V I E R

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Wow, erst das vierte Kapitel und das schon um zwei Wochen zu spät. Das krieg auch nur ich hin ;D. Jedenfalls, viel Spaß mit dem Neuen.



Mein Kopf lehnt an der getönten Glasscheibe, während ich hin und wieder für ein paar Sekunden einnicke und ruckartig wieder aufwache. Ich hasse es, in Autos zu schlafen. Auch wenn es sich dabei um einen Porsche handelt. Tony fährt, während Pepper neben ihm ein paar Dokumente abarbeitet.
Wir sind auf dem Weg nach New York, genauer gesagt zum Stark Tower. Ich fühle mich ein bisschen unwohl, weil ich Pepper und Tony ihre Auszeit versaut habe. Wegen mir müssen sie zurück nach Big Apple, weil ich in ihr Leben geplatzt bin. Ich seufze. Der Himmel ist grau, eine undurchdringbare Wolkendecke verbirgt die Sonne. Was will ich hier? Ich hätte bei Mom bleiben sollen. Sie hat mich großgezogen, sie war eine großartige Mom - bis zu diesem einen Zeitpunkt, ab dem sie immer weniger gefragt wurde. Sie wurde verbissen und impulsiv, ihre Beliebtheit sank drastisch, bis sie auch ihre letzten Jobs verlor. Von diesem Tag an, an dem ihre letzte Kampagne gekündigt wurde, änderte sich alles. Geld war nicht das Problem, es gab genug. Also begann sie, es für Drogen zu verschleudern. Wieso sollte sie dabei einen Gedanken an ihre dreizehnjährige Tochter verschwenden? Ich sah zu, wie sie zu einer Hülle wurde, ein grauer Schatten, wenn sie nicht high war, eine überdrehte Witzfigur, wenn sie sich ihr Zeug einwarf. Die kleine Caitlin redete sich ein, dass alles besser werden würde, Bethany Riggs würde sich wieder erholen und mit ihr ins Disneyland fahren. Ich wollte nicht sehen, dass Bethany Riggs schon lange erstick war am Qualm der Joints. Da war nur mehr die Bethany, die keine Tochter hatte, die sich die Ohren zuhielt, wenn sie fremde Männer mit nach Hause nahm; die Bethany, die mich im Auto einsperrte, weil sie vergessen hatte, dass ich auf der Rückbank schlief. Die Bethany, die meinen Abschluss verpasst hat, weil sie zu zugedröhnt war, um irgendetwas zu merken. Caitlin Riggs, die Tochter des früheren Supermodels, allein auf dem Parkplatz vor der High School, mein Zeugnis in der Hand und den zusammengeknüllten Talar in der anderen. Für einen kurzen Augenblick hoffte ich auf einen Moment wie aus Filmen, ich hoffte, dass Tony Stark kommen und mich abholen würde. Er kam nicht. Natürlich nicht. Wieso auch? Vermutlich hatte er keine Ahnung, dass seine Tochter gerade allein auf einem leeren Parkplatz saß und versuchte, nicht loszuheulen. Ich hatte keine Freunde, zu denen ich gehen hätte können. Es gab nur wenige Menschen, die sich Profit vom Reichtum meiner Mom erhofften. Es gab niemanden, der mich wirklich kannte. Da war nur ich, achtzehn und zwar mit einem Abschluss, aber ohne irgendetwas worauf ich aufbauen hätte können.
„Caitlin?" Ich blickte auf. Pepper hatte sich in ihrem Sitz umgedreht und sah mich an. „Du hast bestimmt noch eine Menge Sachen bei deiner Mutter. Sollen wir jemanden schicken, der sie holt?" Ich blinzele, um aus der Vergangenheit aufzutauchen. Ich will meine Mom nicht sehen. Sie ist eigentlich keine Mom mehr. „Nein", sage ich. „Ich will sie selber holen." Es graut mir vor dieser Begegnung. Aber ich muss mich verabschieden. Sie ist - oder war zumindest - meine Mom.

Ich stecke meinen Schlüssel ins Schloss und drehe ihn einmal nach rechts. Tony und Pepper warten im Auto. Wir waren nicht weit von meinem Zuhause entfernt, also legen wir hier einen Zwischenstopp ein. Vorsichtig schiebe ich die Türe auf. „Mom?" Ich trete ein und schließe die Tür hinter mir. „Mom?" „Caitlin." Sie kommt aus der Küche geschlurft. Ihre ausgebleichten Haare sind fettig und strähnig und hängen schlapp über den pinken Sweater. ,Queen of the Hoouse' steht drauf. Die zittrigen Hände sind tief in den Taschen der grauen Marken-Jogginghose vergraben. Kein „Wo warst du die letzten zwei Tage?" oder „Ich habe mir Sorgen gemacht!". Hat sie überhaupt gemerkt, dass ich weg war. „Hi Mom", krächze ich. Sie nickt mir zu. Keine Antwort. „Ich ... ich will mir nur ein paar Sachen holen. Und dir den Schlüssel geben." Keine Reaktion. „Mom, ich werde zu Tony ziehen. Also, du weißt schon, mein Vater." Sie blinzelt. Ich warte. Dann dreht sie sich um und geht in die Küche zurück. Ich atme tief durch, dann stapfe ich die Stiege hinauf in den ersten Stock. Mein Zimmer ist groß, größer als vermutlich durchschnittlich. Wie gesagt, an Geld gefehlt hat es nie. Ich blicke mich um in dem Raum, in dem ich groß geworden bin. Der Schreibtisch ist viel zu ordentlich für einen Teenager, ebenso wie der Fußboden. Es scheint, als hätte ich versucht, das Chaos in meinem Leben durch Ordnung in meinen Quadratmetern auszugleichen.
Ich öffne die Schranktüren und nehme T-Shirts heraus, Pullover, Blusen, Jeans, Leggings, Socken, Unterwäsche, Schals, Jacken, Mützen und Handschuhe und packe sie in den großen, orangen Koffer, den ich immer gepackt habe, wenn Mom und ich weggefahren sind. Die Kanten sind durch den Gebrauch schon abgestoßen und bräunlich. Mein Blick bleibt an dem roten, knielangen Kleid in meinem Schrank hängen. Es hatte früher Mom gehört, und ich hätte es auf meinem Abschlussball tragen sollen. Ich war nie dort gewesen. Etwas wehmütig streiche ich über die glänzende Seide. Aber ich kann es nicht mitnehmen. Im Koffer würde es nur verknittern. Also schließe ich die Schranktüren wieder und sehe mich um. Alles hier erinnert mich an meine Kindheit. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Möbel, die Schreibtischlampe und die Deko-Artikel hierbleiben müssen. Ich stopfe ein paar Bücher und eine weiche Decke, von der ich mich nicht trennen kann, in den Koffer, dann ziehe ich den Reißverschluss zu und ziehe mein Gepäck in die Diele. Mein Blick schweift über alle Zimmertüren, in manche Räume hinein. Es fühlt sich endgültig an. Ich umklammere den Griff fester und stapfe auf die Treppe zu.
Als ich den Koffer endlich nach unten geschleppt habe, sehe ich Mom, die bei der Tür auf mich wartet. Sie kaut auf ihrer Unterlippe herum, ein Tick, den ich von ihr übernommen habe. Ich nehme den Schlüssel aus der Tasche und halte ihn ihr hin, aber sie schüttelt den Kopf und schiebt meine Hand weg. Dann umarmt sie mich plötzlich. Perplex stehe ich da, dann schaffe ich es endlich, meine Arme um sie zu schließen. „Ich hab dich lieb, Linnie", murmelt sie mit heißerer Stimme. So hat sie mich schon lange nicht mehr genannt. Der Kloß in meinem Hals schwillt auf die doppelte Größe an. „Ich dich auch, Mom", krächze ich. Wir lösen uns voneinander und ich sehe in ihren Augen meine eigenen. Ist irgendwo unter der bleichen Haut und den glasigen Augen doch noch irgendwo meine Mom? Dann öffnet sie mir ohne ein weiteres Wort die Tür und ich zerre mit der rechten Hand meinen Koffer hinter mir her. Die Finger der Linken haben sich um den Schlüssel verkrampft.



Mal ein etwas ruhigeres Kapitel. Ich habe so gut wie möglich versucht, mich in Caitlins Situation hineinzuversetzen, was aber denkbar schwer ist. Danke fürs Lesen :)
Eure Cathy

Superhero's ChildWo Geschichten leben. Entdecke jetzt