17. Kapitel: Going nowhere

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Die Tür fällt unnatürlich laut für meine Ohren ins Schloss. Der Knall hallt in meinem Kopf nach, immer und immer wieder. Er kämpft, er kämpft um mich, aber ich will nicht, dass er kämpft. Ich will, dass er einsieht, dass ich ein Leben ohne ihn anfangen will, dass ich ohne ihn zurecht kommen will, weil er nicht kapiert, dass ich nicht mehr seine Josy bin. Ich bin Josy. Josy, die keine Erinnerungen mehr hat. Josy, die sich selbst erst wieder finden muss und will und erst wenn ich sicher bin, dass ich das habe, dann kann ich ihm vielleicht eine Chance geben. Aber er versteht nicht. Er ist eine Woche hier. Eine Woche, wo er bei mir sein wird, mich überzeugen wollen wird. Kurz: Eine Woche, wo er mir komplett auf die Nerven gehen wird. Er wird eine Entscheidung einfordern, aber meine Entscheidung wird ihm nicht gefallen. Ich werde nein sagen, ich werde ihm sagen, dass alles gesagt ist und dass er wieder zurück nach London soll. Dass ich ohne ihn einen Neuanfang starten will. Das muss er einfach kapieren!

*

Mühsam stemme ich mich aus meinem Bett, als von unten die Stimme meiner Mutter mich zum Essen ruft. Aber kaum stehe ich, wird die Tür aufgemacht und Niall kommt herein. 

"Ich helf dir...", flüstert er und schon habe ich einen Arm um die Hüfte liegen, der mich stützt. 

"Ich komme auch alleine zurecht", murmele ich, drücke ihn von mir weg und schnappe mir meine Krücken. Ich will ihm zeigen, dass ich ihn nicht brauche. Ganz langsam setze ich einen Fuß vor den anderen, stütze mich auf die Krücken. Und trotzdem merke ich, wie er die Hände nach mir ausstreckt um mich bei Bedarf aufzufangen. "Lass das!", fauche ich, drehe mich zu ihm um."Ich bin auch ohne deine Hilfe von London nach Brighton gekommen und werd jetzt auch ohne deine Hilfe die Treppe runterkommen." Wütend humpele ich nach unten, lasse mich auf meinen Stuhl fallen.

Warum... Warum hab ich ihm geschrieben?! Warum war ich so blöd..?! Weil ich auf jemanden wütend sein wollte, der weit weg ist, damit es nicht Maria oder so abbekommt. Und jetzt sitzt er mir gegenüber, beobachtet mich wie ein Raubtier seine Beute, runzelt die Stirn und macht immer wieder den Mund auf. Wahrscheinlich will er mit mir reden, aber ich will nicht mit ihm reden. Ich will, dass er mich in Ruhe lässt, dass er wieder fährt. Er versteht mich einfach nicht. Nicht wirklich. Gut, es kann sein, dass er es versucht, aber von großem Erfolg scheinen seine Versuche nicht gekrönt sein. 

"Josy...?" Maria zieht meinen Namen unendlich in die Länge, sieht mich fragend an. "Hast du Niall jetzt wieder lieb?", fragt sie und zieht eine Art Schmollmund. Ich lächele leicht, fahre ihr über die Haare. Und sehe mich in der perfekten Position um Niall indirekt zu sagen, was mich stört. 

"Nein... Er versteht mich nämlich nicht. Er glaubt, er tut mir einen Gefallen, wenn er unangemeldet auftaucht, aber das tut er nicht. Ich will ohne ihn neu anfangen, weil ich mich an nichts erinnere." Von der Seite kommt ein beleidigtes Aufschnauben von ihm, er hat die Arme verschränkt und als sich unsere Blicke kreuzen, sehe ich so viel Schmerz, dass es mir schon fast wieder leidtut. Aber nur fast. Von meiner Schwester kommt nur ein leises "Oh" und ein trauriger Blick in Niall's Richtung. Sie hängt an ihm, das weiß ich. Aber ich kann es nunmal auch nicht ändern. Ich hänge nicht mehr an ihm, ich will ohne ihn etwas starten. Ich will studieren, ein neues Leben anfangen, jemanden kennenlernen, der nicht so voreingenommen ist - wobei das auch böse ist , denn Niall kommt einfach nicht von seinem Bild von mir als seine Freundin weg, die Mutter seines Kindes gewesen wäre, hätte sie nicht einen Unfall gebaut. Und da ist er wieder, der Gedanke, den ich nicht denken will. Ich wäre Mutter geworden, hätte ich besser aufgepasst. Ein dumpfes Gefühl legt sich auf meine Brust, nimmt mir die Luft zum Atmen: Schuld. Alle zerfressende Schuld. Schuld, weil ich nicht aufgepasst habe. Weil ich mein Kind verloren habe. Weil ich Niall so anschnauze. Ich hätte einfach diesen Unfall nicht bauen dürfen. Einfach denken müsen, aufpassen.

"Hab keinen Hunger", nuschele ich, stehe auf. Ich kann mir meinen plötzliche Stimmungswechsel nicht wirklich erklären, ich weiß nur, dass mich der Gedanke an mein Baby... An mein totes Baby fertig macht und enorme Schuldgefühle in mir weckt.

"Wir heben dir was auf", höre ich noch von meiner Mom, dann schlägt meine Tür hinter mir zu und ich lasse mich auf mein Bett fallen.

*

Ich bin verwirrt. Von mir, von allem. Von der gesamten Situation. Ich komme einfach nicht damit klar. Vielleicht ist das alles nicht so einfach, wie ich mir das vorgestellt habe. Neuanfang, Studium, ohne Niall. Es geht nicht so einfach. Neuanfang... Mama und Maria kennen doch genauso wie Niall die alte Josy.

Studium... Ich müsste erstmal meine Zeugnisse finden, mich vielleicht ein bisschen in verschiedene Jobs und Studiengänge einlesen und ohne Niall. Ich kann gehen, ich kann ihn wegschicken, ich kann ihm sagen, dass er mich in Ruhe lassen soll, aber ich kann ihm nicht verbieten, Maria und meine Mutter besuchen zu kommen. Oder hierher zu kommen. Und Maria hängt so sehr an ihm, er ist für sie wie ein großer Bruder. Jemand, auf den sie zählen kann, der auf sie aufpasst, wie es eine große Schwester unmöglich tun kann.

Vielleicht muss ich wirklich von Null anfangen, woanders. In einer anderen Stadt, mit anderen Leuten, die mich nicht kennen. Vielleicht. Aber ich kann unmöglich Maria alleine lassen, wieder alleine lassen. Die Kleine hat sich so gefreut, als ich wieder da war und beschlossen habe hier einzuziehen. Wieder da zu sein. Ich schließe die Augen, presse mir ein Kissen aufs Gesicht. Warum musste ich auch mein Gedächtnis verlieren? Warum ausgerechnet ich? Warum überhaupt? Die Tür öffnet sich, meine Matratze senkt sich, aber ich bleibe einfach liegen. Das ist Mama, die mit mir reden will, aber ich will nicht reden. 

"Hör auf dir die Schuld zu geben... Du bist nicht schuld." Nialls Hand streicht leicht über meinen Arm, nimmt mir dann das Kissen weg "Hör einfach auf damit. Ich weiß, dass du´s tust. Aber du bist verdammt nochmal nicht schuld. An gar nichts." Ich will ihn anschnauzen, ihm sagen, er soll mich in Ruhe lassen, aber irgendwas macht es mehr schwer. 

"Niall...", murmele ich, setze mich auf. "Ich.. Ich kann das nicht, okay? Ich kann dir keine Chance geben... Ich muss erstmal mich selbst wieder finden, okay?" Er nickt. 

"Dann... Dann wünsch ich dir viel Glück auf deinem weiteren Lebensweg und so... Und mir wünsch ich, dass du irgendwann doch zu mir zurückkommst." Er streicht leicht über meine Wange, haucht einen federleichten Kuss auf meine Stirn und geht. Er muss mich sehr lieben. So sehr, dass er mich gehen lässt. So sehr, dass er mich freigibt, wohlwissend, dass ich vielleicht für immer gehe. Jede andere würde genau deswegen bleiben. Aber ich bin nicht jede. Und ich gehe. 

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Halli Hallöchen meine Lieben! :D

Wie versprochen das neue Kapitel noch diese Wochen :) Ich hoffe ihr mögt es und lasst ein Vote und einen Kommentar da ;)

Bis Sonntag vielleicht ;)

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