Als Annika nach dem Einkauf nach Hause kam, machte sie als erstes die Küche. Ihr Vater hatte keine Zeit mehr sich darum zu kümmern, also übernahm sie das.
Nachdem sie fertig war, machte Annika etwas, was sie seit den Tod ihrer Mutter oft tat:
Sie ging in das Schlafzimmer ihres Vater und legte sich auf die Betthälfte, die früher einst ihrer Mutter gehörte.
Tief vergrub sie ihr Kopf in das Kopfkissen. Hier, im Bett, fühlte sie sich ihrer Mutter nah.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Irgendwann jedenfalls stand sie auf und ging in ihr Zimmer. Die Hausaufgaben machten sich schließlich nicht von alleine.
Sehnsüchtig schaute die 15 jährige auf ihr Bett, in das sie sich am liebsten reinwerfen und los weinen würde, die Trauer rauslassen und ihren Gefühlen freien Lauf lassen.
Sie drehte ihren Kopf wieder zu der Mathematischen Gleichung und löste diese relativ schnell.
Ihr Leben war zwar im Moment am Tiefpunkt, aber wenigstens war sie gut in der Schule. Sie hatte keinerlei Schwierigkeiten und schrieb gute Noten.Am Abend saßen Ella und Annika zu zweit am Tisch und aßen zu Abendbrot. Ihr Vater hatte Annika eben geschrieben, dass er erst spät Nachhause kommen würde.
Diese Situation kam immer öfter vor. Sie hoffte nicht, dass ihr Vater sich durch die Arbeit ablenken wollte, denn sie, und vor allem Ella, brauchten ihn. Er war ihre letzte Bezugsperson!
Nach dem Essen war es schon halb neun, deswegen entschied Annika, ganz zum Missfallen Ellas, jetzt hoch zu gehen und sich Bettfertig zu machen.
,,Ich will aber nicht!'', schreit ihre Schwester weinend und schaute stur auf den Boden.
,,Bitte mach es mir nicht schwerer, als es ist!'', sagte Annika verzweifelt und war den Tränen nahe. Sie weinte nicht, weil ihre Schwester nicht ins Bett gehen wollte. Es war einfach die gesamt Situation, dass ihr Vater sie nicht unterstützte, ihre Mutter sie im Stich ließ und Annika müde war.
Ella schien nun endlich weich zu werden. Vielleicht verstand sie, dass Annika kurz vorm los weinen war. Die Blonde war sich jedoch ziemlich sicher, dass sie zu klein war, um das zu verstehen.
Beim gute Nacht sagen wurde sie jedoch eines besseren belehrt:
Annika wollte gerade aufstehen, sie hatte ihrer Schwester aus ihrem aktuellen Buch vorgelesen, da spürte sie eine kleine, warme Hand um ihr Handgelenk.
,,Es tut mir leid, dass ich eben so doof zu dir war.'', hörte sie Ellas leise Stimme.
Annika setzte sich wieder hin und machte die Nachtischlampe wieder an, die sie soeben ausgemacht hatte. Liebevoll legte sie ihre Hand auf die Wange ihrer Schwester.
,,Ist schon ok.''
,,Ich vermisse Mama so sehr.'', schluchze Ella auf einmal und ihre Augen wurden glasig.
Annika hatte großen Drang jetzt in ihr Zimmer zu rennen, sich ins Bett fallen zu lassen und los zu heulen, doch sie musste jetzt stark sein und für ihre Schwester da sein.
,,Liegt Mama jetzt in diesem engen Grab in der Erde?'', fragte Ella traurig.
Annika überlegte kurz, ehe sie sagte: ,,Mama wird bei uns sein. Sie ist jetzt über den Wolken und beobachtet uns.''
,,Werde ich sie wieder sehen?'', fragte Ella weiter. Traurig, aber ehrlich schüttelte Annika mit den Kopf.
,,Soll ich heute Nacht bei dir schlafen?'', schlug Annika vor. Sie wusste bereits die Antwort.
Die Augen ihrer Schwester begannen zu strahlen.
,,Ich hol kurz meine Sachen.''
Eilig holte Annika ihr Handy, Ladekabel und zog sich um.
Die Nacht war unruhig. Beide wachten immer wieder auf, weil sie schlecht träumten oder weil der andere panische Geräusche von sich gab. Annika war froh ihre Schwester neben sich zu haben, jedoch tat es ihr auch leid, ihre Schwester in ihre Schlafprobleme mit rein zuziehen.
,,Ich wusste gar nicht, dass ihr vor hattet, zusammen zu schlafen.'', sagte Annikas Vater am nächsten morgen vor der Schule.
,,War spontan.'', murmelte Annika.
Sie wusste, dass heute kein guter Tag werden würde.
Sie hatte höchstens drei bis vier Stunden geschlafen und musste heute wieder zu der blöden Sitzung gehen.
Sie schnappte sich noch ihren Rucksack, ehe sie den Weg zur Schule antrat.
Ella würde von ihrem Vater zur Grundschule gebracht werden.
In Gedanken versunken schaute Annika in den Himmel. Als sie gestern ihrer Schwester erzählte, ihre Mutter würde jetzt im Himmel sein, wusste sie, dass das nicht stimmt. Ihre Mutter lag eingeengt im Grab, das war Realität.
Für Annika gab es kein Leben nach dem Tod.
Die letzten drei Monate hatte sie so oft an den Tod gedacht, wie in ihrem ganzen Leben zusammen.
So sehr Annika es auch wollte, sie konnte diese Gedanken einfach nicht abstellen und steuern.Schnurstracks ging Annika in ihren Klassenraum. Sie besuchte die 10. Klasse. Sie wurde in diesem Schuljahr gerade erst neu zusammen gewürfelt.
Annika ging auf ihren Stammsitz direkt am Fenster in der vorletzten Reihe und holte ihre Deutschunterlagen raus.
Die Klasse schenkte ihr wie üblich kaum Aufmerksamkeit. Doch das störte Annika nicht.
Sie brauchte keine falschen Freunde, die sie am Ende eh wieder verletzen. Sie hatte eine Familie und das reichte ihr vollkommen in ihrem Leben.
Die Pausen verbrachte sie draußen auf einer etwas abgelegenen Bank, um den ganzen Trubel und Lärm zu entkommen.
Drei Monate ist es jetzt her. Annika erinnerte sich noch genau.
Ihre Mutter war schwer krank, Brustkrebs. Endstadium. Sofort war klar, dass man nichts mehr machen konnte. Doch Annika hatte Hoffnung. Hoffnung darauf, dass doch alles gut werden würde, ihre Mutter es irgendwie schaffen würde und den Krebs besiegen würde. Annika wusste im Nachhinein, dass es naiv war. Doch in diesem Moment war es wahrscheinlich reiner Selbstschutz, um nicht in ein tiefes Loch zu fallen. Zwei Monate nach der Diagnose starb sie dann.
Obwohl Annika Zeit hatte sich von ihrer Mutter zu verabschieden, fühlte sie den Schock, als sie ihre Mutter Tod sah. Tagelang weinte sie, startete mit leeren Blick an die Decke und kapselte sich vollkommen ab. Ein paar Wochen später begann sie dann auch weniger zu essen, sie schlief schlecht und hatte immer mehr Mühe nicht in der Öffentlichkeit die Fassung zu verlieren. Die 15 jährige fühlte schrecklichen seelischen Schmerz, welcher immer noch anhielt.
Die Klingel, welche das Ende der Pause signalisiert, riss Annika aus ihren Gedanken.Neues Kapitel :) ich hoffe euch hat es gefallen, es wird noch spannender, keine Sorge :D
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Machtlos gegen das Schicksal
Fanfiction,,Annika, möchtest du uns vielleicht erzählen, wieso du hier bist?'' Durch seine dicke Hornbrille schaute er zu der 15 jährigen auf. Kaum merklich schüttelte die Blonde mit den Kopf. Sie konnte nicht. Der Schmerz war zu stark, um ihn auszusprechen...