Kapitel 2 | Unterm Strich

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Samstag, den 05.12.2015

Ich wurde von einem Klingeln wach. Langsam öffnete ich meine Augen und stellte fest, dass ich auf meinem Sofa lag und der Raum hell erleuchtet war, woraus ich erschloss, dass später Vormittag sein müsste. Es klingelte schon wieder. „Verdammt, ja, ich komm doch schon!", versuchte ich zu rufen, doch es kam nicht mehr als ein Krächzen raus. Okay, schreien scheint wohl noch nicht drin zu sein. Also seufzte ich schwer und bewegte mich langsam vom Sofa aufwärts und in Richtung der Tür, aus deren Richtung das immer penetrantere Klingeln kam.
Mit einem „Junge, ich bin doch schon da.", öffnete ich die Tür und erstarrte. Jeder der Jungs stand davor. Und zwar wirklich jeder. Meine Verwunderung schien niemanden zu interessieren, denn einer nach dem anderen umarmte mich kurz und ging dann einfach in meine Wohnung. Als jeder darin verschwunden war, sah ich das mein Nachbar von gegenüber anscheinend ebenfalls von dem Klingeln ebenfalls aufgeweckt wurde, denn er stand in Schlafanzug und mit verschränkten Armen in seiner Tür. Ich begrüßte ihn mit einem Schulterzucken und schloss dann die Wohnungstür.

Drinnen wurden das Wohn-, Esszimmer und die Küche schon vereinnahmt. Irgendjemand hatte den Herd angeworfen, um Ei mit Sucuk zu machen. Ein anderer hatte alle verfügbaren Fenster geöffnet und ein anderer Teil hatte es sich schon auf dem Sofa gemütlich gemacht.
Zwischen den ganzen Menschen fand ich schließlich meinen besten Freund, der mich angrinste. Die ganze Sache war also auf seinem Mist gewachsen. Ich konnte nicht anders als ihm ebenfalls zuzulächeln. Eigentlich war ich ganz glücklich jeden von meinem Jungs wiederzusehen, denn ich hatte sie schon irgendwie vermisst.

Als jeder etwas zu essen hatte, versammelten sich alle im Wohnzimmer, wo ich bereits auf dem Sofa saß und schauten mich erwartungsvoll an. Es schien wohl der Zeitpunkt gekommen zu sein, an dem ich alles erzählen musste. Also fing ich an zu erzählen und ich redete mir wirklich alles von der Seele. Angefangen bei Streitigkeiten, nach denen wir teilweise tagelang nicht mehr miteinander geredet hatten, weiter über sämtliche andere Probleme bis hin zu der Nachricht, in der er mit mir Schluss machte.
Als die Erzählung geendet hatte, reagierte erstmal niemand. Max war der erste, der mich in den Arm nahm und leise auf mich einredete, dass alles wieder gut werden würde. Ich klammerte mich an ihm fest, während die anderen anfingen wild durcheinander zu reden. Sie schienen aber alle zu dem gleichen Entschluss zu kommen, dass ich jetzt erstmal wieder an die frische Luft müsse und ich unbedingt was zu essen brauche.
Also wurde ich samt Anziehsachen, bestehend aus Unterwäsche, einem schwarzen 187-Shirt und einem weißen Trainingsanzug von Nike ins Bad geschickt, wo ich mich dann fertig machte.
Als ich eben dieses wieder verließ, war niemand mehr da, weder im Wohnzimmer noch in der Küche noch sonst wo. „Ja, Jungs ihr seid gut und wo soll ich jetzt bitte hin?", schimpfte ich mehr zu mir selbst. Jedoch wurde ich von einer männlichen Stimme unterbrochen, die von hinter dem Sofa her kam: „Ruhig bleiben Adri, deswegen bin ich ja da. Ich such nur eben noch schnell mein Handy." Ich zuckte mit den Schultern und ging in die Küche um noch ein Glas Wasser zu trinken.
Es ist eigentlich kaum zu glauben: vor 24 Stunden war ich noch ein Häufchen Elend, das kaum mehr lebensfähig war und jetzt rede ich wieder, ich nehme selbstständig Nahrung zu mir und ich trage frische Kleidung und das alles durch meine Familie, durch die Menschen, die für mich da sind und die in den letzten vier Wochen mindestens einmal pro Woche vor meiner Wohnung waren und versucht haben mit mir zu reden. Ich jedoch hatte sie eisern ignoriert.
In Gedanken versunken betrat ich wieder das Wohnzimmer und erblickte einen schwerfällig aufstehenden Max, der anscheinend sein Objekt der Begierde gefunden hatte. „Du warst aber auch schon mal sportlicher kann das sein?", fragte ich ihn belustigt. Er lächelte mich an. „Du weißt doch, wenn ich dich vermisse, dann lass ich das alles schleifen."

Rückblick
Dezember 2010
Max's Wohnung

„Verdammt Max, weißt du wie ich mich gefühlt habe, als ich morgens aufgewacht bin und niemand mehr da war? Du nichtmal deine verfickte Handynummer da gelassen hast. Ich hab mich gefühlt wie die letzte Schlampe, die sich zwei Wochen hat ausnutzen lassen." Ich blinzelte den mir gegenüber stehenden Mann wütend an. „Adri, jetzt hör mir doch mal zu.", versuchte er anzusetzen, doch ich dachte nichtmal ansatzweise daran ihn aussprechen zu lassen. Zu groß war mein Frust. „Man ich hab zu meiner Mum gesagt, dass du hoffentlich mehr als ein Freund bist und so hat sich das auch angefühlt und dann ziehst du so ne Nummer ab. Du wusstest genau, dass ich an dem Tag wieder zurück in die USA fliege und du warst nicht da. Du hast dich in den zwei Jahren nichtmal gemeldet. Ich war dir einfach nur egal." Zum Ende hin wurde meine Stimme immer leiser. Es war doch mehr Schmerz vorhanden, als ich dachte. „Wenn ich dann auch mal was sagen darf...ich hab mir extra den Wecker gestellt, damit ich noch frische Brötchen holen kann, dass wir noch zusammen frühstücken können, aber als ich wieder bei euch ankam war niemand mehr da. Ich hab gedacht, dass du vielleicht irgendwo deine Handynummer gelassen hast, aber ich habe nichts gefunden. Ich dachte für dich war es nicht mehr als eine Affäre und ich bin vergessen, sobald du wieder weg bist. Ich hab mich einfach nur scheiße gefühlt. Ich hab nichtmal mehr Sport gemacht, ich war ein seelisches Wrack. Wochenlang war ich ein Schatten meiner selbst, aber irgendwie hat Rico es dann geschafft mich da wieder rauszuholen. Du warst nicht die einzige, die dachte das da mehr zwischen uns ist." Ich sah ihn an und konnte nicht anders als laut loszulachen. Max sah mich völlig entgeistert an, aber das war mir in dem Moment ziemlich egal, ich fand die ganze Situation einfach nur urkomisch. Das alles hätte verhindert werden können, wenn nur einer von uns John nach der Nummer des anderen gefragt hätte. Was natürlich keiner von uns beiden getan hatte.

5. Dezember 2015

„Das Thema hatten wir ja schonmal", entgegnete ich ihm. „Können wir dann los? Ich hab echt Hunger." Er zog seine rechte Augenbraue hoch, nickte aber dennoch. Also machten wir uns auf den Weg zu den anderen Jungs.


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Ein erster Blick in die Beziehung zwischen Adriana und Max.
Hoffe euch gefällt das Kapitel🙏

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