Neue Erinnerungen

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Die Zeit bis zum Oktoberball verging wie im Fluge. Nun war es soweit. Der Abend rückte in greifbare Nähe.
Alle waren in Aufruhr, denn sie wollten das alles perfekt war. Die Bäder waren überfüllt, die Schminksachen halb aufgebraucht und ab und an roch es nach verbrannten Haaren. Da gingen wohl einige nicht richtig mit dem Glätteisen um.
Ich hingegen hatte mir eben mein Kleid angezogen, da kam meine rothaarige Mitbewohnerin zur Tür herein und riss ihre Augen auf.
„Wow, Suri" stotterte sie.
Ich grinste und drehte mich.
„Du siehst umwerfend aus" entfloh es ihr, während sie sich ihre Schuhe anzog.
Meine blonden lockigen Haare trug ich offen, bis auf zwei Strähnen, diese band ich zu einem kleinen Zopf zusammen.
„Dein Kostüm passt auch gut zu dir. Ich denke Aido wird begeistert sein." sagte ich, als ich mich auf mein Bett setzte und ebenfalls in meine Pumps hinein schlüpfte.
Zum Schluss setzte ich mir die Maske vor dem Spiegel auf und betrachtete das Gesamtergebnis, mit welchem ich im Großen und Ganzen zufrieden war.
„Seit wann ist das Motto Maskenball?" witzelte Romilda und steckte sich die schwarze Rose ins Haar, welches sie ebenfalls offen trug. Im Gegensatz zu mir hatte sie lange glatte rote Haare, auf welche man wirklich stolz und neidisch sein konnte.
„Verborgen fühle ich mich sicherer" entgegnete ich und lächelte.
„Wo hast du denn eigentlich deine Reißzähne her?" fragte Romilda.
Ich zuckte kurz zusammen.
„Die sehen total echt aus" ergänzte sie sich.
Stimmt, ich konnte heute ich selbst sein, ohne mich verstecken zu müssen.
Trotzdem ging ich nicht näher auf Romildas Frage ein, sondern schnappte mir meinen langen schwarzen Mantel und lief zur Tür.
„Komm jetzt, sonst verpassen wir die Ansprache vom Rektor" rief ich und knöpfte den Mantel zu.
Romilda nickte, stopfte ihr Handy in ihre Tasche, griff zu ihrer Jacke und kam zu mir.

Wir waren wieder einmal fast die Letzten, welche auf dem Schulhof zusammenkamen. Aurora war die Erste, der wir begegneten.
„Suri, du siehst so.. so anders aus" sagte sie und blickte mich mit großen Augen an.
„Du meinst wohl sie sieht wunderbar und sexy aus, so wie wir sie noch nie gesehen haben" sagte
Jara, welche sich eben zu uns gesellte.
Ich musste lächeln. Sie waren wunderbare Personen.
„Hallo Mädels" rief eine fünfte Stimme.
Malin kam zu unserer kleinen Gruppe dazu. Sie hatte sich ebenfalls als Vampir verkleidet. Ihre Haare hatte sie hochgesteckt und dazu trug sie ein dunkelrotes Kleid.
„Mensch Malin, da hast du dich ganz schön in Schale geworfen" rief Jara und grinste, während sie ihr Handy aus der Tasche holt und ein Gruppenbild von uns allen machte.
„Zu unserem diesjährigen Ball wünsche ich allen Schülern und Schülerinnen der Cross Academy viel Spaß und einen angenehmen Abend..." sprach der Schuldirektor in ein Mikrofon und überblickte die Schulklassen.
Die Night Class war ebenfalls auf dem Schulhof, weshalb sich die halbe Day Class nicht wirklich konzentrieren konnte.
„Also bis später, ich werde jetzt Aido suchen gehen" sagte Romilda und verschwand.
„Ich mach mich jetzt auch auf die Suche, kommst du mit Malin?" rief Jara und drehte sich in alle Richtungen auf der Suche nach ihrer Begleitung.
„Ja" antwortete Malin und schon verschwanden die beiden ebenfalls in der Menge.
„Mit wem bist du hier?" fragte ich Aurora, welche etwas unsicher zu Zero sah.
Eigentlich hätte ich mir die Frage auch verkneifen können, immerhin war das ja nun offensichtlich.
„Ich habe mich nicht getraut Zero zu fragen, denkst du ich sollte ihn jetzt darum bitten?"
Ich lächelte aufmunternd.
„Natürlich" sagte ich „Jetzt oder nie. Später ist es vielleicht zu spät dafür."
Aurora grinste und verabschiedete sich schnell von mir.
„..Außerdem haben wir beschlossen, dass heute Abend noch mehr Damen und Herren die Ehre haben dürfen diesen Ball zu besuchen. Eine weitere Schule hat das Vergnügen am Tanz teilzunehmen. Der Ball gibt die Möglichkeit die Beziehungen untereinander zu verbessern. Außerdem gibt es einige Sicherheitskräfte mehr heute Abend, also wundert euch nicht. Ich wünsche allen Teilnehmern viel Spaß" beendete der Rektor seine Ansprache.
Noch eine Schule?
Doch dann sah ich viele berühmte und bekannte Gesichter.
Hunter.
Der Rektor sprach also von der Hunteracademy.
Die Klassen setzten sich in Bewegung Richtung Schulgebäude, wo der Saal für das Fest vorbereitet wurde. Als ich den Saal betrat, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Helfer des Balls hatten sich viel Mühe gegeben. Der Saal war mit eher dunkleren Tönen wie Schwarz, Violett, aber auch Weiß und Silber dekoriert. Es wurde ein großer Kronleuchter angebracht, welcher den Saal in goldenes Licht tauchte. Damit wirkte alles recht mystisch. Des weiteren unterstützten Kerzenlichter die geheimnisvolle Atmosphäre.
Was mir allerdings nicht entgangen war, dass sich hier eine Menge Senatsmitglieder aufhielten.
Waren das die Sicherheitskräfte von denen der Rektor sprach?
Als ich mich weiter umsah, entdeckte ich Lennox. Er winkte mir zu und grinste frech.
Ich nickte ihm freundlich zu.
Doch als ich mich umdrehte, stand ein großer Mann vor mir.
Er trug einen grauen Anzug und eine rote Krawatte, außerdem hatte er bereits ein paar graue Haarsträhnen.
„Darf ich Euch um diesen Tanz bitten?" fragte er und reichte mir seine Hand.
Verblüfft betrachtete ich ihn durch meine Maske.
Ich hatte diesen Mann noch nie in meinem Leben gesehen. Kurz zögerte ich, doch dann willigte ich ein. Er war mir irgendwie unheimlich. Vor allem da er ja mindestens 20 Menschenjahre älter sein musste als ich selbst. Er war sehr elegant in einen Bewegungen.
Plötzlich erspähte ich einige weitere Anzugträger und wie sie uns beobachteten. Mir war völlig bewusst, dass er zum Senat gehören musste.
Wusste er wer ich war?
Mit Zweifeln ließ ich mich von ihm führen, jedoch spannte ich mich mehr und mehr an, was dem Mann nicht entging.
„Ihr tanzt wirklich wunderbar" versuchte er mich abzulenken.
Innerlich rollte ich mit den Augen, wenn er irgendwie noch verdächtiger werden würde, dann musste ich ihm den Kopf abreißen.
Ich beschloss es darauf ankommen zu lassen.
„Sie sind vom Senat" sagte ich kalt und war froh, dass ich eine Maske trug, damit er meine Unsicherheit nicht sehen konnte.
„Richtig" entgegnete er, ohne mich anzusehen.
Er drehte mich und zog mich wieder ran. Seine Hand hielt meine Taille fest im Griff.
„Ich weiß wer Ihr seid."
Ich erschrak und mir lief es eiskalt den Rücken hinunter.
Mein Herz pumpte wie verrückt und mein Puls veranstaltete einen Marathon, er raste.
„Was wollen Sie von mir?" fauchte ich.
Der Mann lächelte. Dann bewegte sich seine Hand Richtung Hintern, dabei sah er mir tief in die Augen.
Angewidert starrte ich zurück, doch glücklicherweise neigte sich das Lied dem Ende zu. Er nahm mein Kinn in seine Hand und flüsterte „Vielen Dank für diesen Tanz."
Wütend fixierte ich ihn. Er lief zu seinen Männern hinüber und konnte es nicht lassen meinen weiblichen Mitschülern hinterher zu glotzen.
Als er sich mit seinen Männern entfernte und sich in Richtung Rektor bewegte, brannten meine Nerven durch.
Was wenn er wusste wer ich war?
Was wenn er es dem Rektor stecken wollte?
Das durfte nicht geschehen!
Ich wand mich durch die Tanzenden und folgte dem Pack.
Mitten in einem der Schulflure verlor ich sie aus den Augen.
Wo waren sie nur so schnell?
Ich blickte in mehrere Klassenzimmer, bis mir eins besonders auffiel. Es war nicht abgeschlossen. Nachdem ich es betrat, erblickte ich eine schwarze Gestalt am Lehrertisch. Als ich näher kam, erkannte ich ihn. Er gehörte zu den Gefolgsleuten des Senats.
„Was wollen Sie von mir?!" rief ich kalt.
„Ich habe den Auftrag den Verfolger abzuschütteln" sagte der Mann.
Wütend machte ich einige Schritte auf ihn zu.
Doch plötzlich rannte er auf mich los und zog eine Pistole. Als ich das Entsichern hörte, duckte ich mich in einer schnellen Bewegung zur Seite und der erste Schuss ging daneben.
Sofort schnellte ich herum und suchte meinen Angreifer. Er hatte Probleme die Waffe neu zu laden, das war meine Chance.
Ich ging an seine Kehle und drückte sie so heftig zu, dass er zu Boden ging.
„Du hast mir meine Frage nicht richtig beantwortet" flüsterte ich gehässig, als ich seinen Hals noch weiter zudrückte.
„Ich weiß es nicht" japste er und versuchte sich aus meinem Würgegriff zu befreien. Als ich spürte, dass er wirklich keine Ahnung hatte sagte ich „Verschwinde von hier!" und ließ ihn los. Sofort rang er nach Luft. Ich drehte mich um und lief zur Tür.
Beim Laufen hörte ich, wie der Typ seine Pistole neu lud und auf mich zielte. Da ich gerade so richtig auf Hochtouren lief, wartete ich voller Adrenalin den Schuss ab.
Als er ertönte, wich in Sekundenschnelle aus, griff einen Stuhl, riss ein Stuhlbein aus und rammte es meinem Gegner tief in die Brust.
In diesen zwei Sekunden konnte er nicht reagieren und ging schreiend vor Schmerzen zu Boden. Es dauerte nicht lange, da verformte sich sein Gesicht zu einer hässlichen Fratze.
Er war tot.
Kurz ließ mein Adrenalinspiegel nach und ich begriff was ich gerade getan hatte.
Was hatte ich nur getan?
Immer wieder fiel ich in alte Verhaltensmuster zurück.
Doch bevor ich mich jetzt um mich kümmern konnte, musste ich erst mal die Leiche wegschaffen.
Aber wohin?
Ich öffnete ein Fenster und blickte nach unten. Ich war im dritten Stockwerk und auf dieser Seite des Schulhofes waren keine Schüler zu sehen. So machte ich kurzen Prozess und zerrte die Leiche die Feuertreppe hinauf aufs Dach.
Das klang jetzt natürlich wirklich komisch, dass ich mit High Heels und Kleidchen mit einer Leiche auf das Schuldach kletterte, aber durch meine neu erlangte Kraft fiel es mir absolut nicht schwer. Ridos Blut verhalf mir zu neuer Stärke und Energie.
Oben angekommen warf ich die Leiche vor meine Füße und blickte mich um.
Hier oben würde niemals jemand auf die Idee kommen nach einem Toten zu suchen, dachte ich und ließ ihn allein.

„Suri, was hast du denn hier draußen gemacht?" fragte mich auf einmal eine vertraute Stimme.
Ich war ganz ruhig und suchte die Person, die mit mir redete.
Dann kam mir Aurora ins Blickfeld.
„Mir war warm und ich musste kurz an die frische Luft." log ich und lächelte.
Oh Mann, wenn sie wüsste, dass ich eben jemanden zur Strecke gebracht hatte, dann würde sie vermutlich schreiend wegrennen.
„Wie läuft es mit Zero?" lenkte ich von mir ab.
„Also getanzt haben wir schon, jedoch muss er seine Pflichten erfüllen und auf die Schüler aufpassen" sagte sie freudig.
Aus den Augenwinkeln sah ich eine große Gestalt auf uns zu kommen. Ruckartig drehte ich mich ihr zu, bereit erneut zu kämpfen. Doch das musste ich nicht. Der Vampir unter den Vampiren kam zu uns und sah mich an.
„Kaname..." stotterte Aurora schüchtern und verschwand.
Er strahlte eine gewisse Sicherheit aus, die mich eben in diesem Moment entspannen ließ. Mein Herz begann schneller zu schlagen und eine Gänsehaut überkam mich. Kurz blickten wir uns tief in die Augen, dann verneigte er sich vor mir. Überrascht von dieser Geste tat ich es ihm gleich.
„Ich suche Euch schon den ganzen Abend" begann der Reinblüter.
Plötzlich kam mir wieder der tote Typ ins Gedächtnis und ich wurde aus meiner Trance gerissen.
„Ich ... ähm ... ich" hilflos blickte ich mich um.
Was sollte ich ihm sagen?
„Kein Wunder. Ihr habt Euch unter der Maske versteckt." sprach Kaname ruhig weiter.
Mein Herz pumpte wie wild, als er seine Hände an mein Gesicht legte und vorsichtig die Maske abnahm.
„Ihr braucht sie nicht."
Ich war so überwältigt, dass ich kein Wort hervor brachte. Wir gingen zurück zum Ball und er forderte mich zum Tanzen auf. Er reichte mir seine Hand und ich willigte ein. Als unsere Hände sich berührten, durchfuhr es mich wie der Blitz.

~*~

„Suri komm, wir erwarten gleich den Besuch" eine mir unbekannte Frau kam ins Zimmer und hob mich hoch.
„Du willst doch hübsch sein für die Familie heute, nicht wahr?"
Ich nickte.
Dann setzte mich die schöne Frau auf das Sofa und kämmte meine ellenlangen blonden Haare.
Ich betrachtete das lodernde Kaminfeuer und spürte die Wärme auf meiner Haut.
Plötzlich betrat ein großer Mann den Raum. Er hatte braune kurze Haare und ein seidenes Gewand an. Neben ihm stand schon etwas größerer Junge mit ebenfalls braunen Haaren.
„Suri, meine Kleine, du bist ja immer noch nicht fertig" sprach er in einem beruhigendem Ton und gab der Frau einen Kuss auf den Kopf.
Der Jung lief hinüber zum Kamin und setzte sich auf den Boden.
„Marcus, nicht zu nah, sonst verbrennst du dich" rief die Frau hinter mir. Marcus gehorchte und rückte ein Stück nach hinten.
Nachdem sie mir ein Kleid angezogen hatte, lief ich zu meinem Bruder.
Er nahm mich auf seinen Schoß und begann mir eine Geschichte zu erzählen, während er das Feuer beobachtete.
Dann hörte ich wie die beiden Erwachsenen sich jeweils ein Glas Wein einschenkten. Ich konzentrierte mich dann aber wieder auf Marcus.
Es dauerte nicht lange, da kam die Frau und half mir hoch.
„Komm Suri, der Besuch ist da."
Marcus stand auf und lief zum Mann.
Die Tür zu unserem großen Wohn- und Esszimmer ging auf und eine Frau mit langen dunkelbraunen Haaren, ein Mann mit ebenfalls der gleichen Haarfarbe traten ins Zimmer ein und der Mann, der vorhin mit Marcus das Zimmer betreten hatte, umarmte die beiden, wie alte Freunde.
Auch die Frau neben mir tat es ihm gleich.
Hinter dem Besuch kann noch jemand zum Vorschein. Es war ein Junge, wie Marcus. Er hatte lange dunkelbraune Haare wie seine Eltern.
„Suri, sag Hallo zu unserem Besuch. Sag Hallo zu Kaname."

~*~

Nein, huschte es mir durch den Kopf.
Das konnte unmöglich wahr sein.
Das waren nicht meine Eltern, sie waren nicht in dem Wohlstand aufgewachsen. Meine Mutter hatte keine blonden Haare wie ich, sie hatte eine schwarze Haarfarbe.
Und um Himmelswillen, ich hatte Kaname Kuran doch nicht schon so früh kennengelernt.
Das konnte nicht wahr sein!
Unmöglich.
Ich wurde unsicher und blickte mich in alle Richtungen um.
Verwirrt, Durcheinander und irgendwie hungrig sah ich zu meinen Mitschülern.
Doch dann erblickte ich DEN Mann.
Rido Kuran.

Vampire Knight - SuriWo Geschichten leben. Entdecke jetzt