Lydia beobachtete beinahe schon amüsiert ihren Ehemann am Frühstückstisch. Er schien sich unbehaglich zu fühlen, drehte sich dauernd nach ihr um, war wachsam! Wenn sie ihn jetzt eun wenig zu laut anspräche, würde vor Schreck wohl sein Herz stehen bleiben, überlegte sie. Nicht, dass Lydia seinen Tod gewollt hätte. Ihr ging es nur darum, sich sichtbar zu fühlen. Und in diesem Augenblick galt seine ganze Aufmerksamkeit ihr.
Und das war wunderbar!
Noah war an diesem Vormittag wieder einmal sehr still gewesen und das war stets ein sicheres Zeichen dafür, dass er intensiv über etwas nachdachte. Was ihn so sehr beschäftigte war freilinch nicht schwer zu erraten, also fragte Joe ihn schließlich in der Mittagspause, als sie beide hinter dem Geschäft im Schatten saßen und ihre Pausenbrote vertilgten:
„Wie geht es denn Christian mittlerweile?"
„Besser, denke ich." gab Noah zurück.
Überrascht über die einsilbige Antwort fragte Joe weiter:
„Wie wird das nun mit euch beiden denn nun weitergehen?"
Noah zuckte mit den Schultern:
„Ich wünschte, dass wüsste ich!" erwiderte er unglücklich:
„Christian lässt aber auch nicht locker, wie es aussieht, oder? Scheinbar hat er sich in den Kopf gesetzt, dass du ihn zurücknehmen solltest." bemerkte Joe schmunzelnd.
„Was würdest du das denn an meiner Stelle tun?" wollte Noah wissen:
„Ich weiß nicht, wie ich dir das beantworten soll." ab Joe zurück: „Es hängt von dir ab, denke ich. Was fühlst du denn?"
Noah zuckte mit den Achseln, also fragte Joe weiter:
„Und was rät Alice dir?"
„Mit ihr kann ich darüber nicht sprechen. Sie versteht nicht, warum ich Christian überhaupt wieder in meine Nähe lasse und versucht, mich zu beschützen!" antwortete Noah resigniert.
„Brauchst du denn Schutz vor ihm?" forschte Joe weiter: „Alice war immerhin damals dabei, als das alles passiert ist. Vielleicht sorgt sie sich ja zu Recht?"
„Das ist es ja gerade!" antwortete Noah: „Ich weiß es nicht! Christian hat sich im vergangenen Jahr total verändert. Heute ist er viel sanfter und geht wirklich liebevoll mit mir um. So war er früher nicht. Selbst als wir noch...du weißt schon! Auch da hat er mir schon irgendwie Angst gemacht und war unberechenbar! Wie kann ich mir da sicher sein?"
„Vielleicht kannst du das nicht, sondern musst es drauf ankommen lassen. Die Frage ist doch, ob es dir die Sache wert ist. Magst du ihn noch?" erkundigte sich Joe.
„Sehr!" gab Noah zurück: „Viel mehr als früher sogar! Wenn er in meiner Nähe ist, ist das so...schön und aufregend!"
Der Junge errötete bei diesem Geständnis und verbarg sein Gesicht hinter den Händen.
Joe kicherte und erklärte:
„Ich denke, da hast du deine Antwort! Und du bist ja nicht allein, falls es schief geht. Alice allein würde Christian dann schon gehörig einheizen. Und ich bin ja auch noch da!"
Noah nickte.
In seinem Kopf entstand ein Plan.
Justine war heute in den Ortskern von Millers Landing gekommen, um etwas abzuholen. Bereits vor zwei Wochen hatte sie beim Schneider ein Kleid für Kathryn in Auftrag gegeben. Natürlich hatten sie nicht Maß nehmen können, denn es sollte eine Überraschung werden, doch Justine hatte in den letzten Wochen ja ausgiebig Gelegenheit dazu gehabt, die Anatomie ihrer Geliebten zu studieren, um konkrete Schätzungen und Beschreibungen abzugeben.
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Die Leute von Millers Landing
ActionWir schreiben das Jahr 1903. Es gibt da ein besonderes Haus am Stadtrand des kleinen Örtchen Millers Landing im Staate Pennsylvania. Die Leute die dort leben sind Außenseiter. Man meidet sie, weil sie Prostituierte sind, Homosexuelle, oder die Nachf...