Der Sheriff hatte sich für heute krank gemeldet und James war allein im Department, wenn man einmal von dem mörderischen Verrückten absah, der hinten in seiner Zelle verrottete. Doch diesen versuchte der Deputy zu ignorieren, so gut es eben ging. Wenn sie ihn doch nur erst los wären, sie den Prozss hinter sich hätten und er ins Staatsgefängnis überführt werden würde.
Und James hoffte inständig, dass es genau so kommen möge!
Es war seltsam, dass sich der Sheriff ausgerechnet jetzt zum ersten Mal seit ihrer Zusammenarbeit wegen Krankheit entschuldigte, denn er hatte sich ja bereits seit Tagen so eigenartig und irgendwie schreckhaft verhalten, dachte James.
Außerdem hatte er eigenartiger Weise den Eindruck gewonnen, Snyder würde neuerdings im Department übernachten.
Vermutlich steckte mehr hinter dieser Angelegenheit, als eine einfache Erkältung. James hatte jedoch keine Vorstellung, was das sein mochte und wenn er ehrlich war, interessierte es ihn auch nicht besonders, den er konnte den boshaften, alten Kerl nun einmal nicht besonders gut leiden.
Doktor Miller schien Snyders Ausführungen nicht sonderlich ernst zu nehmen. Lydias Verhalten deute seiner Meinung nach nicht auf eine Krankheit hin, sondern offenbarte nach seiner Auffassung lediglich, dass ihr wohl einiges durch den Kopf ginge, erklärte er beruhigend und schlug ein ernsthaftes, verständnisvolles Gespräch unter Eheleuten vor, Er bot sogar an, bei Bedarf zwischen ihnen zu vermitteln.
Als ob er Hilfe dabei bräuchte, mit seiner eigenen Frau zu sprechen, dachte Snyder verächtlich!
Was bildete dieser studierte Schnösel sich überhaupt ein?
Der Sheriff war weiterhin davon überzeugt, dass Lydia entweder dabei war, den Verstand zu verlieren oder dass sie vom Bösen besessen war. Davon würden ihn auch die Plattitüden nicht abbringen, die Doktor Miller von sich gegeben hatte, um ihn schnell wieder abzuwimmeln. Daher war seine nächste Adresse das Pfarrhaus. Sollte doch der Reverend ihm sagen, was er von der Angelegenheit hielt.
Als Snyder gerade klopfen wollte, öffnete sich die Tür und heraus kam der Sohn des Hauses, welcher gerade auf dem Weg zur Arbeit war. Sie grüßten einander flüchtig und Snyder warf dem verweichlichten, kleinen Burschen einen grimmigen Blick hinterher. Irgendetwas gefiel ihm an dem Jungen ganz und gar nicht, dachte er kopfschüttelnd. Dann trat er in das Pfarrhaus ein.
Natürlich war der Reverend nicht allein, sondern seine neugierige Ehefrau war bei ihm. Die zwei saßen noch am Frühstückstisch.
Snyder konnte das klatschsüchtige Weib nicht leiden. In ihrer Gegenwart würde er kein Wort darüber verlieren, warum er gekommen war, denn sonst wüsste es bis zum Nachmittag die ganze Stadt:
„Guten Morgen Reverend!" grüßte er: „Es tut mir leid, dass ich sie beide beim Essen störe. Könnte ich sie später wohl unter vier Augen sprechen?"
„Guten Morgen Sheriff! Wir waren ohnehin gerade fertig!" antwortete der Geistliche: „Ich habe jetzt Zeit. Wenn sie wollen, können wir hinüber in die Kirche gehen. Dort sind wir ungestört!"
Snyder warf einen Blick auf Gretchen Schultz und ihm entging nicht die Enttäuschung auf deren Gesicht, darüber, dass sie nicht mithören durfte.
Die beiden Männer nahmen in einer der Kirchenbänke Platz. Der Sheriff rang eine Weile um die richtigen Worte, versicherte sich zuvor der Verschwiegenheit seines Gegenübers, doch als er einmal zu sprechen begonnen hatte, wurde es leichter. Er brachte es schließlich sogar über sich, vor dem Geistlichen von dem sexuellen Angriff seiner Frau zu sprechen. Als er mit seiner Schilderung fertig war, erkundigte er sich stirnrunzelnd:
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Die Leute von Millers Landing
AksiWir schreiben das Jahr 1903. Es gibt da ein besonderes Haus am Stadtrand des kleinen Örtchen Millers Landing im Staate Pennsylvania. Die Leute die dort leben sind Außenseiter. Man meidet sie, weil sie Prostituierte sind, Homosexuelle, oder die Nachf...