Z W E I U N D Z W A N Z I G

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„Sie wacht nicht auf!“ „Tony, beruhig dich!“ „Mr Stark, ich versichere Ihnen, in wenigen Sekunden ist sie wieder da.“ „Du hättest das sehen sollen, Tony. Deine Tochter hat’s echt drauf.“ „Vielen Dank“, krächze ich und schlage blinzelnd die Augen auf. „Caitlin!“ Mein Vater stürzt auf mich zu, in voller Iron-Man-Montur, doch er wird von einem Sanitäter abgefangen. „Einen Moment bitte, Mr Stark.“ Ich liege offenbar auf einer Bahre, meine Beine sind hochgelagert. Hinter Tony kann ich Clint und Natasha erkennen. Clint nickt mir anerkennend zu. „Siehst du? Das nenn‘ ich eine Kämpferin.“
Der Sanitäter kommt auf mich zu. „Bitte bleiben Sie noch liegen, Miss Stark“, bittet er. Einen Moment denke ich daran, ihn auf meinen Nachnamen hinzuweisen, doch dann lasse ich es bleiben. Wieso nicht? 

Nach wenigen Minuten darf ich mich aufsetzen und Tony wird zu mir durchgelassen. Sofort schließt er mich in eine feste Umarmung. „Wo ist Pepper?“, frage ich, als er mich schließlich loslässt. Er deutet auf einen Krankenwagen, indem Pepper sitzt und ebenfalls versorgt wird. Sie lächelt aber und hebt die Hand, um uns zu winken. Erleichtert atme ich auf. Ich habe zwar drauf geachtet, dass Pepper aus der Gefahrenzone bleibt, doch Unfälle passieren allzu leicht.

„Was ist passiert? Habt ihr das Labor ausgeräumt?“ Tony nickt. „Sie haben nur zwei Schläger zur Bewachung dagelassen, das war leichtes Spiel. Clint hat sich sofort auf den Weg zu dir gemacht. Wir haben die fünf Docs festgenommen, die anderen fünf Mitarbeiter waren etwas schwieriger zu finden, aber nach einer halben Stunde waren wir fertig. Wir haben übrigens ein paar andere interessante Mittelchen gefunden. Shield wird das Zeug mal durchanalysieren und anschließend hoffentlich vernichten.“ „Was ist mit den Typen, gegen die ich gekämpft habe? Sind sie-“ „Du hast niemanden getötet, Caitlin. Nur zwei der Männer kommen erstmal ins Krankenhaus.“ Er tritt ein paar Schritte zurück und mustert mich abschätzend. „Wie siehts aus, kannst du schon laufen? Die anderen sind schon zum Tower unterwegs, Nachbesprechung und so Zeugs.“ Ich nicke und stehe auf. Der Rollstuhl befindet sich wohl noch in der Halle, aber ich brauche ihn nicht. Und so wie es aussieht, werde ich ihn auch nie mehr brauchen. 

Eine halbe Stunde später sitze ich wieder im selben Konferenzraum wie damals, als Coulson und Fury mir die anderen Avengers vorgestellt haben. Unglaublich, dass das schon fast vier Monate her ist. Clint sieht mich nicht mehr so grimmig an wie damals, sondern sitzt links von mir und steht genauso hinter mir wie Tony zu meiner rechten. Neben den üblichen Verdächtigen ist diesmal auch noch Peter dabei, der darauf ziemlich stolz zu sein scheint, jedenfalls könnte sein Dauergrinsen darauf hinweisen.
Pepper erholt sich in ihrer Etage und lässt sich von Friday verwöhnen. Sie wurde nicht verletzt, aber nach ihrer mittlerweile schon zweiten Entführung braucht sie etwas Hilfe. Der Psychologe Dr Garner wird ihr ab April helfen, das Trauma zu verarbeiten.
Von meiner neuen Gabe ist sie eher semibegeistert. Sie weiß zwar, dass ein Leben mit Tony nur sehr wenig Normalität verspricht, doch eine weitere Konstante an die Welt des Übernatürlichen zu verlieren, macht es nicht einfacher für sie.

„Alpha plus wurde komplett zerschlagen, F.R.I.D.A.Y. hat bereits alle Dateien aus ihrem System heruntergeladen und entschlüsselt“, erläutert Coulson. Die an die Wand projizierten Fotos von Professor Marten und seinen zwanzig Mitarbeitern verschwinden und machen einer Übersicht von mehreren Ordnern platz. Mittlerweile weiß ich auch, was die Tätowierungen bedeuten: Die Vier ganz am Anfang kennzeichnete die Person als Kämpfer, die Ziffer am Ende deutete auf den Rang hin. Ich bin ganz froh, es nicht mit der Eins zutun gehabt zu haben. 

„Offenbar haben sie so einige Projekte geplant, aber keines davon in die Tat umgesetzt, außer eines“, übernimmt Fury. Ein einziger Ordner mit dem Titel Spiritus novus erscheint. „Spiritus novus ist Latein und bedeutet neuer Atem. Unsere Chemiker haben sich die Formel angesehen. Sie basiert auf einem Element, dass in den Waffen der Chitauri zu finden war. Vermutlich hatte Morten nur eine einzige Chance, das Gas herzustellen. Und dann passiert ein Unfall, das Gas entweicht und wird von einer Person eingeatmet, die das Gas für sie unerreichbar macht.“ Alle Blicke liegen auf mir. „Unsere Wissenschaftler haben eventuell einen Weg gefunden, die Formel umzukehren. Man könnte die Umwandlung deiner Lunge zur Atmung von Stickstoff rückgängig machen und die manipulierte DNA wieder in ihren Originalzustand setzen. Es gibt noch keine hundertprozentige Garantie, in den nächsten Tagen wird aber das Ergebnis der Untersuchungen der Formel eintreffen. Es liegt bei dir.“ 

Ich schweige für einen Moment. „Alles, was ich immer wollte, war ein normales Leben. Aber niemand kann mir meine Lunge zurückgeben, oder? Es gibt keine Chance, alles rückgängig zu machen. Also warum weiter herumdoktern? Es ist am besten so, wie es gerade ist.“
Clint nickt anerkennend, Tony sieht von seinem Handy auf und zwinkert mir zu. Vermutlich hat er in den letzten zehn Sekunden zum ersten Mal aufgepasst. 

Fury wirft Steve einen Blick zu und nickt auffordernd. Dieser räuspert sich. „Caitlin, du wurdest ins kalte Wasser geworfen. Trotz der wenigen Zeit, die du hattest, um dich auf die Situation einzustellen“, er wirft Nat einen vorwurfsvollen Blick zu, worauf sie grinsend die Augen verdreht, „hast du gehandelt, wie man es kaum von einer Neunzehnjährigen erwarten kann. Deshalb möchten wir dir das Angebot unterbreiten, ein Mitglied der Avengers zu werden.“ 

Erschrocken blicke ich zuerst ihn, dann Fury und Coulson an. Die Röte, die sich während Steves Lobesrede auf meine Wangen geschlichen hat, wird noch dunkler. Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen, zu Natasha, die mich erwartungsvoll anlächelt, Sam und Rhodes, die meine Entscheidung interessiert abwarten, Dr Banner, der sich lächelnd im Hintergrund hält, Peter, der grinst, als hätte ich gerade ein Haustier nach ihm benannt, Thor, der mit schiefgelegtem Kopf ebenfalls abwartet, Vision und Wanda, die händchenhaltend nebeneinandersitzen, sich anlächeln und den Rest von uns kaum bemerken, Clint, der mich gespannt ansieht und zuletzt zu meinem Dad, der mich schief angrinst und mit den Schultern zuckt. Schließlich fällt mein Blick wieder auf Steve, der mir geduldig entgegenblickt.

Meine Antwort durchschlägt die Stille wie eine Granate. „Nein.“ 

Verwirrte Blicke prasseln auf mich ein, Steve zuckt zurück und von Peter kommt ein leises „Was?“

„Es ist nicht so, dass ich nicht helfen will“, erkläre ich. „Ich würde gerne mit euch für das Gute kämpfen, ich würde gerne Menschen helfen, die sich nicht selbst retten können. Aber ich kann das nicht. Ihr macht einen Knochenjob, der viel zu wenig geschätzt wird, und die meisten Menschen verstehen nicht, was ihr dafür opfert. Ich bin nicht stark genug, physisch und psychisch. Im Ernst, ich hätte am liebsten gekotzt, als ich mit der Schreibtischlampe um mich geschlagen habe. Es ist nicht mal Blut geflossen. Ich habe vielleicht eine Gabe, mit der ich ein Avenger sein könnte, aber alles andere bringe ich nicht mit.“ 

Schweigend nehmen die Avengers meine Absage auf.
Dann durchbricht ein Klatschen die Stille. Clint beginnt zu applaudieren, und nach und steigen die anderen mit ein. Natürlich verwandelt sich mein Gesicht direkt in eine Tomate, doch im Moment ist es mir egal. Ich meine, wer bekommt denn schon einen Applaus von den Helden der Nation? 

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