Zwischen Trauer und Skating

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Linnea Larsen. Geboren am 3. März 1971. Gestorben am 13. Juli 2018.
Still betrachtete sie den Grabstein. Annika weinte nicht, lachte nicht. Sie fühlte nichts. Nur eine gähnende Leere.
Mehrmals hatte sie sich die ersten Begegnungen hier ausgemalt. Doch es war ganz anders. Der Stein strahlte höchstens etwas Vertrautheit und Wärme aus. Aber es war doch verrückt oder? Wie konnte ein Stein beziehungsweise ein Grab Wärme verbreiten? Annika schüttelte den Kopf und hörte auf zu denken, ließ die Gegend und die Gefühle auf sich wirken.
Aus einer Leere wurde letztendlich Trauer und auch eine große Sehnsucht. Wie sehr wünschte sie sich endlich wieder von ihrer Mutter in den Arm genommen zu werden? Mit ihr über alles reden zu können. Ihrer Mutter die Probleme anzuvertrauen, welche typisch für einen Teenager waren.
Doch das ging nun nicht mehr.
Auf einmal spürte sie wie ihre Wangen nass wurden. Nun fing sie also doch an zu weinen. Still kullerten Tränen aus ihren Augen über ihre Wangen.
,,Wieso Mama?'', flüsterte die 15 jährige und unterdrückte ein Schluchzen. Es war einfach nicht fair! Ihre Mutter war der friedlichste Mensch den sie kannte, sie hatte nie jemanden etwas getan!
Nach über einer Stunde, in der sie einfach nur so dastand, ging sie wieder. Für Annika stand jedoch fest wieder her zu kommen.

Die Woche verging wie im Fluge und Ruck zuck war Wochenende.
Am Samstag bekam Ella den Gips ab und musste nun eine Schiene tragen, darf jedoch wieder Sport treiben. Also beschlossen die Geschwister Inlineskaten zu gehen.
Als ihre Mutter noch lebte, hatten sie das immer zu dritt gemacht. Nur durch sie sind sie doch auf diesen Sport gekommen. Annika liebte die verschiedene Tricks und Stunts die man machen konnte und sie erinnerte sich gerne an die gemeinsamen Stunden auf den Inlinern mit ihrer Mutter und Schwester zurück. 
Ella erging es dabei nicht anders. Sie konnte sich noch perfekt dran erinnern, wie sie immer Hand in Hand zwischen ihrer Mutter und Annika gefahren war. Nun musste Annika diese Rolle alleine übernehmen. Natürlich konnte sie auch alleine fahren, aber sie wusste, dass Ella auch wieder gerne fahren wollte und zu zweit war es sowieso schöner.
Gedankenverloren blickte Annika aufs Meer hinaus. Die Haare wehten ihr wild durcheinander, man hörte das Meer rauschen, die Möwen kreischten und man roch die Küste. Hier, an diesem Ort zu skaten, das war ihr Leben. Ihre große Leidenschaft. Sie wusste, dass ihre Mutter genau dieselben Gründe hatte wie Annika, weswegen sie das Inline Skaten liebte.
Manchmal schaute ihr Vater sie länger an, seit dem ihre Mutter nicht mehr lebte. Und Annika wusste woran es lag. Annika erinnerte ihren Vater an ihre Mutter. Nach dem Tod, wenn ihr Vater mal bei Annika am Bett saß und dachte sie würde schon schlafen, hatte er mehrmals geflüstert, wie ähnlich sie sich sehen würden.
Und es stimmte ja auch: Die blauen Augen, die blonden Haare, die etwas größere Nase und das damals strahlende Dauerlächeln. Das war Annika.
Doch jetzt? Was war aus ihr geworden? Es würde nie mehr wie früher sein.
Sie würde nie mehr so sein wie früher. Ihr Leben hatte sich verändert und sie sich mit. Und egal wie sehr sie ihr altes Leben wollte, es würde nicht wieder kommen.
,,Annika, jetzt komm!''
Ella, die etwas weiter weg stand und sie auffordernd und ungeduldig anschaute, riss Annika aus ihren, wieder mal trostlosen, Gedanken.
Annika schüttelte den Kopf, um ihre Gedanken zu verdrängen und bewegte ihre Beine vorwärts zu Ella, damit sie los legten konnten.

▫️▪️▫️▪️

,,Niko, bleib nach dem Training bitte noch mal kurz in der Halle. Filip und ich wollen mit dir sprechen.''
Niko nickte und spürte wie sein Puls sich erhöhte.
Doch ihm blieb keine Zeit länger nachzudenken. Er musste die letzten 20 Minuten noch Vollgas geben und voll konzentriert sein, so wie es immer gefordert wurde.
Seit zwei Tagen durfte er wieder voll einsteigen, rief jedoch noch lange nicht die Leistung ab, die er eigentlich sollte.
Das setzte ihn mehr zu, als er sich eingestehen wollte.
Jedoch war er diesen Druck auch gewöhnt, denn man hätte ihn immer, wenn man Handball spielte. Ganz besonders in Kiel.
,,Ich würde aufpassen, Alfred schaut dich schon mit zornigen Blick an.''
Erschrocken fuhr er hoch. Er wollte sich doch konzentrieren!
Es war Lukas, sein bester Kumpel, der ihn grinsend ansah. Nachdem Raúl, sein Landsmann und mehr als bester Freund, nach Leipzig gegangen war, wurde er nun zum besten Freund hier in Kiel. Die beiden waren gleich alt, teilten sich ein Zimmer und die Chemie zwischen den beiden passte einfach.
Niko nickte, schielte zu Alfred, der ihn tatsächlich mit verschränkten Armen musterte, ehe er sich der Übung widmet. Er war nun an der Reihe.
Es war simples Eins gegen Eins üben. Er musste sich gegen Steffen durchsetzen. Ein unangenehmer Gegner.
Verbissen spielte Niko den Ball zu Steffen, der ihn wieder zurück spielte und machte eine Täuschung nach links, ehe er nach rechts geht.
Steffen hatte ihn jedoch durchschaut. Mit eisernen Griff war  der 21 jährige in der Zwickmühle.
Niko seufzte leise auf und begab sich zu seiner Flasche. Alfred hatte das Training für beendet erklärt.
Niko bekam ein paar schräge und neugierige Blicke zugeworfen, als er in der Halle bei Filip und Alfred blieb.
Auch er war neugierig und gespannt, was die beiden von ihm wollten. Wahrscheinlich war es nur etwas taktisches. Niko ging in die Garage, welche auch als Besprechungsraum diente.
,,Es gibt etwas, was dir mit dir besprechen müssen.''
Alfred und Filip schauten den 21 jährigem mit ernsten Gesichtern an.
Es war doch keine Taktik, das wusste er sofort, als er die Mimik der beiden erkannte. Er setzte sich ihnen gegenüber und kam sich vor, wie bei einem Vorstellungsgespräch.
,,Du wirst beim Spiel gegen Flensburg am Dienstag nicht im Kader stehen.''
Niko schluckte kaum merklich.
Er wusste, dass der Kader zu groß war und zwei nicht mitfahren konnten, aber er dachte es würde Gisli und vielleicht Flamme treffen. Wie konnten sie sich gegen ihn und für die beiden entscheiden? War er so tief abgerutscht?
,,Du bist noch nicht so weit.'', hing Filip dran. Niko hatte gedacht, dieser Satz würde er im ersten Jahr beim THW zuhören bekommen, aber doch nicht im dritten.
Nach dem Gespräch, in dem sie ihn noch mal alles erläutert hatten, ging er schnell unter die heisse Dusche.
Wortlos verschwand der Braunhaarige aus der Kabine. Lukas rief ihn zwar nach, aber er ignorierte ihn. Es gab nur einen Ort, wo er hinwollte: ans Meer. Er musste dringend abspannen.
Wenn er gewusst hätte, wen er dort treffen würde...

Zur Feier des Tages (THW hat gewonnen und Gisli durfte sein Debüt feiern) ein neues Kapitel :) Ich hoffe es hat euch gefallen, es wird leider erstmal wahrscheinlich nicht so schnell ein neues kommen, weil ich diese Woche wieder in Hausaufgaben und lernen stecke :(
Was denkt ihr wer wird Meister? Flensburg und die Löwen waren schließlich in der CL überragend, vor allem Flensburg hat 60 min lang Weltklasse gespielt (leider) :D Also, was denkt ihr?

Machtlos gegen das Schicksal Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt