I See You.

„Wusstest du davon?"

Es ist mitten in der Nacht und ich sitze vor der Kneipe... Onkel Freds Kneipe... Die ist dunkel und wird es bleiben. Ohne Onkel Fred ist es bloß eine Kneipe. Eine wie jede Andere.

Die Tränen sind nicht versiegt... Es reicht ein Gedanke an Will... und schon sind sie wieder da. Oh mein Gott... Das ist alles ein schlechter Traum und ich will endlich aufwachen. Es tut so weh... Wie ich ihn da gesehen habe... Wie er mit ihr geredet hat... Unten waren Polizisten... Krankenwagen... Ich bin einfach gegangen.

Seine Frau.

Will ist verheiratet.

Er hat mich die ganze Zeit belogen.

Ein guter Schauspieler also... Wie konnte er mich nur so belügen? Ich liebe dich, Lina... Mein Herz zerspringt sofort, sobald ich daran denke... Es tut unglaublich weh und ich will dieses Gefühl nicht spüren... Ich will mein Glück zurück... Ich will diesen Tag nicht... Ich will ihn streichen aus meinem Leben. Schluchzend lege ich meine Stirn auf meine Knie. Was habe ich getan, um so bestraft zu werden? Bitte, was soll ich machen, um den Schmerz von mir zu nehmen? Es tut so weh...

„Lina", höre ich eine mir bekannte Stimme und sehe auf. Cole beugt sich zu mir. „Hey, oh mein Gott steh auf. Hey, komm mit", fordert er mich auf, schließt die Kneipe auf und setzt mich auf einen der Stühle. Ich zittere am ganzen Körper und Cole holt Decken vom Keller und legt sie um mich. Nur hilft das nichts, denn ich friere nicht. In mir ist etwas zerbrochen. „Lina, du... was ist passiert?", fragt er mich und nimmt meine Hand. In seinen Augen ist Sorge zu erkennen, die mich an Will erinnert... Onkel Fred ist von uns gegangen und trotzdem denkt Cole... Nein, weiß er, dass es auch einen anderen Hintergrund hat...

„I...Ich... bin so dumm...", bekomme ich raus und weine weiter. Cole zieht mich in seine Arme und gerade ist mir alles recht. Cole ist warm... er belügt mich nicht... er ist einfach da.

„Hey, beruhige dich. Was ist los?", fragt er mich, als ich einigermaßen wieder oke bin... wobei nichts mehr okay ist. Nichts ist oke. Einfach nichts. Ich schniefe und verschlucke mich manchmal, da ich schniefe, weine und gleichzeitig reden muss. Cole will natürlich wissen, wieso ich bin wie ich bin... Anscheinend unzureichend. Er setzt sich wieder mir gegenüber und sieht mich besorgt an. Vielleicht ist Cole alles andere als der richtige Gesprächspartner... aber es ist egal. Mir ist gerade alles egal. Wer ist überhaupt ehrlich? Wem kann man vertrauen? Vielleicht denen, den man sowas nicht zutraut... und unehrlich sind die, von denen man es nicht glaubt. So hart kann das Leben einfach sein.

„Die Beziehung war einfach nur eine Lüge", schluchze ich und umklammere wieder meine Beine, weil ich mich so einsam und verloren fühle. Sie geben mir halt... „I...ich... es tut einfach weh", bekomme ich raus, bevor ich wieder weine und vergrabe mein Gesicht in meine Knie. Oh man, wieso muss es so schrecklich laufen? Wieso kann ich nicht ruhig bleiben? Wieso geht es an mir nicht einfach vorbei? Wieso tut es so verdammt weh? „Onkel Fred hätte meine Trauer mehr verdient als Will...", rede ich in meine Knie hinein. „Er hat das einfach nicht verdient." Cole setzt sich jetzt neben mich und legt seinen Arm um mich.

„Ich nehme an, es ist aus? Da hat er sich einen Guten Tag ausgesucht, das muss man ihm lassen", meint Cole ironisch und ich schüttle meinen Kopf. Mein Gott...

„Es war natürlich klar, dass es euch nur darum geht", entgegne ich und stehe auf.

„Lina, man... hey, bleib stehen", hält Cole mich auf und nimmt meinen Arm. „So war das nicht gemeint. Es tut mir aufrichtig leid, okay? Dich so zu sehen bricht auch in mir etwas. Bleib hier und stürz dich nicht einfach in die Nacht. Wohin willst du? Weißt du das überhaupt?", fragt er und ich sehe ihn nur an. Ich atme zittrig ein und senke meinen Blick. Scheiße, was soll ich nur machen? „Man, Lina", flüstert er und zieht mich wieder in seine Arme. Schon wieder kommen die Tränen und ich heule mich weiter bei Cole aus. Es tut mir so leid... Er hat selber Probleme und trotzdem kümmert er sich um mich.