrückt, hat Hagrid in einigen seiner Unterrichtsstunden, die viele als sehr verängstigend beschreiben, dafür gesorgt, dass mehrer Schüler schwer verletzt wurden.
Ich wurde von einem Hippogreif angegriffen und mein Freund Vincent Crabbe ist von einem Flubberwurm ganz schlimm gebissen worden", berichtete der Viertklässler Draco Malfoy. Wir alle hassen Hagrid, aber wir haben zu viel Angst, um etwas zu sagen."
Hagrid hat freilich nicht die Absicht, seine Einschüchterungskampagne zu beenden. Im Gespräch mit einer Reporterin des Tagespropheten gab er letzten Monat zu, dass er Geschöpfe gezüchtet habe, die er Knallrümpfige Kröten nennt, eine höchst gefährliche Kreuzung zwischen Heuschrecke und Feuerkrabbe. Die Züchtung neuer Kreuzungen magischer Geschöpfe steht natürlich unter der strengen Kontrolle der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe. Hagrid jedoch scheint sich über solch kleinliche Beschränkungen erhaben zu fühlen.
Es hat mir einfach Spaß gemacht", sagte er, um dann hastig das Thema zu wechseln.
Als ob das nicht genug wäre, hat der Tagesprophet inzwischen Beweise dafür gefunden, dass Hagrid kein, wie er immer vorgab, reinblütiger Zauberer ist. Er ist in Wahrheit nicht einmal ganz Mensch. Seine Mutter, so können wir jetzt exklusiv berichten, ist keine andere als die Riesin Fridwulfa, deren Aufenthalt gegenwärtig unbekannt ist.
Blutrünstig und gewalttätig wie sie sind, brachten sich die Riesen im Laufe des vergangenen Jahrhunderts durch Kriege untereinander selbst an den Rand des Aussterbens. Die wenigen, die übrig geblieben waren, schlossen sich den Reihen von Du-Weißt-Schon-Wer an und verübten während seiner Schreckensherrschaft einige der bestialischsten Massenmorde an Muggeln. Zwar wurden viele Reisen, die Du-Weißt-Schon-Wem dienten, von Auroren im Kampf gegen die dunklen Kräfte getötet, doch Fridwulfa entkam. Es ist möglich, dass sie Zuflucht in einem der Riesen-Dörfer gefunden hat, die es in Bergregionen anderer Länder noch immer gibt. Nach seinem Gebaren als Lehrer für Pflege magischer Geschöpfe zu schließen hat Fridwulfas Sohn jedoch offensichtlich ihr gewalttätiges Wesen geerbt.
Eine makabre Seite dieser Geschichte ist nun, dass Hagrid wie zu hören, eine enge Freundschaft zu dem Jungen aufgebaut hat, der den Sturz des Unnennbaren herbeiführte und damit Hagrids Mutter und die übrig gebliebenen Anhänger fes Unnennbaren in den Untergrund getrieben hat. Vielleicht kennt Harry Potter die unangenehme Wahrheit über seinen großen Freund gar nicht, doch Albus Dambeldore hat gewiss die Pflicht, dafür zu sorgen, dass Harry Potter und seine Mitschüler vor den Gefahren, die ihnen beim Umgang mit Halbriesen drohen, gewarnt werden.
Rita Kimmkorn

Times Das Mädchen, das den Tod siehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt