Noah war überrascht, als er die Tür öffnete und den Sheriff davor stehen sah. Snyder schien nicht in bester Verfassung zu sein. Seine Augen waren gerötet, sein schütteres Haar stand fettig und wirr von seinem Kopf ab und er wirkte insgesamt erschöpft:
„Guten Morgen, mein Junge! Gut, dass ich dich antreffe! Ich bin hier, weil ein Freund von dir einen Unfall hatte. Er ist drüben beim Doktor und hat mich gebeten, dich zu holen." erklärte Snyder ungewohnt freundlich.
Noah Herz begann zu rasen. Er riss erschrocken die Augen auf und fragte mit schriller Stimme:
„Du liebe Güte! Geht es um Christian? Ist er schwer verletzt?"
„Wir sollten uns auf jeden Fall beeilen!" erklärte der Sheriff eindringlich.
Noah nickte:
„Ich hole nur rasch meine Jacke." erwiderte er und verschwand von der Eingangstür.
Der Magen des Jungen zog sich zu einem ängstlichen Knoten zusammen, als er sich eilig auf den Weg in sein Zimmer machte. Doch als er nach seiner Jacke griff, fühlte er mit einem Mal ein eigenartiges Prickeln in seinem Nacken, das ihn warnte, dass etwas nicht stimmte. Der Sheriff war viel zu nett zu ihm gewesen! Und er sah so eigenartig aus; ungepflegt und irgendwie irre.
Noah dachte an Christians Warnung, niemandem zu trauen. Dann schloss er kurzentschlossen seine Zimmertür von innen ab, öffnete ein Fenster, kletterte hinaus und rannte in den Wald hinein, so schnell seine Beine ihn trugen.
Snyder wartete einen Augenblick, doch als der Junge nicht zurückkehrte wurde ihm klar, dass der kleine Teufel in durchschaut haben musste. Er trat ein, schritt durch den Flur und grußlos vorbei am Esszimmer, wo der Reverend und seine Frau beim Frühstück saßen und irritiert aufblickten, als sie den unerwarteten Gast bemerkten.
Snyder rüttelte an Noahs Zimmertür und als er feststellte, dass diese verschlossen war, pochte er fluchend dagegen:
„Verdammter Bastard! Mach die Tür auf!"
Der Reverend und seine Frau kamen eilig hinzu, als Snyder mit hochrotem Kopf versuchte, die Tür einzutreten:
„Was tun sie denn da Sheriff?" fragte Gretchen Shultz entrüstet: „Was wollen sie von unserem Jungen?"
„Pah!" machte Snyder: „Ihr Junge? Der Bengel ist eine Ausgeburt der Hölle und alle Sünder der Stadt folgen ihm nach. Er wird uns alle ins Verderben reißen, wenn ich ihn nicht aufhalte!" Bei seinen Worten waren seine Augen so weit aufgerissen, dass man beinahe nur noch das Weiße darin sah. Er bot einen furchterregenden Anblick.
„Wie bitte? Was fällt ihnen ein?" fragte der Reverend entrüstet, aber auch ein wenig eingeschüchtert, doch der Sheriff hatte keine Zeit zu verlieren. Er schob die Eheleute Schultz grob beiseite, stürmte hinaus und rannte um das Haus herum. Durch das offene Fenster starrte er ins leere Zimmer. Der Dämon war entwischt, stellte er resigniert fest. Er rannte los in der Hoffnung, ihn noch einholen zu können.
Atemlos kam Noah beim roten Haus an und stürmte in die Küche, wo alle gerade beim Frühstück saßen. Als er Christian unter ihnen erblickte, rannte er aufgeregt auf ihn zu, schlang beide Arme um ihn und presste ihn an sich:
„Was ist denn passiert?" wollte dieser wissen: „Was machst du hier. Du solltest doch zuhause bleiben!"
Noah versuchte, seinen Atem zu beruhigen und brachte keuchend hervor:
„Du bist hier und du bist gesund. Das bedeutet, es ist der Sheriff. ER hat die Frauen entführt. Nun wollte er mich mitnehmen! So MUSS es einfach sein!" er klang verwirrt, selbst nicht vollständig überzeugt von seinen Worten.
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Die Leute von Millers Landing
ActionWir schreiben das Jahr 1903. Es gibt da ein besonderes Haus am Stadtrand des kleinen Örtchen Millers Landing im Staate Pennsylvania. Die Leute die dort leben sind Außenseiter. Man meidet sie, weil sie Prostituierte sind, Homosexuelle, oder die Nachf...