Annika nickte nur.
,,Und du heißt Anni?'', fragte er. Sie wunderte sich darüber, dass er ihren Namen wusste, bis ihr einfiel, dass Ella sie mehrmals in seiner Gegenwart auf ihren Namen angesprochen hatte.
,,Annika.'', verbesserte sie ihn. Sie wollte nur von ihrer Schwester so genannt werden. Sie fand der Name klang so, als wäre sie 5 und nicht 15.
,,Ach.. Anni ist mir lieber.'', grinste er. Annika verdrehte die Augen.
Ella kicherte nur.
,,Ähm Anni? Ich soll dir von Arzt noch das geben!'', kam es von der jüngsten und sie reichte ihrer Schwester einen Zettel.
Mit gerunzelter Stirn betrachtete Annika ihm. Es war ein Rezept für ein Schmerzmittel. Da stand außerdem drauf, dass sie es zwei mal täglich einnehmen sollte. Das wiederum hieß, das sie es noch heute kaufen mussten.
Annika war zum schreien zumute! Wie sollte sie jetzt noch dieses Medikament bekommen?
Niko entging ihre Verzweiflung nicht. Wenn er es richtig verstanden hatte, war die 15 jährige auf sich alleine gestellt, weil ihr Vater in Hamburg fest steckte. Aber was war mit ihrer Mutter?
,,Kann deine Mutter dir nicht helfen?''
Inzwischen waren sie beim Ausgang angekommen.
,,Die ist jetzt im Himmel.'', kommt es von Ella. Beinahe hätte Annika sich an ihrem letzten Schluck ihres Kaffees verschluckt. Musste Ella es der ganzen Welt erzählen?
Niko war sich nicht sicher, ob er es richtig verstanden hatte. War ihre Mutter etwa wirklich Tod? War Annika deswegen heute morgen so traurig?
Annika spürte seinen nachdenklichen Blick auf ihr und konnte förmlich spüren, ignorierte ihn jedoch und ging schnurstracks weiter.
Niko fragte sich, wie lange die Mutter wohl schon Tod war. 2 Wochen? Ein Jahr? 5 Monate? Ob Annika deswegen geweint hatte, als sie Joggen war? Er hatte mal gelesen, dass Jogger oft, wenn sie wütend sind oder traurig Ihre Gefühle ins laufen bringen. Vielleicht war das ja auch bei Annika der Fall.
Er kam zu dem Entschluss, die beiden zu fragen, ob er sie Nachhause bringen und einen Umweg zur Apotheke machen soll.
,,Oh ja!'', rief Ella ohne auf Annikas Zustimmung zu warten. Der 15 jährigen blieb nichts anderes übrig als zu nicken.
Also machten sie sich zu dritt auf den Weg zu seinem Auto.,,Sag mal, was hast du eigentlich im Krankenhaus gemacht?'', fragte Annika. Es schien nicht so, als wäre er krank oder verletzt.
,,Ach nur was am Knie. Nichts wildes.'', winkte er ab. Entweder machte es ihm nichts aus oder kannte sich damit einfach gut aus.
,,So hier wären wir. Alle einmal einsteigen.''
Nikola blieb vor einer schwarzen Prozerkarre stehen. Was er wohl als Beruf hatte? Er sah generell sehr wohlhabend aus und das Auto bestätigte Annikas Vermutung. Hinzu kam sein leichter Dialekt. So, als würde er aus Österreich oder der Schweiz kommen. Diese Zusammensetzung fand Annika schon etwas skurril...
Der 21 jährige bemerkte wohl ihren grübelndem Blick, ignorierte ihn jedoch. Er wollte einmal nicht eine extra Behandlung oder so was, nur weil er vielleicht Handballer beim THW Kiel war. Er war glücklich mal nicht erkannt zu werden, ganz normal sein zu können.
Annika stieg als Letzte ein und ließ sich in den weichen Ledersitz fallen.
Geschmeidig lenkte Nikola den Wagen durch die Straßen Kiels.
Ella war inzwischen eingeschlafen. Kein Wunder, der Tag war auch für sie anstrengend gewesen.
,,Jetzt links.'', sagte Annika. Er hatte schließlich keine Ahnung, wo die Geschwister lebten, weswegen er auf Annikas Anweisungen angewiesen war. Den Abstecher bei der Apotheke hatten sie schon erledigt.
,,Beim roten Auto kannst du halten.'', sprach sie kurz vorm Ziel.
,,Dann bis bald. Und danke fürs fahren.'', sagte Annika und schaute ihn dankbar an. Ohne Nikola wären sie wahrscheinlich aufgeschmissen gewesen.
,,Keine Ursache.''
Verwirrt zog Annika die Augenbrauen zusammen, als Niko einen Zettel und Stift heraus kramte und eine Nummer aufschrieb.
,,Meine Nummer, ruf mich einfach an, wenn du mal reden willst oder so.''
Niko reichte ihr den Zettel, den sie langsam entgegen nahm.
,,Es tut mir leid.'', sprach er plötzlich und Annika wusste sofort das er von dem Tod ihrer Mutter sprach.
Die Blondine schluckte. Wie oft hatte sie diesen Satz in den letzten Monaten gehört? Sie konnte und wollte ihn nicht mehr hören. Sie brauchte kein Mitleid, es nütze ihr nichts. Ihre Mutter würde auch davon nicht wieder kommen. Sie würde nie wieder kommen.
Aufgrund ihrer Dankbarkeit nickte sie jedoch kurz, den Blick über all hin, außer in seine Augen, ehe sie die Tür schloss, Ella hinten weckte und mit ihr Hand in Hand zum Hauseingang ging.
Mit einem nachdenklichen Blick wartete Niko, bis die beiden die Haustür hinter sich zugemacht hatten. Annika erinnerte ihn etwas an ihre 16 jährige Schwester. Sie konnte sich mal ordentlich was von ihr abgucken, was Reife angeht. Jedoch war ihm auch klar, dass wenn man seine Mutter verlor, automatisch reifer wurde. Annika musste wahrscheinlich sich alleine um ihre Schwester kümmern, zur Schule gehen und den Haushalt schmeißen, weil ihr Vater arbeiten war. Sie hatte keine Kindheit mehr.
Und Nikos Ziel war sie ihr wieder zu geben.Völlig erschöpft schmiss Annika sich auf ihr Bett. Mehr als eine halbe Stunde hatte ihre Schwester gebraucht um einzuschlafen! Sie war plötzlich wieder hellwach gewesen. Vielleicht lag es daran, dass Ella, nachdem die beiden Zuhause waren direkt noch zwei weitere Stunden geschlafen hatte. Um 17 Uhr hatte Annika sie dann geweckt, damit sie die Schmerztablette nahm und was aß.
Gegen 21 Uhr brachte sie Ella dann ins Bett. Und wie gesagt: Es dauerte ewig, bis sie endlich mal eingeschlafen war.
Annika jedoch brauchte weniger als zwei Sekunden, bis sie ins Land der Träume versank.Durch Sonnenstrahlen, die auf ihr Gesicht schienen, wurde sie geweckt. Kurz kräuselte sie die Nase, ehe sie langsam die Augen öffnete.
Ihre Hand griff zum Handy. Es war schon halb zehn! Sie ließ sich wieder ins Kissen zurückfallen, als ihr klar wurde, dass Wochenende war.
Schließlich beschloss Annika aufzustehen. Sie hielt inne, als sie das Foto ihrer Mutter auf dem Schreibtisch entdeckte. Automatisch fühlte Annika sich schlecht. Sie hatte, seit dem sie zuhause war, kein einiges mal mehr an sie gedacht. Und genau das war es: Annika hatte Angst ihre Mutter aus ihrem Gedächtnis zu verlieren. Ihre sanfte Stimme zu vergessen. Ihre einzigartige Art. Ihr breites Lächeln.
Annika bemerkte plötzlich, dass sie kein Albtraum gehabt hatte! Ob es an der Therapiegruppe lag? Entschlossen schüttelte Annika den Kopf. Wahrscheinlich war es einmal eine Ausnahme. Sie sollte sich nicht zu viele Hoffnungen machen.
Wie von selbst entspannten sich ihre Muskeln, als das arschkalte Wasser auf ihr Körper prasselte. Sie liebte kalte Duschen!
,,Guten Morgen.'', begrüßte sie ihren Vater und ihre Schwester. Er musste wohl heute spät in der Nacht Nachhause gekommen sein. Zumindest lassen die dunklen und tiefen Augenringe und seine erschöpfte Körperhaltung das vermuten.
,,Morgen.'', lächelte ihr Vater, stand auf und gab seiner Tochter ein liebevollen Kuss auf die Wange. Es tat ihm leid, dass er seine eigene Tochter gestern so im Stich gelassen hatte! Wer tat denn sowas? Schuldgefühle nagten an ihm.
Annika entgingen seine Gedanken nicht.
,,Gestern lief übrigens alles gut. Wir sind ohne Problem nach Hause gekommen.'', sagte sie deshalb.
,,Wenn du willst kannst du ins Bett gehen.'', hing sie dran.
Dankbar nickte ihr Vater, ehe er schlürfend in sein Schlafzimmer ging.
Annika wendete ihren Blick zu ihrer Schwester, die vor sich hin summend mit ihrem essen spielte.
Annika setze sich neben sie, nahm ihr das Brot aus der Hand und biss ohne zu fragen hinein.
,,Hey!'', rief ihre Schwester.
,,Wenn du nur damit spielst..'', zuckte Annika frech mit ihren Schultern.
Der nächste Satz überraschte Annika so sehr, dass sie sich beinahe am Brot verschluckt hätte:
,,Du siehst besser aus, Anni.'', ihre Schwester klang so todernst. Im Moment fühlte es sich so an, als sei sie die ältere.
,,Wenn du meinst.'', grinste Annika, überspielte ihre Verwunderung und biss erneut in das Brot herein. Das reichte ihr dann aber auch. Sie nahm den Frühstücksteller ihrer Schwester und stellte ihn in die Spülung, ehe sie diese anschmiss.
,,Willst du gar nichts essen?'', fragte ihre Schwester sie verwundert.
,,Ne, ich hab kein Hunger.'', winkte sie ab. Sie wusste, dass sie eigentlich was essen sollte, aber sie hatte einfach keinen Appetit.
,,Wie wärs, wollen wir Mensch Ärgere dich nicht spielen?'', fragte Annika enthusiastisch und wechselte schnell das Thema. Schnell war Ellas verwundeter, fast sorgenvoller Blick verschwunden. Ihre Augen begannen zu strahlen.
,,Oh ja! Anni ich hab dich so lieb!''Neues Kapitel :D Es wird frühestens Dienstag wieder eins kommen, weil ich heute ein Spiel habe und morgen Geburtstag habe XD Ist keine Anspielung darauf, dass ihr mir gratulieren sollt haha :D
THW gestern war jetzt nicht so geil... mein Bruder hat zudem auch mit einem Tor gestern verloren :(
Aber das ist halt Handball :) Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen.
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Machtlos gegen das Schicksal
Fiksi Penggemar,,Annika, möchtest du uns vielleicht erzählen, wieso du hier bist?'' Durch seine dicke Hornbrille schaute er zu der 15 jährigen auf. Kaum merklich schüttelte die Blonde mit den Kopf. Sie konnte nicht. Der Schmerz war zu stark, um ihn auszusprechen...