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Aufmerksamkeitsgeil

Für all die besten Freundinnen
die mich nie verstehen werden.

Ich setze mich auf den mit Scheinwerfern beleuchten Stuhl auf der Bühne, meine Hände zittern unglaublich, als ich die Finger auf die Saiten meiner Gitarre lege, das Mikro einen Zentimeter nach oben schraube und meine Augen schließe, um mich zu ordnen.
Herzklopfen.
Adrenalin.
Der Rest ist Magie.

Ich mag es dort zu sitzen, die paar Meter zwischen mir und den lauten Gedanken der Menschen zu haben, die ich gar nicht hören will.

Ich setze mich mitten in den Raum voller Leute, versuche unsichtbar und von niemandem angesprochen zu werden. Ich wirke viel zu arrogant und das vor allem, nach der Bühne, deshalb lächle ich zaghaft, will den Blicken standhalten und gehe im Kopf immer wieder die Primzahlen bis 100 durch, dass ich keinen Nervenzusammenbruch bekomme.
Schon allein meine hilflosen Gedanken machen mich zu einem Spießer.

Ich hasse es, viele Menschen in unmittelbarer Nähe zu haben, suche nach einem bekannten Gesicht in der Menge und lasse mir Dinge von Leuten sagen, die mich nicht ganz kennen, über die ich jahrelang nachdenken muss, weil sie mich so sehr treffen.

Dann liege ich auf meinem Bett, die Tränen rinnen über mein Gesicht, vernetzen meine Sicht.
Weil ich kein Gleichgewicht zwischen mutig sein und Angst haben finden kann, weil ich Menschen um mich brauche, die mich kennen und mich nicht verurteilen, wenn ich im einen Moment einen Flashmob in der Innenstadt machen will und mich in Nächsten nicht einmal traue, jemanden nach dem Weg zu fragen.

Ich bin aufbrausend und lebensfroh und dann sensibel und nachdenklich.
Und immer dann, wenn ich etwas mache, was berührt und mein Herz unglaublich schnell schlagen lässt, wenden sich Freundinnen von mir ab, weil sie nicht damit klar kommen, dass ich auf einmal so einen Höhenflug habe.
Sie sind es gewohnt, dass ich, nur körperlich anwesend, auf meinem Platz hocke, zeichne und Bücher schreibe.

Und dann, eine Minute später, bin ich wieder so ruhig und verletzlich und grüblerisch, dass all diese Worte, die sie mir an den Kopf werfen, dass ich so aufmerksamkeitsgeil und kompliziert und ignorant bin, mich dazu bringen, dass ich den allertiefsten Breakdown habe, den sich ein Mensch vorstellen kann.

Es sollte gesund sein, etwas zu wagen und es danach tausendmal zu analysieren, weil man diese "ich sitze alleine und schreibe"-Phase hat und sehr viel denkt und das gut für die Psyche ist, weil man so wächst und sich entwickelt.

Aber es ist nicht gesund, wenn man genau in diesen Momenten von anderen Menschen analysiert wird, die die eigenen Befürchtungen wahr machen, dass man sich zu viel getraut hatte und dass es peinlich war und zu besonders und anders.

Und ich habe oft dieses Herzklopfen, dieses Adrenalingefühl und zwei Stunden später dieses Heulen in meinem Bett.

Einfach, weil manchmal alles ein bisschen zu sehr ist.
Weil ich manchmal ein bisschen zu sehr bin.
Zu sehr ich bin.

WORTE AUS MEINEM KOPFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt