Ich lag in Helenes Armen und nichts auf dieser Welt konnte mich in diesem Moment glücklicher machen. Es war passiert, dachte ich und merkte, wie ich rot wurde. Zum Glück konnte sie nichts sehen, denn es war dunkel im Zimmer. Ich hatte ernsthaft mit einer Frau geschlafen. Und noch dazu mit dieser verdammt hübschen Frau. »Woran denkst du?«, wollte Helene von mir wissen und ich zuckte leicht zusammen. Sie hatte nichts bemerkt, jedenfalls sagte sie nichts dazu. »An die vergangenen Stunden«, meinte ich leise und musste lächeln. »Sind wir jetzt eigentlich fest zusammen?«, wollte sie wissen. Ich antwortete nicht sofort. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Tut mir leid, ich wollte dich damit nicht überrumpeln«, entschuldigte sie sich schnell. »Nein, du überrumpelst mich nicht. Ganz und gar nicht.« Sie rückte ein klitzekleines Stück ab. »Aber?«, hakte sie nach. Ich seufzte. »Ich finde dich toll. Wirklich. Und ich weiß, dass es zwischen uns heftig knistert und du kennst meine Gefühle. Und dann heute noch... der Sex. Es passt alles. Ich spüre das. Aber ich würde es gern noch etwas geheim halten. Wegen Jette.« Sie nickte und küsste liebevoll meine Stirn. »Natürlich, das verstehe und akzeptiere ich. Das ging alles so rasend schnell und wir haben noch ganz viel Zeit.« Ich war so dankbar, dass sie mich verstand. Jette war nun mal meine Tochter. Ich wollte ihr schonend beibringen, dass ihre Mama plötzlich auf Frauen stand und noch dazu auf ihre Lehrerin.
»Dann ist der 17.11. nun unser Jahrestag«, verkündete sie feierlich und die Schmetterlinge spürte ich nicht nur im Bauch, sondern im gesamten Körper. Sie küsste mich. Helene Sturm, meine Freundin. Meine Partnerin. Es hörte sich ungewohnt, aber schön an. Dann war es ruhig. Ich hörte, wie ihr Atem sich nach und nach beruhigte und er schlussendlich regelmäßig war. Sie war eingeschlafen. Ich dachte noch lange nach in dieser Nacht. Aber irgendwann musste auch ich eingeschlafen sein.
Am nächsten Morgen wurde ich durch eine Bewegung wach. »Guten Morgen«, hauchte Helene mir zu. Sie trug nur ihre Unterwäsche und einen Bademantel darüber, den sie aber nicht geschlossen hatte. Der Anblick haute mich um. Sie hatte gerade ein Tablett mit Brötchen und Kaffee auf dem Bett abgestellt und beugte sich zu mir, um mir einen Kuss zu geben. »So könnte ich mir jeden Samstag vorstellen«, stellte ich herzhaft gähnend fest. »Vielleicht bekommst du es nicht unbedingt jeden Samstag, aber in Zukunft wahrscheinlich des Öfteren.« Ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus.
Ich schnappte mir eine Brötchenhälfte und biss hinein. »Weißt du, ich habe mir überlegt, dass ich erst einmal mit Philipp reden werde. Er ist schließlich Jettes Papa und ich finde, er sollte es auch wissen.« Sie zuckte leicht mit den Schultern. »Wie du magst. Ich dränge dich da nicht.« Ich warf ihr einen dankbaren Blick zu. Aber mir selbst war es wichtig. Ich wollte zu Helene stehen. Aber erst musste ich mit Philipp und Jette sprechen. Ich würde ihn vielleicht später direkt anrufen. Oder war es zu früh? Ich wusste es nicht, aber wollte meine volle Konzentration nun erst einmal wieder auf Helene lenken.
Ich hatte noch nicht einmal das halbe Brötchen aufgegessen, da zog ich sie zurück ins Bett. Ich küsste sie. Zärtlich. Dann leidenschaftlicher. »Deine Küsse machen mich verrückt«, raunte sie mir zu und ich musste schmunzeln. Ich küsste sie noch heftiger. Wir waren so miteinander beschäftigt, dass wir das Frühstückstablett völlig vergessen hatten. Sie stieß mit dem Fuß dagegen und der Kaffee verteilte sich auf dem Bett. »Oh, Scheiße«, stöhnte sie genervt und ich musste kichern. »Findest du das etwa lustig?« Ihr Blick war ernst, aber als sie meinen Gesichtsausdruck sah, musste sie auch lachen. »Du bleibst hier, ich hole Tücher. Bewege dich nicht von der Stelle. Zum Glück war nur noch ein Schluck in der Tasse.« Das wollte ich nicht. Ich hätte noch ewig in diesem Bett liegen bleiben können, aber ich musste nach Hause. Jette wartete sicher schon auf mich. Immerhin war gleich Mittagszeit.
Sie verließ den Raum und ich stand auf. Als sie zurückkam, sah sie mich irritiert an. »Wo willst du denn hin?« Ich sammelte meine Sachen zusammen. »Jette wartet sicher schon auf mich.« Helene sah etwas enttäuscht aus, sagte aber nichts. Ich hätte die beiden auch lieber miteinander vereint, aber es ging eben noch nicht. Ich musste vorerst zwei Leben führen. Ein Leben als Mutter und eins als eine Frau, die eine andere Frau liebte. »Sehen wir uns morgen?«, fragte sie hoffnungsvoll, aber ich konnte ihr die Frage nicht beantworten. »Ich melde mich später, ok?« Sie nickte. Dann zog ich sie zu mir und gab ihr einen letzten Kuss. »Ich kann es kaum erwarten, dich bald wieder in meinen Armen halten zu dürfen.«
Als ich ihre Wohnung verlassen hatte, fühlte auch ich mich verlassen. Plötzlich überkam mich eine heftige Einsamkeit. Ich vermisste sie schon jetzt. Ich wollte nicht gehen. Alles in mir zog sich zusammen, wollte auf der Stelle umdrehen und zurück in ihre Arme fallen. Immer wieder musste ich an die vergangenen Stunden denken. Was sich alles geändert hatte. Ich musste es erst einmal verarbeiten.
Unterwegs rief ich Philipp an. Er nahm sofort ab. »Ja?«, fragte er prompt und ich musste grinsen. Er ging immer gleich an das Handy. Seitdem ich ihn kannte. Und das war schon eine sehr lange Zeit. »Ich... Können wir reden?«, fragte ich und die Worte kamen nur schwer über meine Lippen. Bei ihm gingen die Alarmglocken an. Ich hörte es an seiner Stimme. »Ist alles in Ordnung?« Ich schätzte Philipp so sehr. Er war ein toller Mann, Vater und Freund. Ich hatte so ein Glück mit ihm und war froh, dass wir uns im Guten getrennt hatten und mittlerweile Freunde waren. Mir war bewusst, dass ich mit ihm nie so glücklich gewesen war wie jetzt mit Helene. Mein Unterbewusstsein musste schon vorher gewusst haben, dass ich Frauen bevorzugte. Oder? Vielleicht war es auch völliger Quatsch, aber ich hatte nie das für ihn gefühlt wie für Helene.
»Hallo?«, hakte er nervös nach. »Oh, tut mir leid. Ja, es ist alles in Ordnung. Es ist nur... Ich mag nicht am Handy darüber sprechen. Können wir uns vielleicht treffen?« Es entstand eine kurze Pause und er fragte: »Jetzt?« Ich antwortete: »Wenn das für dich passt.« Ich sah auf meine Uhr am Arm und biss mir auf die Lippe. Gott, war ich dämlich. Es war Mittagszeit, Marie hatte wahrscheinlich gerade Mittag gekocht und mein Anruf störte sicherlich. »Oh, wir können das auch verschieben. Ich hatte die Zeit nicht im Blick«, stammelte ich, aber er unterbrach mich: »Nein, schon in Ordnung. Wo wollen wir uns treffen? Wo bist du eigentlich? Es rauscht so bei dir im Hintergrund.« Ich erwiderte: »Ich bin gerade unterwegs. Wir könnten einen Kaffee trinken gehen in unserem Stammcafé. Bin ganz in der Nähe.« Er stimmte zu. Dann legten wir auf und eine Weile später saßen wir uns gegenüber.
»Ist Marie jetzt böse?«, fragte ich vorsichtig nach, aber er winkte ab. »Mache dir um Marie mal keine Sorgen.« Dann schaute er mir tief in die Augen. So war er schon immer gewesen. Wenn er zuhörte, konzentrierte er sich ganz auf sein Gegenüber. Das mochte ich immer an ihm. »Worüber willst du reden?«, fragte er neugierig. Ich atmete tief ein und aus. Mein Herz begann zu rasen. »Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll«, gab ich zu und biss auf meiner Lippe umher. Aufmunternd sah er mich an und meinte: »Wir können über alles reden, das weißt du doch, oder?« Stumm nickte ich. »Ja. Es ist für mich nur auch eine ungewohnte Situation.« Er war sehr geduldig. »Geht es um Jette?«, wollte er wissen. Mein Kopf machte eine Bewegung zwischen Kopfnicken und Kopfschütteln. »Eigentlich geht es um mich. Aber auch irgendwie um Jette.«
Ich machte eine kurze Pause, dann sagte ich schnell: »Es gibt einen neuen Menschen an meiner Seite.« Erstaunt sah er mich an. »Was? Davon habe ich ja gar nichts mitbekommen.« Ich antwortete: »Es ist auch alles noch relativ frisch. Wir kennen uns noch nicht so lange, aber es passt einfach zwischen uns.« Er nahm behutsam meine Hand. »Das ist doch toll. Machst du dir jetzt Sorgen, was Jette dazu sagt?« Ich musste schlucken. »Ja. Aber das war noch nicht die ganze Wahrheit.« Stirnrunzelnd blickte er mich wieder an. »Was ist, wenn ich dir sage, dass ich eine Frau liebe?« Vor Schreck ließ er meine Hand los und riss die Augen auf.
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Herzgeflüster || gxg
RomanceHanna ist eine alleinerziehende Mutter. Ihre Tochter Jette steckt mit ihren 14 Jahren mitten in der Pubertät und ständig gibt es Ärger in der Schule. Am Anfang des Schuljahres prügelt sie sich auf dem Pausenhof und ihre Lehrerin, die Hanna noch nich...