Kapitel 32: Lake

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„Um Himmels Willen, Niall! Merkst du was?“ Mein Fauchen geht fast unter, weil mich Niall wieder küsst, aber ich schiebe ihn von mir. Er soll das lassen. Er soll aufhören mit seinen Stimmungsschwankungen, er soll sein widersprüchliches Verhalten unter Kontrolle bekommen, sonst steig ich irgendwann aus. Das ist ja nicht auszuhalten. In einem Moment beschimpft er mich, im anderen küsst er mich. Das... Ich kapier's nicht.

„Was?" Sein Blick scheint ziemlich benebelt.

„Du machst mich zu der Schlampe, wie du so schön gesagt hast! Du schreist mich an und im nächsten Moment küsst du mich. Was soll ich denn da tun, hm? Ich bin nicht so stark, dass ich dich jedes Mal wegschiebe, vor allem, wenn das verdammt nochmal so unerwartet kommt wie gerade. Du bist schuld an deinen eigenen Vorwürfen. Und jetzt lass mich los, ich muss zurück zu Maria. Was wenn sie was anstellt?“ Ich reiße mich von ihm los, stapfe Richtung Nach Hause, höre, wie er seufzt und mir folgt, zum Reden ansetzt, aber das verhindere ich:

„Nein Niall! Ich will kein Wort hören. Ich bin wütend und du solltest dir dringend was überlegen, sodass das bis morgen anders ist, denn ich möchte meiner Schwester nicht den Geburtstag mit meiner schlechten Laune, weil du so ein hirnloser Arsch bist, verderben."Ich gehe weiter, ignoriere ihn.

Vielleicht hab ich ihn verletzt, aber es ist mir egal. Er hat mir das Herz aus der Brust gerissen und ist drauf rumgetrampelt. Arsch. Er. Aber ich auch. Manchmal. Aber er mehr. Wie kann er mir nur sowas an den Kopf hauen und gleich darauf zurückrudern? Kann er nicht einmal sein pseudogeniales Sängerhirn einschalten und einfach nur versuchen zu verstehen? Aber nein, dem feinen Herrn Horan ist es egal, wen er mit seinen Worten verletzt, Hauptsache er hat einen Puffer um seine Wut abzubauen und es ist ihm egal, ob er all die Sympathiepunkte, die er gewonnen hat, gleich wieder verliert. Denn ein Niall James Horan denkt ja nicht, bevor er schimpft. Ich verschränke die Arme.

„Man Josy." Er klingt echt verzweifelt, aber das ist mir egal.

„Nein! Nicht Mann, Josy! Jetzt hör mir mal zu, du Möchtegern-Robbie Williams. Entweder du beschimpfst mich oder du küsst mich, aber nicht beides nacheinander! Aber man bräuchte Rückgrat dafür, bei einer Entscheidung zu bleiben, aber wie's ausschaut, hast du das nicht! Außerdem hab ich dich nicht gebeten, hierher zu kommen und die ganze Arbeit mit dem Therapeuten zunichte zu machen! Du regst mich auf und ich bin scheiß wütend auf dich, weil du immer der Meinung bist, dass du im Recht bist, aber das bist du eben nicht! Soll vorkommen. Und jetzt lass mich verdammt nochmal los, sonst fängst du eine. Tritt mir heute nicht mehr unter die Augen, sonst kann ich für nichts garantieren und wage es ja nicht, Maria irgendwie auf deine Seite zu ziehen! Ich hasse dich!“

Das scheint ihn doch ziemlich verletzt zu haben, aber mich hat er auch verletzt. Gleiches mit Gleichem vergelten ist zwar bescheuert, aber gerade eben enorm hilfreich.

*

Als ich ihn am nächsten Morgen in der Küche stehen sehe, scheint er tatsächlich Reue zu zeigen. Aber ich bin nicht bereit, zu vergeben. Ich werde jetzt versuchen, Maria zuliebe, einigermaßen höflich mit ihm umzugehen. Morgen fährt er hoffentlich wieder. Und den einen Tag musste ich mich eben beherrschen, auch wenn es mir schwer fällt. Ich lasse mich nicht beschimpfen oder anschreien, auch nicht von ihm.

„Hallo." Eine verschlafene Maria tapst in die Küche und sofort gehe ich zu ihr, hebe sie hoch.

„Alles Gute, Geburtstagskind“, murmele ich und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. „Mein Geschenk ist das links." Sie umarmt mich kurz und fest und ich lasse sie wieder runter. Auch von Niall wird sie umarmt und hochgehoben, aber auch das hält sie nicht auf, danach sofort zu den Geschenken zu springen. Meins wird zuerst aufgerissen und ihr begeistertes Kreischen wird mir noch tagelang in den Ohren klingen.Stolz hält sie das weiße Shirt in die Höhe und ich werde nochmals umarmt. Niall's' entgeisterter Blick entgeht mir allerdings nicht.

„Mach jetzt seins auf, okay?“, grinse ich meine Schwester an, die sich das Shirt überstreift und zu Niall's Päckchen rennt. Und als sie es aufmacht, weiß ich auch, warum mein Exfreund so entgeistert geschaut hat. Maria hält das exakt gleiche Shirt in ihren Händen und blickt verwirrt von mir zu Niall.

„Du... Hast ihr unser Shirt geschenkt?“, seufzt er und seine Hand tastet nach meiner. Ich nicke, ziehe meine Hand außer Reichweite.

„Ja... Ich wusste nicht, was ich ihr sonst schenken sollte." Er seufzt nochmal.

„Sie ist deine Schwester, verdammt“, faucht er dann. Und macht mir mal wieder richtig bewusst, dass ich nichts über meine Familie weiß. Eigentlich gehöre ich doch gar nicht hierher. Ich weiß nichts über meine Schwester außer ihren Namen, ihre schulischen Stärken und ihren Geburtstag. Und dass sie mich liebt. Aber das reicht manchmal nicht. Niall liebt mich auch – das sagt er zumindest – und trotzdem wirft er mir Sachen an den Kopf, die mich verletzen. Erst das mit der Schlampe und jetzt das.

„Oh... Oh Gott, Josy. Es tut mir leid!“ Erst als sein Daumen sanft über meine Wange streicht, merke ich, dass ich weine. Und ich finde mich in seinen Armen wieder. Kann das Gefühl von Geborgenheit nicht leugnen. Vielleicht belüge ich mich selbst, wenn ich sage, dass ich ihn nicht brauche. Vielleicht ist es ein Schutzmechanismus. Ich kann es mir nicht erklären. Aber sobald er mich berührt, mir zeigt, dass er für mich da ist, ist es mir egal, was er mir vorher alles an den Kopf geworfen hat. Dann ist es mir egal, wie ich normalerweise für ihn empfinde. Dann gibt es nur ihn und ich kann mir nicht erklären, warum es so ist.

„Erst denken, dann reden“, murmele ich gegen seine Brust, spüre, wie er kurz auflacht. Und ich entspanne mich. Schlinge meine Arme um seinen Bauch und lasse mich einfach fallen. Es tut so gut.

„Wir müssen nachher noch reden“, flüstert er, bevor er mich wieder loslässt. Ich nicke einfach nur. Irgendwas stimmt hier nämlich nicht. Ich bin nämlich nicht viel besser als er. Ich beschimpfe ihn und dann lasse ich mich küssen oder umarmen oder sonst was. Ich bin blöd. Ich bin naiv. Und ich bin blind.

*****

Tik Tak....der Countdown läuft :)

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