Ich wartete eine Weile. Dann griff ich zum Handy und wagte einen Blick auf das Display. Ich hatte eine Nachricht von Mina, eine meiner besten Freundinnen, erhalten. Sie wollte sich mal wieder melden. Ich stutzte. Von Helene wurde mir keine Nachricht angezeigt. Schrieb sie etwa immer noch? Ich klickte auf unseren Chat, aber erhielt keine neue Nachricht. Sie war offline. Enttäuschung machte sich in meinem Körper breit. Aber sie hatte doch geschrieben, oder? Oder hatte ich es mir nur eingebildet oder es mir zu sehr gewünscht? Nein, das konnte nicht sein. Sie war gerade eben auch online gewesen. Hatte sie vergessen, die Nachricht abzuschicken oder traute sie sich auch nicht und hatte sie wieder gelöscht? Ich wusste es nicht. Ich legte das Handy zur Seite und wälzte mich im Bett umher. Es ließ mir keine Ruhe. Irgendwann schlief ich dann ein.
Am nächsten Morgen sah ich direkt wieder auf mein Handy. Aber Fehlanzeige. Keine Nachricht von Helene, aber dafür antwortete ich Mina. Dann stand ich auf und weckte Jette. Sie griff nach ihrem Handy und stieß ein: »Oh, wie gut!« aus. Fragend sah ich sie an: »Ich schlafe noch etwas weiter. Die ersten beiden Stunden fallen heute aus. Frau Sturm ist krank. Gestern war sie doch noch fit, oder? Aber egal, gut für mich.« Dann stellte sie ihren Wecker und drehte sich wieder um. Warum war sie krank? Was hatte sie? War das meine Chance, ihr zu schreiben? Nein, das konnte ich nicht. Das war absurd. Ich verließ das Zimmer.
Was tat ich hier eigentlich bloß? Ich rannte einer Frau förmlich hinterher, von der ich fast nichts wusste. Aber ich wollte mehr über sie wissen. Ich wollte alles über sie wissen. Unbedingt. Ich dachte nicht nach in diesem Moment. Ich lehnte an der Arbeitsplatte in der Küche und tippte eine Nachricht an Helene an: »Guten Morgen. Ich habe von Jette erfahren, dass du krank bist. Geht es dir gut? Gestern war doch noch alles in Ordnung, oder?« Ich atmete tief durch und legte das Handy auf den Tisch. In der Zwischenzeit kochte ich mir einen Kaffee und meine Hände zitterten. Ich war aufgeregt. Als ich mich setzte, sah ich, dass sie meine Nachricht gelesen, aber nicht geantwortet hatte. Na super, dachte ich und es war mir plötzlich peinlich, ihr geschrieben zu haben.
Ich fuhr zur Arbeit und unterwegs musste ich hart bremsen. Fast hätte ich eine rote Ampel überfahren. Ich verstand mich nicht mehr. Ich verstand nicht, wie sehr sie von mir Besitz ergreifen konnte. Wie sehr sie in meinen Gedanken präsent war. Im Büro erwartete mich ein großer Stapel Bewerbungen. Ich sah sie durch und Frau Lutz kümmerte sich darum, dass die Daten in eine Liste eingetragen wurden. Ich war so froh, dass sie nun da war und sich alles gut merken konnte. Sie war wirklich super.
»Warum machen Sie nicht Schluss für heute?«, fragte ich sie und sie sah mich erstaunt an. »Sie waren die Woche doch schon länger da. Und heute ist Freitag, also ab ins Wochenende.« Ich lächelte sie an und sie erwiderte mein Lächeln. »Ok, gern.« Dann packte sie ihre Sachen zusammen und ich war alleine im Büro. Allzu lange würde ich aber auch nicht mehr machen. Zufällig sah ich auf mein Handy und plötzlich vibrierte es. Helene! Aufgeregt öffnete ich die Nachricht und hielt die Luft beim Lesen an.
»Hallo Hanna. Nett von dir, dass du nachfragst. Ich bin auch nicht wirklich krank. Letzte Nacht konnte ich nicht schlafen und ich hatte starke Kopfschmerzen heute früh. Jetzt ist es besser. Ich wollte dir auch noch sagen, dass ich es gestern schön fand. Ich kenne hier auch noch nicht viele Leute und es tat gut, einfach mal wieder ein bisschen zu reden. Vielleicht können wir das mal wiederholen.« Ich saß auf meinem Bürostuhl und war gerade der glücklichste Mensch der Welt. Sie wollte mich treffen? Das war kaum zu fassen. Aufgeregt schnappte ich nach Luft. Es klopfte an der Tür. »Ja?«, rief ich mit piepsiger Stimme und eine Aushilfe betrat mein Büro. »Hallo Frau Rabsch, ich wollte nur noch schnell meinen Stundenzettel für die Abrechnung vorbeibringen.« Dankend nahm ich ihn entgegen und wünschte ihr ein schönes Wochenende. Dann war ich wieder alleine.
»Ich fand es auch sehr schön. Ja, ich würde es unglaublich gern wiederholen. Wir können ja mal schauen, wann es passt?« Sofort kam sie online und schrieb zurück: »Wie sieht es denn mit morgen Abend aus? Falls das nicht zu kurzfristig ist.« Morgen Abend wollte sie mich schon wiedersehen? Ich konnte es nicht glauben. »Liebend gern. Wo und wann?« Kurze Zeit später hatte ich eine Antwort: »Wir könnten ja etwas trinken gehen. Um 19 Uhr?« Ich stimmte zu und wir vereinbarten einen Treffpunkt.
Ich konnte mich nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren, deshalb machte ich ebenfalls Feierabend. Im Auto summte ich fröhlich ein Lied mit, was im Radio spielte und grinste die ganze Zeit vor mich hin. Jette war auch schon zu Hause und erwartete mich. »Mama?«, fragte sie. »Ja?« Sie sah mich an und antwortete: »Ich weiß, ich war gerade letztes Wochenende bei Papa. Aber er möchte morgen mit mir ins Erlebnisbad fahren. Ist das ok für dich oder soll ich lieber bei dir bleiben?« Ich zog die Augenbrauen nach oben. »Ich habe dir doch gesagt, dass du jederzeit zu Papa fahren kannst, wenn wir das absprechen. Ich schaffe das schon alleine. Also los, packe deine Schwimmsachen und dann ab.« Sie strahlte über das ganze Gesicht und so musste ich ihr wenigstens nicht erklären, dass ich mich morgen mit ihrer Lehrerin traf.
Oder sollte ich es ihr besser sagen? Es war ja nichts Schlimmes. Doch trotzdem wollte ich es für mich behalten. Es fühlte sich wie ein Geheimnis an, dass ich behüten wollte, weil sonst der ganze Zauber verloren ging. Eine knappe Stunde später wurde Jette abgeholt und ich verbrachte den restlichen Tag auf der Couch, las ein Buch und schaute mir einen Film an. Dort schlief ich auch ein. Mitten in der Nacht wurde ich wach und krabbelte ins Bett.
Als ich am Samstag aufstand, musste ich sofort an Helene denken. Heute Abend durfte ich wieder Zeit mit ihr verbringen. Es war kaum zu glauben. Der Gedanke an sie bescherte mir eine Gänsehaut. Es kribbelte am ganzen Körper. Ich kümmerte mich etwas um den Haushalt und ging dann duschen und schäumte alles ausgiebig ein. Ich legte dezentes Make-Up auf und machte mir leichte Locken ins Haar. Dann verließ ich das Haus und je näher ich der Bar kam desto nervöser wurde ich.
Dann bog ich in die Straße der Bar ein und sah sie schon warten. Sie sah nicht in meine Richtung. Deshalb blieb ich einen Moment stehen, um sie zu betrachten. Helene trug ihre Haare offen und sah unverschämt gut aus. Sie trug einen braunen Herbstmantel und einen Schal und eine Röhrenjeans. Dazu trug sie ebenfalls braune Stiefeletten. Geschmack hatte sie. Dann setzte ich mich wieder in Bewegung. Ich wollte pünktlich sein und sie nicht weiter warten lassen.
Kurz bevor ich sie erreichte, drehte sie sich in meine Richtung. Sie grinste mich an und sofort wurde mir warm ums Herz. In diesem Moment musste ich wieder an unseren Fast-Kuss denken und meine Knie wurden weich. Dann stand ich vor ihr und stammelte: »Hi.« Wir wussten nicht so recht, wie wir uns begrüßen sollten. Und dann umarmten wir uns einfach. Sie roch so gut, stellte ich fest und genoss den Moment. Doch so schnell er kam, so schnell war er auch schon wieder vorbei. »Wollen wir reingehen?«, fragte sie etwas schüchtern und ich stimmte zu. Sie ging vor und ich konnte mein Glück kaum fassen.
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Herzgeflüster || gxg
RomanceHanna ist eine alleinerziehende Mutter. Ihre Tochter Jette steckt mit ihren 14 Jahren mitten in der Pubertät und ständig gibt es Ärger in der Schule. Am Anfang des Schuljahres prügelt sie sich auf dem Pausenhof und ihre Lehrerin, die Hanna noch nich...