21. Kapitel: Mitternachtstraum

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„Vielleicht hast du recht". Ich wollte es nicht sagen, es rutscht mir einfach so raus. Ich bin mir nicht mal sicher, ob es so ist. „

Hm?". Sarah ist fast eingepennt. Oh.„Vielleicht hast du recht mit dem allen... Mit Niall und der Sache mit den Gefühlen...", flüstere ich. Ich wollte es nicht sagen, aber jetzt ist es zu spät. Jetzt ist es raus und jetzt muss ich damit leben.

„Mhm... Ich weiß... Lass mich schlafen". Hoffentlich hat sie das morgen wieder vergessen. Ich mache Fernseher und die Stehlampe aus, bevor ich mich auf die zweite Couch lege und die Augen schließe. Der Abend ist irgendwie nicht ganz so verlaufen wie ich mir das vorgestellt habe. Erst das Shoppen, dann der komische Typ, Julian. Und dann das Gespräch über Niall. Und der ist ein Gesprächsthema, das ich in nächster Zeit eigentlich meiden wollte, aber anscheinend interessiert das keinen.

Maria fängt immer wieder damit an, Mama sowieso, jetzt auch noch Sarah und mein Gehirn scheint auch nicht still zu stehen. Ich kann nicht aufhören nachzudenken und wenn das so weitergeht mit denken und arbeiten, rauche ich bald aus den Ohren. Meine Gedanken drehen sich wie so oft in letzter Zeit um Niall. Um ihn und die Zukunft, die wir hätten haben können. Inzwischen bin ich gut darin, dass Schuldgefühl zu verdrängen, aber es kommt einfach hoch, so wie vorhin. Mein Handy leuchtet kurz auf und ich bin verdammt dankbar für diese Ablenkung. Auch wenn es sich Sekunden später herausstellt, dass es keine ist. Niall.

Heeey Baby... Vermiss dich hier... Warum bist du nicht bei mir? :/ :*

Ich schließe die Augen, versuche die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Weiß nicht, ob ich antworten soll. Tue es einfach. Niall.

Ich bin nicht mehr dein Baby.

Ich tippe auf Senden, will gar nicht wissen, wo er ist und warum er ausgerechnet jetzt schreibt. Es ist Mitternacht durch und er schreibt mir eine so sinnlose SMS. Oh Niall... Wahrscheinlich bin wieder mal ich schuld. Wahrscheinlich hab ich ihm einfach so wehgetan, dass er sich jetzt regelmäßig abschießt. Aber nein... Maria verfolgt brav seine Konzerte und erzählt mir jedes Mal wieder, wie gut es doch war. Und wenn Maria schwärmt, kommt Mama und will mich bewegen, ihm doch eine Chance zu geben. Eine kleine, um zumindest Freundschaft aufzubauen. Aber ich kann nicht. Irgendwie kann ich nicht. Klar, vielleicht hat Sarah recht mit ihrer Theorie, dass meine Gefühle für ihn immer noch da sind, aber bis jetzt lebe ich ziemlich gut ohne sie und ich werde mir hier etwas aufbauen, egal, was die alle sagen. Hier, in dieser Stadt, in meiner Stadt, Brighton. Werde Lehramt studieren und in ein paar Jahren kleine Racker in einer der zahlreichen Grundschulen hier unterrichten. Und trotzdem... Und trotzdem werde ich immer daran denken müssen, dass ich, wenn ich nicht diesen fatalen Fehler gemacht hätte, auch so einen kleinen Racker hätte. Die Schuldgefühle werden bleiben. Die meinem Kind gegenüber und die Niall gegenüber. Mit Sicherheit. Aber sie werden verschwinden. Spätestens wenn ich jemanden gefunden habe, den ich so lieben kann wie er mich liebt und dann, langsam aber sicher wird Niall in den Hintergrund rutschen, ich werde ihn vielleicht hin und wieder im Fernsehen sehen, werde vielleicht zu seiner Hochzeit mit einer anderen eingeladen und dann werde ich ihm sagen: "Siehst du, du kannst auch ohne mich."

Nein. Ich stelle mir das viel zu einfach vor. Es wird nicht so einfach sein. Es wird überhaupt nicht einfach sein. Es wird richtig schwer.Mein Handy reißt mich aus meinen Gedanken.

„Ja?". Leise melde ich mich, sehe gar nicht nach, wer mich anruft.

„Hey Josy... Hier ist Liam. Von Niall's Handy". Liam.

„Ähm, hi". Unsicher setze ich mich auf. Was ist denn jetzt los?

„Ich muss mich für ihn entschuldigen... Der ist betrunken und redet den ganzen Abend von dir.Er kommt nicht über dich hinweg".

Nobody said it will be easy. Wenn das Leben einfach wäre...

„Oh... Ich...". Ein Seufzen entweicht mir. „Irgendwie hab ich das vermutet", gebe ich zu, lege meinen Kopf in den Nacken. Er kommt nicht über mich hinweg. Er liebt mich.„Hm ja... Das hilft uns jetzt nicht weiter", meint Liam und ich höre an seinem Tonfall, dass er leicht grinst.„Ich kann doch auch nichts dafür... Er... Er muss sich einfach neu verlieben und das war's", flüstere ich. Er muss. Wenn er könnte. Sieh es doch endlich ein, Josy... ich habe keine Neue und ich werd auch keine haben, weil du die Liebe meines Lebens bist Sein Satz von damals schwirrt durch meinen Kopf.

„Er hat sich neu verliebt, Josy...". Ich runzele die Stirn.

„Ich versteh nicht ganz...". Liam's leises Seufzen und das gezischte „Niall" sind nicht zu überhören.

„Er hat sich in dich neu verliebt... Er hat sich in die neue Josy verliebt und gerade eben ist er ein bisschen verwirrt, ob er denn dann nicht der alten Josy fremdgeht, wenn er sich in die neue verliebt. Aber das ist nicht der springende Punkt. Der springende Punkt ist, dass er dich braucht". Ich seufze, streiche mir übers Gesicht. Er hat sich in mich neu verliebt. Er hatte schon längst akzeptiert, dass ich nicht mehr die alte bin. Nur ich habe nicht gesehen, dass er es akzeptiert hat. Ich bin blind.

„Und? Was soll ich jetzt tun?" Meine Stimme zittert. Ich zittere. Das haut mich gerade um. Liam ruft mich um halb eins an, dass Niall sich verliebt hat - in mich, in die neue Josy. Und ich... ich sitze hier, hadere mit mir selbst und der Welt. Ich bin hilflos. Ich fühle mich so hilflos.

„Sei für ihn da. Irgendwie... Hör auf, dich von ihm abzukapseln... Er braucht dich. Er braucht dich mehr als alles andere in seinem Leben, Jocelyn. Ich weiß, ich kann nicht von dir verlangen, wieder hierher zu kommen, aber brich einfach den Kontakt nicht ab, schreib mit ihm. Versuch, Vertrauen aufzubauen und vielleicht... naja vielleicht wird's ja nochmal was".

„Ich...".

„Bitte Josy... Er braucht dich".

*****

Das vorletzte Kapitel für das Jahr 2014! :D Bitte votet und kommentiert. Seid keine Geisterleser!

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