Ein Date

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Die Weihnachtsferien hatten begonnen und Shi saß im warmen, behaglichen Gemeinschaftsraum der Gryffindors und starrte aus dem Fenster hinaus in die Kälte. Die Ländereien von Hogwarts waren mit einer dicken Schicht puderzuckerartigen Schnees bedeckt. Hagrids Hütte hatte sich in ein Lebkuchenhaus verwandelt und die Kutsche von Beauxbatons wirkte wie ein gefrorener Riesenkürbis. Das Dumstrang-Schiff sah mit den vereisten Masten und Bullaugen noch gruseliger aus.
Shi seufzte und verließ äußerst widerwillig die Behaglichkeit des Turms, um zum Frühstück zu gehen. Noch nie hatte sie Hogwarts so heraus geputzt gesehen. Offenbar wollten die Lehrer ein bisschen vor den anderen Schulen angeben.
Alle Rüstungen, an denen sie vorbei kam, waren so verhext, dass wenn sie an ihnen vorbei lief, begannen Weihnachtslieder, von denen sie nicht einmal den Text ganz konnten, zu singen. Weshalb Shi sich mehrfach über die Ohren rieb, um einen grauenhaften Ohrwurm zu verscheuchen. Vor allem, als Peeves' Stimme aus einem der leeren Helme erklang und die Lücken in dem Lied mit selbst ausgedachten, schrecklichen Reimen füllte. Shi hatte gelacht und dem Poltergeist ebenfalls etwas vor gesungen und dann hatten sie zusammen grauenhafte Verfälschungen von bekannten Liedern geträllert, bis Filch zornschnaubend, wie ein Stier um die Ecke gekommen war und Shi die Flucht ergreifen musste, um einer saftigen Strafe zu entgehen. Shi und der Poltergeist Peeves kamen überraschend gut miteinander aus. Was vielleicht hauptsächlich daran lag, dass Shi ihm bei manchen Streichen nur zu gerne behilflich war und er sie im Gegenzug nie versuchte hereinzulegen. Was natürlich nicht hieß, dass er es nicht versucht hatte. Aber nachdem er dafür eine Abreibung bekommen hatte, die selbst den Blutigen Baron zum Schreien gebracht hätte, hatten sie sich auf eine stumme Übereinkunft geeinigt.
Am Geländer der Marmortreppe glitzerten ewige Eiszapfen und Shi nahm schnell die Hand weg, um sich keinen Kälteschock daran zu holen. Ob sie Fred oder George wohl dazu überreden konnte, einen der Eiszapfen abzulecken? Das wäre sicher ein Spaß! Als kleine Rache für die Kanarienkremschnitten, die sie ihr hatten andrehen wollen.
Die üblichen zwölf Christbäume, die in der Großen Halle verteilt standen, waren mit so vielen exotischen Dingen geschmückt, dass Shi bei manchen Mühe hatte, sie zu benennen, und das sollte schon etwas heißen.
Gähnend setzte Shi sich neben Hermione an den Gryffindor-Tisch und musste grinsen, als Ron versuchte aus Hermione heraus zu bekommen, wer sie denn zum Weihnachtsball begleitete. Doch Hermione hielt den Mund und als Ron sich fragend an Shi wandte, kniff diese bei Hermiones warnendem Blick die Lippen zusammen, um nicht zu lachen. „Ich sage kein Wort über Hermiones Date", verkündete sie grinsend. Der Moment wurde von einer höhnischen Stimme hinter ihnen jedoch etwas vermiest. „Machst du Witze, Mortem?" Malfoy lehnte sich über Shis Schulter und sah sie spöttisch an. „Jemand hat das da", er deutete auf Hermione. „zum Ball eingeladen? Das Schlammblut mir den Biberzähnen?"
Bevor Shi zu einem fiesen Konter ansetzten konnte, drehte Hermione sich plötzlich auf der Bank um und sah an Malfoy vorbei. „Guten Morgen, Professor Moody!"
Malfoy wurde noch bleicher, sprang einen Schritt zur Seite, stolperte dabei und prallte mit Goyle zusammen, während er sich hektisch umsah. Doch besagter Lehrer saß immer noch am Lehrertisch.
„Ach herrje, was für ein kleines, verschrecktes Frettchen du doch bist!" grinste Hermione und verließ zusammen mit ihren beiden Freunden lachend die Halle. Shi sah ihr ein paar Sekunden lang nach, dann brach sie über ihrem Frühstücksteller zusammen. Vor lauter Lachen. Atemlos schlug sie mit der Hand auf den Tisch und versuchte wieder Luft zu bekommen, während Malfoy sie aus zusammengekniffenen Augen böse anstarrte. Doch das half nicht wirklich. Ganz im Gegenteil.
Shi begann nur noch heftiger zu lachen. „Die hat's dir aber gegeben!" brachte sie keuchend zwischen zwei Lachkrämpfen hervor und hielt sich den schmerzenden Bauch. Malfoy starrte sie nur weiterhin an. Nach ein paar Sekunden, fiel Shi auf, dass Crabbe und Goyle beide am Slytherin-Tisch saßen und nur noch Malfoy bei ihr zurückgeblieben war. Ihr Lachen verklang und misstrauisch drehte sich sich auf der Bank ganz zu ihm um. „Gibt es noch etwas, Malfoy?"bfragte sie nach, mit einem hinterhältigen Blitzen in den Augen. Malfoy knirschte mit den Zähnen. „Nein!" knurrte er und klang plötzlich furchtbar zornig. Dann wirbelte er auf dem Absatz herum und stürmte zu seinen Freuden hinüber. Stirnrunzelnd sah Shi ihm nach. Sie war sich sogar ziemlich sicher, dass Malfoy noch etwas sagen wollte. Warum hatte er es sich anders überlegt?
Bevor Shi weiter darüber nach denken konnte, wurde sie plötzlich unter den Achsen gepackt und hoch gehoben. Sie ahnte Übles. Spätestens, als sie das Grinsen der Weasley-Zwillinge sah, die sie aus der Großen Halle schleppten und hinaus Richtung Eingangstor.
„Oh nein!" meinte Shi und begann sich zu wehren. „Das macht ihr nicht! Ich warne euch!" Ihre Stimme wurde immer lauter, doch die Zwillinge achteten nicht darauf, sondern stürmten einfach hinaus in die Kälte des Wintermorgens. Und damit nicht genug.
Die beiden Mistkerle holten Schwung und schleuderten die schreiende, zappelnde Shi einfach in die nächste Schneewehe. Mit ihren jämmerlichen 1,60 versank Shi bis zur Taille im Schnee. Schuhe, Socken, Hose waren augenblicklich durchgeweicht und die Weasley standen einfach nur da. Lachend und feixend, während Shi versuchte sich strampelnd aus der kalten Masse zu befreien. Als es ihr weder gelang sich zu befreien, noch ihren Zauberstab frei zu schaufeln, beschränkte sie sich darauf, Fred und George auf das wüsteste zu beschimpfen. Sie brüllte ihre Beleidigungen so laut heraus, dass kurz darauf McGonagall auf der Eingangstreppe auftauchte, hell auf entsetzt. „Miss Mortem!" fauchte sie. „Was ist das denn für eine Ausdrucksweise?"
Wütend funkelte Shi ihre Lehrerin an. „Ich stecke fest!" schrie sie vor Zorn bebend. „Wären Sie so freundlich und befreien mich aus dieser misslichen Lage, dass ich Fred und George umbringen kann?"
Die Zwillinge stützten sich mittlerweile aufeinander ab, um nicht um zu fallen, so sehr lachten sie. McGonagall seufzte tief, bevor sie mit dem Zauberstab einen Schlenker machte und der Schnee um Shi herum schmolz dahin. Die Gryffindor verlor keine Zeit.
Mit einem Schlachtruf sprang sie vor und fiel die beiden Weasley wie eine wild gewordene Katze an. McGonagall seufzte sehr tief und verschwand wortlos im Schloss. In so einen Streit wollte sie sich auf keinen Fall einmischen. Das hatte sie bereits getan und am Ende hatte sie mehr abbekommen, als irgendeiner der Beteiligten. Keine sonderlich schöne Erinnerung.
Fauchend rang Shi Fred zu Boden, während sie gleichzeitig Georges Hals mit den Schenkeln umklammerte. Jeder der beiden schluckte einen Haufen Schnee und musste husten und keuchen. Schließlich trat sie George zur Seite und erhob sich von Fred, der halb begraben unter einem Haufen Schnee lag. In aller Ruhe klopfte Shi sich Schnee vom Pullover, was überhaupt nichts brachte, da sie von Kopf bis Fuß durchweicht war. „Es wird mir immer wieder ein Vergnügen sein!" schnurrte sie mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme.
„Wir werden auf das Angebot zurück kommen", versuchte Fred zu kontern.
„Nachdem wir unsere Würde in diesem Schneegestöber wieder gefunden haben", murmelte George und Shi wandte sich schnell ab, dass sie ihr Lachen nicht sahen. Grinsend ging sie zurück ins Schloss, um sich umzuziehen. Aber erkälten würde sie sich wahrscheinlich trotzdem.

Shi zog die Nase hoch und sah auf die Uhr. Nicht mehr lange und das Gebräu von Madam Pomfrey würde anfangen zu wirken.
Schniefend bog sie um die Ecke und blieb stehen. Zog die Augenbrauen hoch und legte den Kopf schief. Vor ihr im Gang standen Pansy Parkinson und Malfoy.
„Du hast schon eine Begleitung?" Parkinson war der Schock deutlich anzusehen. Verwirrt begann sie zu stottern und ihre Wangen färbten sich rosa. „Toll... ich meine, dass ist gut... uhm... ich muss dann mal los... also..."
Fast hätte Shi Mitleid mit der Slytherin empfunden, aber eben nur fast. Malfoy sah der flüchtenden Parkinson kopfschüttelnd nach. Mit einem überraschend tiefen Seufzer schob er die Hände in die Hosentaschen und legte den Kopf in den Nacken. „Mist!" knurrte er und trat doch tatsächlich gegen die Wand. Shi trat einen Schritt vor, blieb dann aber zögerlich wieder stehen. War er wütend? Weil Parkinson ihn zum Ball eingeladen hatte? Verwirrt schüttelte Shi den Kopf. Mit solchen Fragen beschäftigte sie sich eigentlich nicht. Solche Sachen waren eher das Thema der Klatschtanten, denen Shi ein paar Mal zu hörte, um sich auf den neusten Stand zu bringen.
„Verdammt, ich hätte mit Pansy hingehen sollen. Sie wird nie ja sagen..." Er raufte sich die Haare.
Wer würde nie ja sagen? Shi war wirklich verwirrt.
Gerade noch rechtzeitig lehnte sie sich im Schatten einer Rüstung an die Wand, da begann Malfoy auch schon auf und ab zu laufen. „Ich erweise dir die Ehre..." Er schüttelte den Kopf, genau wie Shi. „Willst du... Gehst du mit mir zum Ball?..."
Wer wohl die Glückliche war, mit der Malfoy sich verabreden wollte?
Shi senkte den Kopf und sah auf ihre Brust hinab. Was war denn das für ein fieses Gefühl? War sie etwa... Das durfte doch nicht wahr sein?! War sie etwa allen ernstes eifersüchtig? Auf eine Unbekannte? Wegen Malfoy!?
Offenbar stimmte etwas mit ihr gerade nicht. Sie sollte ihren Kopf ein paar Mal gegen die Wand rammen, nur um sicher zu gehen.
Sie legte die Hände an die Wand, an der sie gelehnt hatte.
„Shi..."
Sie hielt inne.
„Oder doch lieber Mortem?"
Die Wand war vergessen.
Langsam drehte Shi sich wieder herum und lugte um die Rüstung herum.
„Geh mit mir zum Ball, Mortem!"
„Ist das ein Befehl?"
Malfoy wirbelte herum. Shi biss sich auf die Lippe. Sie hatte einfach nicht widerstehen können.
Mit schief gelegtem Kopf lehnte sie an der Wand, die Beine an den Knöcheln lässig gekreuzt.
„Wie viel hast du gehört?" knurrte Malfoy und Shi musste ein bisschen lächeln. „Willst du eine Antwort oder keine?" wollte sie statt einer Antwort wissen. Malfoy funkelte sie finster an, während sie nur unschuldig lächelte.
„Machst du dich über mich lustig?"
„Keinesfalls, ich will dir nur eine Antwort geben."
„Eine Antwort worauf?"
Shi seufzte. Er machte es echt nicht leicht. Weder für sich noch für sie.
Sie stieß sich von der Wand ab und kam direkt auf Malfoy zu. Als sich ihre Schuhspitzen fast berührten, blieb sie schließlich stehen. Langsam reckte sie sich zu ihm hoch, wobei sie sich auf die Zehenspitzen stellen musste, um sein Ohr zu erreichen. „Wegen dir muss ich mir jetzt ein Kleid kaufen, Malfoy. Denn du bist gerade zu meinem Date für den Weihnachtsball geworden. Herzlichen Glückwunsch!" flüsterte sie grinsend an sein Ohr. Dann machte sie ruckartig einen Schritt zurück und ließ einen sprachlosen Malfoy zurück. Ihre Schritte waren überraschend federnd und leicht, als sie um die Ecke bog und promt mit jemanden zusammenstieß. Katie und Angelina sahen sie überrascht an.
„Shi, alles okay?"
„Klar, mir geht's bestens. Ich muss jetzt nur sehen, wie ich an ein Kleid für den Ball komme."
Verwundert sahen ihre Klassenkameraden sie an.
„Du hattest bis jetzt kein Kleid?"
Shi zuckte grinsend die Schultern. „Ich hatte bis jetzt auch kein Date."
„Du hast ein Date?" Katie packte sie an der Schulter.
„Hast du ein heißes Date?" wollte Angelina wissen.
„Der Kerl, mit dem ich hin gehe, hat auf jeden Fall eins", grinste Shi und die Mädchen brachen in Gelächter aus.
„Dir fehlt es wirklich nicht an Selbstvertrauen", seufzte Katie und Shi schnippte mit den Fingern. „Abropro Selbstvertrauen. Ich muss Fred und George noch in den Arsch treten."
„Was hat das denn mit Selbstvertrauen zu tun?"
„Gar nichts. Es ist mir nur gerade wieder eingefallen." Shi winkte grinsend und schoss los, um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Mit einer erschreckenden Leichtigkeit ums Herz und einem breiten Grinsen auf den Lippen.

Times Das Mädchen, das den Tod siehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt