Der Feuerkelch

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Der 30. Oktober war endlich da. Shi saß zusammen mit den Weasley-Zwillingen beim Frühstück in der geschmückten Großen Halle. Die Zwillinge regten sich über irgendetwas auf, während das Goldene Trio zu ihnen stieß.
„Ihr solltet endlich aufgeben", seufzte Shi, bevor sie in ihren Toast biss.
„Niemals!" zischten die beiden Weasley und Shi kicherte gut gelaunt.
„Wer ist eigentlich dieser unparteiische Schiedsrichter?" fragte Harry. Alle Augen richteten sich auf Shi, die verwundert ihren Toast sinken ließ.
„Waf?" fragte sie mit vollem Mund. Fred lehnte sich vor. „Wir waren so damit beschäftigt, es aus McGonagall heraus zu bekommen, dass wir die Lösung gar nicht bemerkt haben, die direkt vor unserer Nase gelegen hat."
George kam von ihrer anderen Seite. „Ganz genau! Shi, was weiß du?"
„Ich weiß gar nichts", beteuerte Shi und die zwei begannen zu lachen.
„Das war die fetteste Lüge, die du je erzählt hast", beschuldigte Fred sie und Hermione schnaubte. „Shi, du bist eine Mortem. Deine Familie ist bekannt für ihr Wissen."
„Ich fühle mich geschmeichelt, dass du mich in der Bibliothek nach geschlagen hast, Hermione."
Als die anderen immer noch nicht aufhörten sie erwartungsvoll anzustarren, schnaubte Shi spöttisch. „Ich verderbe mir doch nicht den Spaß und sag euch das", spottete sie breit grinsend. „Ich freu mich schon auf eure Gesichter."
„Man, du bist so fies!" beschwerte Fred sich und Shi lachte nur dreckig. „Ich weiß!" kicherte sie und lehnte sich plötzlich zur Seite. „Ah, da ist mein kleines Haustierchen ja!" quietschte sie und sprang auf. Im Vorbeilaufen konnten die anderen noch einen Blick auf Shis Hand werfen, in der sie einen Belfer-Anstecker hielt.
„Sie zieht das wirklich durch, was?" meinte Ron, als Shi direkt auf die kleine Gruppe Slytherins zusteuerte, die gerade hereingekommen war. Mit einem fröhlichen Grinsen ging sie direkt auf Malfoy zu und steckte ihm ohne ein Wort und ziemlich lässig den Stecker an den Umhang. Malfoy schubste sie von sich und versuchte sich den Stecker abzureißen. Es brachte nichts. Lachend schlenderte Shi wieder zurück zum Gryffindor-Tisch. Gerade als sie sich setzte, landete Hedwig mit einem Brief auf Harrys Teller. Er riss den Brief sofort auf und Shi schnaubte spöttisch. Offenbar hatte Harry versucht die ganze Situation zu entschärfen und Sirius dazu zu bewegen nicht zurückzukommen.

Den ganzen Tag über lag eine erwartungsvolle Spannung in der Luft und keiner schien im Unterricht wirklich aufzupassen. Alle warteten angespannt auf die Ankunft der Vertreter der Schulen.
Auch Shi ließ sich von der Begeisterung der Weasley anstecken. Allerdings versuchten die beiden zusammen mit ihrem besten Freund Lee sie zu überlisten, um an Informationen über den Schiedsrichter zu kommen. Am Ende des Schultags waren die drei furchtbar frustriert, weil sie keinen Ton aus ihrer Freundin heraus bekommen hatten, was Shis Laune nur noch weiter hob.
Sie waren einer der letzten, die sich in der Großen Halle einfanden.
„Beeilen Sie sich!" herrschte McGonagall die Zuspätkommer an und Shi reihte sich kichernd zwischen den Zwillingen ein.
„Wir bekommen es schon noch aus dir raus", knurrte Fred und Shi lachte fröhlich auf, was ihr einen bösen Blick ihrer Hauslehrerin einbrachte. Schließlich schienen die Schüler McGonagall zufrieden zu stellen und sie folgten der Professorin im Gänsemarsch aus der Halle hinaus vor das Schloss, wo sie sich erneut aufstellen mussten. Die Schüler um sie herum flüsterten leise miteinander und rätselten darüber, wie die Schüler der anderen Schüler wohl ankommen würden, während Shi nur gelassen auf den Fußballen wippte. Die Zwillinge warfen ihr finstere Blicke zu. Sie wussten, dass Shi die Antworten auf all ihre Fragen hatte, sie aber nicht preisgeben wollte.
„Ah", rief Dumbledore da hinter ihr. „Wenn ich mich nicht täusche, nähert sich da die Delegation aus Beauxbatons."
„Da!" rief Katie Bell auf Georges anderer Seite und deutete Richtung Wald. Shi seufzte und sah zum Himmel hoch. Die Schüler um sie herum, waren alle zu groß. Sie konnte rein gar nichts sehen.
Aufgeregte Rufe.
Fred seufzte auf ihrer anderen Seite. Die Zwillinge wechselten über Shis Kopf hinweg Blicke. Dann packten sie jeweils einen ihrer Oberschenkel und hievten sie sich auf die Schultern. Shi quietschte überrascht auf und hielt sich an den Köpfen der beiden fest. Jetzt hatte sie eine uneingeschränkte Sicht auf das Geschehen.
Eine riesige, pastellblaue Kutsche, so groß wie eine Villa und gezogen von knapp zwölf riesigen Palominos, geflügelte Pferde, kam über die Baumwipfel des Verbotenen Waldes hinweg auf sie zugerauscht. Die ersten Reihen wichen eilig zurück, als das monströse Ding regelrecht vom Himmel zu fallen schien und auf dem Vorhof des Schlosses krachend landete. Irgendwo vor sich hörte Shi Neville erschrocken aufquicken und sie musste grinsen.
Das Wappen von Beauxbatons prangte auf der Tür der Kutsche. Zwei, goldene Zauberstäbe, die sich kreuzten und jeweils drei Funken versprühten.
Die Tür wurde von einem kleinen Jungen im blassblauen Umhang geöffnet, der schnell eine Treppe ausklappte und dann respektvoll Abstand nahm.
„Bei Merlins Bart!" murmelten die Zwillinge unter ihr unisono. Eine Frau, groß wie ein gottverdammter Mammutbaum stieg aus der Kutsche.
Madame Olympe Maxime, die Schulleitern der französischen Zaubererschule Beauxbatons und eine Halbriesin, was sie jedoch aus Angst vor rassistischen Kommentaren bestritt. Durch die schwarzen Haare und die schwarzen Augen war sie die weibliche Version von Hagrid. Aber weitaus gepflegter. Diese Frau trug hochhackige Schuhe, Opale an Händen und Hals, war in Satin gekleidet und eine echte Lady.
Shi grinste. Sie hob die Hände und begann zu klatschen. Dumbledore warf ihr einen belustigten Blick zu und stieg mit ein. Schnell schlossen sich auch die anderen Schüler ihnen an und der angespannte Ausdruck in dem Gesicht der hünenhaften Frau wich einem warmen Lächeln. Mit großen Schritten ging sie auf Dumbledore zu und ließ sich von ihm den Handrücken küssen. Shi musste noch breiter grinsen, als sie sah, dass Dumbledore sich für diese Tat kaum herabneigen musste.
„Meine liebe Madame Maxime. Willkommen in Hogwarts!" begrüßte er sie mit einem sanften Lächeln.
„Dumbly-dorr", Die Stimme der Frau war tief und warm und mit einem stark französischen Akzent versehen. „Isch 'offe, Sie befinden sisch wohl?"
„In exzellenter Verfassung, danke, Madame."
Shi kniff schnell die Lippen zusammen. Abgesehen davon, dass er alt war...
„Meine Schüler!" Mit einer riesigen Hand deuteten Madame Maxime hinter sich zurück auf die Kutsche. Ein knappes Dutzend an älteren Jungen und Mädchen stiegen nun ebenfalls aus der Kutsche heraus und zitterten in der kalten Luft. Kein Wunder bei den dünnen Stoffen, die sie trugen. Einige sahen mit bangen Blicken an Hogwarts hoch.
„Ist Karkaroff schon eingetroffen?" fragte die Schulleiterin und Shis rechtes Auge zuckte bei der Erwähnung dieses Namens.
„Er sollte jeden Moment ankommen", erwiderte Dumbledore und Shi unterdrückte ein Grollen.
Igor Karkaroff, ehemaliger Anhänger von Lord Voldemort und Todesser. Ein Verräter. Indem er Namen anderer Todesser nach Voldemorts Sturz dem Ministerium verraten hatte, konnte er sich seine Freiheit erkaufen. Wenn Voldemort je zurückkehren würde, würde dieses wertlose Stück Dreck als erstes um sein Leben rennen.
"Möchten Sie hier warten und ihn begrüßen, oder lieber herein kommen und sich aufwärmen?"
„Aufwärmen, würde isch sagen. Aber die 'ferde..."
„Unser Lehrer für Pflege Magischer Geschöpfe wird sich mit Vergnügen darum kümmern", beruhigte Dumbledore sie und Shi grinste. Darin war sie sich sicher.
„Sind Sie sisch sischer? Meine Rosse verlangen... ahm... eine 'arte 'and." Madame Maxime legte die Stirn in zweifelnde Falten. „Sie sind serr stark..."
„Ich versichere Ihnen, dass Hagrid dieser Aufgabe vollkommen gewachsen ist und sollte er tatsächlich Hilfe benötigen, wird ihm diese sofort von seiner besten Schülerin gegeben."
Shi kniff die Lippen zusammen, als die blauen Augen kurz zu ihr huschten. George kniff ihr in den Oberschenkel und sie schlug ihm auf den Hinterkopf. Diesmal gab es keinen Zweifel. Dumbledore sah Shi direkt an und Madame Maxime folgte seinem Blick. Ihre Augenbrauen schossen beinahe bis zu ihrem Haaransatz hoch.
„Miss Mortem, wären Sie so nett und übernehmen Sie die Tiere, bis Hagrid zu uns stößt."
Mit einem ergebenen Seufzer klopfte Shi den Zwillingen auf die Schultern und sie ließen sie augenblicklich herunter. Während Shi sich ihren Weg zwischen den Schülern hindurch bahnte, hörte sie Madame Maxime.
„Dumbly-dorr, das ist ein kleines Mädschen."
„Na danke auch", grummelte Shi und ging zielsicher auf die Palominos zu. Die feuerroten Augen richteten sich auf sie und Shi blieb eine Pferdelänge vor dem ersten Palomino stehen. Es warf den goldenen Kopf herum und scharrte schnaubend mit den Hufen.
„Madame Maxime!" rief Shi laut und wandte sich zu der großen Frau um. Die schwarzen Augen richteten sich auf sie. Shi trat einen Schritt zur Seite und wich somit den herabdonnernden Hufen eines der Pferde aus, dem sie anscheinend zu nahe gekommen war. Einige Schüler keuchten erschrocken auf, während Shi nur lässig einen weiteren Ausfallschritt vollführte und einem zuschnappenden Maul auswich. „Was trinken ihre Palominos?"
„Single Malt Whisky."
Shi zog beeindruckt die Augenbrauen hoch. Die Schulleiterin zögerte noch kurz, dann zuckte sie die mächtigen Schultern und bedeutete ihren Schülern ihr zu folgen. Die Schüler aus Hogwarts teilten sich, um sie alle durchzulassen.
Shi seufzte einmal tief und warf Dumbledore noch einen bitterbösen Blick zu, der ihr fröhlich zu lächelte, bevor sie sich wieder den Pferden zu wandte. Eines der Biester holte zu einem Tritt mit der Hinterhufe aus und Shi fing den riesigen Hut direkt vor ihrem Gesicht ab. Ihre schlanken Finger umfassten nicht einmal die Hälfte des ganzen Gelenks, doch es reichte aus. Mit einer überraschend kräftigen Bewegung schleuderte sie den Huf zur Seite. Das Bein schlug gegen das andere Hinterbein des Pferdes und fegte es unter dem großen Pferdekörper weg. Das geflügelte Pferd stürzte zu Boden und Shi rekte herausfordernd das Kinn, ein seltsamer Schnaublaut kam über ihre Lippen. Die restlichen Tiere schnaubten jetzt ebenfalls laut. Keiner wagte mehr einen Angriff. Irgendwas an Shi brachte Tiere, egal von welcher Rasse, dazu sie beschützen zu wollen, sodass es niemand wagen konnte ihr ein Leid zu zufügen.
Stille trat ein, die nur vom Schauben und Stampfen der Pferde unterbrochen wurde. Doch dann erklangen seltsame Sauggeräusche aus der Dunkelheit, wie von einem übergroßen Staubsauger. Shi strich sanft über die weiche Nase eines der Tiere, die sich um sie herum scharrten und sah zum See. Die anderen Schüler begriffen es auch ziemlich schnell.
Mit ausdrucksloser Miene beobachtete Shi wie die Oberfläche des Sees aufbrach und sich ein riesiges Schiff aus einem Strudel erhob. Das Schiff wirkte eher wie ein Gerippe, aus den Bullaugen leuchteten grüne Lichter. Das Geisterschiff glitt über die Seeoberfläche ans Ufer. Ein Anker wurde ins Wasser geworfen. Dann, über eine breite Planke, gingen Gestalten von Bord.
Die Schüler von Dumstrang.
Durch die Pelzmäntel, die sie alle trugen, wirkten sie extrem massig. Doch die Gestalt, die sie hoch zum Schloss anführte trug keinen der zotteligen Pelze. Dieser war silbern, genau wie sein Haar.
Shi biss die Zähne zusammen und versuchte eine ausdruckslose Miene auszusetzen. Die Palominos um sie herum, spürten ihre Angespanntheit und warfen nervös die Köpfe umher.
„Dumbledore!" rief Igor Karkaroff mit öliger Stimme, bei deren Klang Shi die Nase rümpfte.
„Wie geht's Ihnen, altes Haus, wie geht's?"
Shi knirschte mit den Zähnen. Das Licht aus dem offenen Eingangstor erhellte sein Gesicht. Ein ziegenartiger Spitzbart, gelbe Zähne und kalte, scharfe Augen.
„Das gute, alte Hogwarts", er lächelte, doch seine Augen blieben leer. „Wie schön wieder hier zu sein, wie schön... Viktor, komm rein, in die Wärme... Sie haben nichts dagegen, Dumbledore? Viktor hat einen leichten Schnupfen..."
Fast hätte Shi gelacht. Ein Schüler löste sich von den anderen und folgte Karkaroff zusammen mit den anderen Schüler hinein. Die Hogwartsschüler reihten sich hinter den Durmstangs ein und folgten ihnen schwatzend und plappernd.
Shi warf Dumbledore einen letzten, finsteren Blick zu, bevor sie sich in der kalten Luft herum drehte, um auf Hagrid zu warten.

Times Das Mädchen, das den Tod siehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt