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Stille. Keine unangenehme, sondern eine bei der man nachdenkt. Über das Leben, über die Zukunft und über die Familie. Eine Familie die ich ab jetzt habe.

„ Bei wem bist du eigentlich aufgewachsen?", fragte mich Niklaus. Die Stille war bloß eine Illusion in meinem Kopf. In Wahrheit waren wir am Flughafen am Gate und warteten auf unser Flugzeug, das uns nach New York fliegen sollte. Ich blickte ihn an und meinte: „ Im Heim. Ich hab im Heim gelebt. Niemand hat mich je adoptiert und irgendwann war ich zu alt zum adoptieren und bin selbst ausgezogen", erklärte ich ihm. „Und dann?", fragte er neugierig, wie ein kleines Kind.

Naja, theoretisch war er ja mein kleiner Bruder. Ich erzählte weiter: „Dann hab ich angefangen Jura zu studieren. Es hat mich aber nach einem halben Semester nicht mehr interessiert. Mit meiner besten Freundin bin ich dann nach Mystik Falls gezogen, weil wir beide Kunst studieren wollten und die Uni in New Orleans schon voll war. Naja das mit den besten Freunden hat sich aber schon erledigt." Fragend sah Niklaus mich an, da ich zum Ende hin immer leiser geworden bin. Eine einzige Träne bahnte sich über meine Wange. Ich drehte mein Gesicht weg, damit er mich nicht so schwach sieht. Nicht noch einmal. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals runter und atmete einmal tief durch.

Wir wurden aufgerufen, das Flugzeug zu betreten. Nervös sprang mein Bruder auf. Gott hört sich das komisch an. Ich sah ihn an und murmelte: „ Ruhig Brauner. Bleib noch sitzen die Schlange ist noch viel zu lang. Als ob ich jetzt schon Lust hab mich dort anzustellen." Er schien es einzusehen und setzte sich wieder hin. Ich blickte mich um. Plötzlich blieb mein Blick an einer Frau hängen, dich mich ängstlich anstarrte. Ich zog eine meiner Augenbrauen hoch und hielt dem Blick stand. Irgendwann mal brach sie dann den Blickkontakt ab und ich sprang auf. Die Schlange hatte sich verkürzt und ich zog Niklaus vom Stuhl hoch und mit zur Schlange. Als wir dran waren, zeigten wir unsere Bordkarten vor und gingen anschließend ins Flugzeug. Wir setzten uns auf unsere Plätze und richteten uns ein. Drei Stunden Flug. Ein Traum. Ich sah zu Niklaus. Er hatte sich schon die Kopfhörer in seine Ohren gesteckt und seine Augen geschlossen. Ich tat das gleiche. Da ich in der Mitte saß und nicht wusste wo ich mich anlehnen sollte, lehnte ich mich an Niklaus an. Daraufhin legte er seinen Kopf auf meinen. Ich grinste und schlief ein.

Grinsend sah Niklaus mich an, als ich wieder wach wurde. Mein Kopf lag immer noch auf seiner Schulter und ich fragte: „ Sind wir da?" Er lachte nur. Ich sah mich um. Fast alle Fluggäste waren am schlafen. Anscheinend nicht. Ich lehnte mich wieder an und sah aus dem Fenster. Die Sonne ging gerade auf und schien mir deshalb auf mein Gesicht. Die entstehende Wärme war sehr angenehm.

„Wie lange fliegen wir noch?", fragte ich Niklaus. Er antwortete nicht sondern zuckte nur mit den Schultern. Meine Gedanken schweiften ab. An das Heim. An Michael. Mein „Vater". Ein strenger, sowohl auch gutmütiger Mann. Er hat mich großgezogen, mir was vor gelesen und mich durch die Schule gebracht und mir geholfen, auszuziehen und so weiter. Ich liebte ihn, als wäre er mein echter Vater. Apropos Vater.

„Wie war Vater?", fragte ich meinen Bruder und schmiege mich noch mehr an ihn an. Ein Schnauben. Erschrocken sah ich ihn an: „ Ohje, so schlimm also?" Er nickte nur und meinte: „ Er jagte uns seitdem wir zu Vampiren geworden sind. Über Jahrhunderte hatten wir keinen Frieden, keinen festen Wohnsitz. Immer auf der Hut. Unser halbes Leben hat er uns weggenommen!" Zum Ende hin wurde er immer lauter. Als er es bemerkte hielt Niklaus inne und räusperte sich. „Entschuldigung", murmelte er sichtlich angespannt. „Hey", murmelte ich besorgt und umarmte ihn, „ Es ist ok. Hab dich lieb Bruderherz." Ich spürte wie er sich entspannte und mich ebenfalls umarmte. Das tat verdammt nochmal gut.

Drei... Zwei... Eins... Und auf dem Boden aufgesetzt. Wir waren gelandet. Endlich. Nach einer gefühlten Ewigkeit stiegen wir aus dem Flugzeug und die Sonne strahlte uns entgegen. Ich musste sofort lächeln und sah meinen Bruder an. Er sah gelangweilt aber gut gelaunt aus. Für ihn war diese Stadt nichts mehr neues. Im Auto auf dem Weg zum Flughafen meinte er, dass er schonmal in New York lebte. Ich allerdings war noch nie in der Stadt. Wir gingen an den vielen Menschen und an der Gepäckausgabe vorbei, in Richtung Ausgang. Dort holten wir unseren Mietwagen ab und fuhren an den Ort, den uns Elli per Handy geschickt hat. Niklaus drehte die Musik auf. Weiter ging die Reise. Die Reise zu Rebekha, meiner Zwillingsschwester.

„Und da ist sie drin?", fragte ich skeptisch als wir vor einem Nachtclub stehen. Ich sah Niklaus an und er zuckte nur mit den Schultern. „Anscheinend" Dann ging er ohne zu zögern hinein. Schnell ging ich ihm hinterher. „Moment warte doch mal!", rief ich im laufen.

Drinnen roch es nach Zigaretten und Alkohol. Widerlich. Auch Niklaus zog ein angewidertes Gesicht. Ich sah mich um. Überall waren Couchen und Tische. In der Mitte eine Bar und eine Tanzfläche. Es war niemand zu sehen. Eine Tür ganz weit hinten öffnete sich und ein Mann kam heraus. Er war breit gebaut und hatte viele Tattoos. Hinter ihm her ging eine Blonde Frau. Niklaus blieb stehen. Ich sah genauer hin. Sie hatte sich umgedreht und sah uns an. Und tatsächlich. Sie sah mir haargenau so aus wie ich. Wir sahen uns in die Augen. Ihr Mund öffnete sich. Sie ging an zu starren. Ich sah unsicher zu Niklaus. Er sah mich auch an und atmete dann tief ein und aus. Dann ging er selbstsicher auf Rebekah zu. Meine Zwillingsschwester. Ich konnte es nicht glauben. Niklaus fing an mit seiner, meiner, unserer Schwester zu reden, doch ich hörte alles nur noch gedämpft. Meine Sicht wurde immer verschwommener. Ich bekam Panik. Ich wollte etwas sagen, doch meine Kehle war so trocken, dass ich keinen Ton rausbekommen konnte. Mit einem letzten Hauchen flüsterte ich: „Niklaus..."
Dann: Schwarz

Doppelgänger~TvD / To ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt