Die letzte Rettung

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Was hatte ich nur getan?
Sie krümmte sich auf dem Boden und erbrach Blut.
Ich schrie und wusste nicht, wie das passieren konnte.
Was hatte sie hier oben zu suchen?
Wie konnte ich sie nur mit Rido verwechseln?
Schnell biss ich in mein Handgelenk und führte es ihr an den Mund.
Durch den Regen hindurch erkannte ich, dass sich ihr Mund nicht bewegte. Sie trank mein Blut nicht.
Zitternd vor Kälte und Schmerz wusste ich nicht weiter.
Mir liefen Tränen übers Gesicht. Sie würde sterben, wenn ich jetzt nichts unternahm.
Aus Verzweiflung rannte ich los, ich eilte die Treppen hinunter und so schnell ich konnte in den großen Salon.
Nur noch einer konnte mir helfen.
Er.
Durchnässt und völlig aufgelöst kam ich im großen Salon zum Stehen. Alle Blicke waren auf mich gerichtet. Aufgelöst suchte ich den Raum nach ihm ab. Zwischen der Night Class, welche sehr unruhig wegen meinem blutenden Handgelenk wurde, saß er und sah mich überrascht an.
Mir fielen die nassen Haare ins Gesicht und die Tränen hörten nicht auf zu laufen.
„Ich brauche unbedingt Hilfe, Kaname!"
Schluchzend drohte ich nach vorne zu kippen. Das alles war zu viel für mich. Ich wollte doch nicht Malin auf dem Gewissen haben.
Schnell erschien der Reinblüter vor mir und fing mich auf. Er stützte mich und half mir wieder auf. Dann hockte er sich vor mich hin und krempelte meinen Ärmel runter. Eine Falte auf seiner Stirn verriet mir, dass er sich Sorgen machte.
„Malin ist auf dem Dach. Sie wird sterben, ich weiß nicht was ich machen soll. Es war ein Versehen."
Tränen liefen über mein Gesicht, während ich in das seine sah.
„Bitte hilf mir..", flehte ich.
„Aido, Kain ihr kommt mit mir. Ichijo, Ruka, Shiki, Rima ihr bringt die Schüler der Day Class in unsere Gästezimmer, damit sie sich ausruhen können. Kiryu du hilfst ihnen."
Ohne seinen Blick von mir abzuwenden gab der Reinblüter Anweisungen, die wortlos ausgeführt wurden, was bewies, dass er vollste Autorität genoss.
Dann stand er auf und rief Ruka zu sich. Sie war eine Night Class Schülerin mit toffeefarbenem Haar. Ich kannte sie vom Sehen her. Man konnte sie immer in der Nähe von Kaname sehen. Ich hatte bei ihr auch immer das Gefühl gehabt, dass sie mich nicht leiden konnte, obwohl wir nie miteinander gesprochen hatten.
„Bring Suri in mein Gemach. Pass auf, dass ihr nichts passiert", sagte Kaname und sah Ruka eindringlich an, was mir einen Schauer über den Rücken jagte.
Dann begriff ich, was er vor hatte, er wollte ohne mich zu Malin.
„Lass mich mitkommen. Ich kann sie da nicht so liegen lassen!", rief ich und erregte Kanames Aufmerksamkeit erneut.
„Ich möchte Euch in Sicherheit wissen. Lasst mich das regeln."
Noch bevor ich was sagen konnte, wusste ich bereits, dass er Recht hatte. Also schwieg ich.
Ich nickte kurz und gab mein Einverständnis.
Als er sich von mir abwenden wollte, griff ich nach seinem Ärmel. Kurz hielt er inne und sah mich an.
„Hör auf mich so königlich anzusprechen. Ich bin Suri. Einfach nur Suri."
Dann lief ich zu Ruka und wir verschwanden in der Menge.

Wortlos folgte ich Ruka, die mich zum Zimmer von Kaname brachte. Gedankenverloren wischte ich mir die Tränen aus den Augen.
Hoffentlich konnte Kaname Malin retten. Sie sollte nicht wegen eines Fehlers von mir sterben.
„Am Besten warte ich mit dir hier zusammen bis Kaname zurück ist", sagte Ruka, während sie die Tür zu Kanames Tür hinter mir schloss.
„Ich komm schon klar", antwortete ich und hoffte sie würde gehen.
In Rukas Gegenwart fühlte ich mich unwohl. Ich spürte eine Abneigung gegen mich.
„Nichts gegen dich, Möchtegern Prinzessin, aber ich bleibe lieber hier und passe auf dich auf, sowie es Kaname mir aufgetragen hat. Nicht, dass du auf komische Gedanken kommst und ich dafür bezahlen muss."
Verblüfft drehte ich mich zu ihr um.
Wie konnte sie nur so was sagen?
Dachte sie wirklich, ich würde mich zu Malin schleichen.
Was hatte sie gegen mich?
„Wir kennen uns nicht. Wieso sprichst du so mit mir?"
Wütend über Rukas Bemerkung drehte ich mich zum Fenster und versuchte durch den Regen etwas zu erkennen.
„Ständig begibst du dich in Gefahr und wenn er uns auftragen würde, dich zu schützen, würden wir alle kläglich versagen, weil du nur auf dich fixierst bist und deinen Dickschädel durchsetzen willst. Du ziehst schlimme Dinge an, wie die Motten das Licht. Außerdem bist du wirklich so schwer von Begriff? Hast du nicht bemerkt, dass du ihm etwas bedeutest?"
Als Ruka den letzten Teil laut aussprach, wurde mir warm ums Herz.
Natürlich war es mir aufgefallen, doch bisher hatte es noch niemand laut ausgesprochen. Mein Herz schlug schneller, als ich an Kaname Kuran dachte.
„Du Glückliche, dir fiel vermutlich alles im Leben zu", sagte Ruka hochnäsig.
Ich verdrehte die Augen. Wenn sie nur wüsste, was ich alles durchmachen musste.
„Klingt, als seist du eifersüchtig. Würdest du gern an meiner Stelle sein?"
Gereizt drehte ich mich zu ihr um.
Ruka starrte mich wütend an.
„Wie kannst du es nur wagen, mir so etwas zu unterstellen?! Ich bin viel älter als du. Wo bleibt der Respekt?"
„Nur wer Respekt gibt, kann Respekt erwarten", antwortete ich provozierend.
„Du kleine Göre. Ich kann absolut nicht verstehen, was Kaname an dir findet."
Ruka kam auf mich zu, sichtlich gereizt und wütend.
„Das liegt daran, dass er nichts als eine eifersüchtige runtergekommene Hülle sieht, die ihre Gefühle nicht unter Kontrolle bekommt."
Das brachte das Fass zum Überlaufen.
Ruka stand plötzlich in Sekundenschnelle vor mir und schubste mich mit voller Kraft gegen die Wand.
„Du vorlautes Miststück. Du kannst nichts, als Unsinn anstellen, du kennst keinen Respekt, keine Regeln und hast so was von keinen Anstand!", brüllte Ruka.
Schnell rappelte ich mich auf und strich mir die nassen Haare aus dem Gesicht.
„Wenigstens unternehme ich gegen meine Probleme etwas. Wer weiß wie lange du schon hinter Kaname hinterher rennst."
In dem Moment, als ich es aussprach, veränderte sich Rukas Gesicht und sie zeigte mir ihre bestialische Natur.
„Das macht dich auch nicht schöner!", entgegnete ich, doch genau in dem Moment packte sie mich und warf mich mit voller Wucht ins Bett, welches augenblicklich zusammenbrach.
Mein Körper tat weh. Ich musste husten und spürte, dass ich noch nicht wieder vollständig genesen war, denn der Aufprall zehrte mehr an meinen Kräften, als ich dachte.
Da hatte ich Ruka doch etwas unterschätzt. Sie war ziemlich stark.
Nach und nach befreite ich mich aus den Trümmern und wollte mich ihr entgegenstellen, als plötzlich die Tür aufging und ein blonder großer Mann den Raum betrat.
„Akatsuki?", rief Ruka.
„Was ist mit Malin?", fragte ich, ohne auf irgendjemanden zu reagieren.
Akatuski Kain, der Cousin von Hanabusa Aido, schüttelte betrübt den Kopf.
Sofort setzte mein Herz aus.
Ruka sah ihn fassungslos an.
Noch bevor jemand etwas sagen konnte, war ich schon längst weg, auf dem Weg zu Malin.
Konnte sie wirklich tot sein?
Hatte ich sie wirklich getötet oder war das alles nur ein nie enden wollender Albtraum?
Ich raste die Flure entlang zum großen Salon. Als ich um die Ecke bog, rutschte mir mein Herz in die Hose. Der Anblick war einfach nicht auszuhalten. Malin lag reglos auf dem Sofa und war leichenblass.
Ich schluckte und kam näher. Kaname kam mir entgegen, doch ich ignorierte ihn. Zero Kiryu und der Rektor, sowie der zwielichtige Lehrer mit der Augenklappe waren ebenfalls im Raum. Von allen Seiten kamen dann nach und nach die Night Class Schüler zusammen.
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein..", entfloh es mir.
Ich hörte keinen Herzschlag mehr.
Sie war tot.
Wut, Trauer, Einsamkeit, Schuld kamen abwechselnd in mir hoch. Ich wusste nicht, was ich fühlen oder denken sollte. Sie war mir ans Herz gewachsen. Tränen liefen über mein Gesicht, ich konnte meine Gefühle nicht mehr kontrollieren.
„Sie ist tot", sagte ich und drehte mich zu den Personen im Raum um.
„Ich habe Malin umgebracht.."
Ich spürte wie sich mein Vampir Sein an den Tag kämpfte. Meine Augen veränderten sich bestialisch und ich begann die Möbel um mich herum kaputt zu schlagen.
„Suri, beruhige dich", sprach eine Stimme.
Ich fuhr herum und Zero kam auf mich zu. Er wollte mir sanft seine Hand auf die Schulter legen, doch ich griff ihn und schubste ihn mit voller Wucht gegen die Wand, sodass Risse entstanden. Sofort sprang er auf und zückte seine Bloody Rose. Eine Pistole, die Vampire tötete. Sie wurde extra für sie geschaffen.
Jetzt trat Aido zwischen uns.
„Leute beruhigt euch!", versuchte er zu schlichten.
Doch ich packte ihn und zog ihn vor mich, sodass der Schuss, den Zero absetzte ihn anstatt mich traf. Schmerzerfüllt ging Aido zu Boden.
Ruka schrie auf und eilte ihm zu Hilfe, sowie Akatsuki und der Rektor.
Der Mann mit der Augenklappe zog sein Gewehr und zielte auf mich.
„Kaien, sagen Sie ein Wort und ich eliminiere sie", rief er.
Der Rektor sah mich eindringlich an.
„Schießen Sie schon!" schrie ich.
„Mein Leben hat keinen Wert, wenn ich Freunde töte.."
Tränen flossen und ich hatte das Bedürfnis zu schreien. Der Lehrer sah den Rektor und schließlich Kaname Kuran, welcher näher auf mich zu kam, an.
„Sie atmet", sagte Kaname schließlich und ich drehte mich überrascht zu Malin um.
Mein Blick blieb an ihrer Brust hängen, die sich gleichmäßig auf und ab bewegte. Trotz Schock beruhigte ich mich wieder und nahm ihre Hand.
„Wie ist das nur möglich?", fragte der Lehrer stirnrunzelnd.
Und schon brach eine Diskussion aus, während Aido verarztet wurde.
Mir war das egal, ich war lediglich froh, dass Malin am Leben war. Doch dann, mit einem Mal kam mir ein furchtbarer Gedanke.
Fassungslos stand ich auf und beobachtete die Blonde. Eine böse Ahnung machte sich in mir breit, bis sie plötzlich Sinn ergab.
„Ich habe sie verwandelt", sagte ich und erschrak.

Die Night Class starrte mich an.
„Du hast was?", fuhr mich Ruka an.
Der Rektor kam von Aido zu mir herüber und betrachtete Malin. Die Night Class redete auf mich ein und ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Plötzlich legte mir einer seine Hand auf die Schulter. Ich sah mich um. Es war Kaname Kuran.
„Suri, was ist passiert?"
Ich nickte und schluckte zugleich.
„Ich habe Malin vorhin mein Blut gegeben, weil ich dachte sie wäre verletzt. Es hat schon einmal funktioniert. Ich heilte damals unwissentlich Yuki vor einer tödlichen Verletzung. Dann, auf dem Dach rammte ich ihr aus Versehen ein Schwert in den Bauch. Als ich ihr dort erneut mein Blut geben wollte, hat es nicht funktioniert. Sie starb an der Verletzung, aber sie ist mit meinem Blut im Körper gestorben und durch meine Hand ums Leben gekommen. Ich habe sie verwandelt."
Ängstlich sah ich zu Kaname, dem die Situation nicht gefiel.
„Wir müssen das Mädchen eliminieren", sagte der Lehrer mit der Augenklappe.
Meine Augen weiteten sich.
„Rektor, Mr. Yagari hat Recht. Sie wird sowieso eines Tages zu einem Level E Vampir degenerieren" ertönte eine andere Stimme, die ich nicht kannte.
Mein Herz schlug wie bescheuert, als mein Blick auf Malin ruhte.
„Sie wird uns alle noch outen", kam es aus einer anderen Ecke.
„Kaname Kuran, was denkst du? Sollen wir ihr ein schnelles Ende bereiten?"
Ohne meinen Kopf zu bewegen, sah ich zur Seite. Zero war näher zu Malin gekommen, um zu sehen, ob sie wirklich atmete. Seine Pistole hing in seinem Griff.
„Rektor, ich glaube auch, dass es besser wäre.."
Noch bevor derjenige seinen Satz beenden konnte, fuhr ich zur Seite, schnappte mir Zeros Bloody Rose und richtete sie auf den Vampir, der gerade sprach.
Mit einem Klick entsicherte ich sie und drückte ab.
Doch genau in dem Moment wurde mein Arm zur Seite geschlagen, sodass ich die Wand traf. Wütend sah ich meinem Peiniger in die lavendelfarbenen Augen.
„Lass mich los!", rief ich, als Zero meinen Arm griff.
„Keiner von diesen Leuten kann entscheiden, was mit Malin geschehen wird", sagte er und versuchte mich zu beruhigen.
Ich sah zu den Vampiren, welche ziemlich verschreckt wirkten.
„Suri, Zero hat Recht. Ich bin immer noch der Rektor hier und niemand wird hier einfach umgebracht."
Mein Blick wanderte zum Rektor, welcher sich seine Brille zurecht rückte.
„Bringt Malin bitte in ein Zimmer, sodass sie etwas Ruhe bekommt. Hier ist zu viel Wirbel los."
Sofort trat Takuma Ichijo nach vorn und strich der Blonden liebevoll die Haare aus dem Gesicht. Dann nahm er sie vorsichtig hoch und trug sie fort. Andere Night Class Schüler folgten. Rima und Shiki, sowie Ruka und Akatsuki stützten Aido. Sie brachten ihn ebenfalls in sein Zimmer, wo er sich ausruhen sollte.
Aufgeregt blickte ich ihnen nach.
„Suri, ich bin auch der Meinung, dass du dich ein wenig ausruhen solltest. Das war alles ganz schön viel für einen Tag."
Die Stimme des Rektors drang zu mir durch und wirkte erstaunlich beruhigend. Energisch riss mir Zero seine Waffe aus der Hand und warf mir einen wütenden Blick zu.
Etwas reumütig, weil ich Aido als Schutzschild benutzte und fast einen Night Class Schüler erschoss, sah ich zu den übrig gebliebenen Personen im Raum.
Zero, der Rektor, der Lehrer und Kaname Kuran waren noch da und blickten mich an.
„Vielleicht sollte ich wirklich etwas schlafen", sagte ich und seufzte.
Da niemand antwortete, lief ich los. Kurz bevor ich Kaname passierte, hielt er meine Schulter fest.
„Ich begleite dich."
Stumm liefen wir beide nebeneinander her. Ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte. Ein Dank wäre angebracht, weil er alles Mögliche getan hatte, um meine Freundin zu retten. Leider kam er zu spät, aber das war nicht seine Schuld. Immer wieder blieben meine Gedanken bei Malin hängen.
Wir blieben vor einer Tür stehen, die nicht zu Kanames Zimmer führte. Es schien ein Gästezimmer zu sein, was mich absolut nicht störte. Vermutlich wollte er, dass ich meine Ruhe hatte.
„Danke", sagte ich seufzend.
„Du musst mir nicht danken, schließlich ist deine Freundin gestorben."
Ich lächelte.
„Du hast dich trotzdem sofort um mein Problem gekümmert."
Mit diesen Worten ging ich ins Zimmer und schloss die Tür.

Gedankenverloren trat ich aus der Dusche und versuchte mich abzutrocknen. Es fiel mir schwer, denn durch den Schuss der Bloody Rose, erlitt ich furchtbare Schmerzen, die sich wie Elektroschläge anfühlten. Die Bloody Rose war feindlich gegenüber Vampiren gesonnen und so verletzte sie diese ebenfalls, falls sie von einem verwendet wurde.
Was ich nicht wusste war, dass Zeros Waffe meine Hand so extrem lahm legte, dass ich sie nicht benutzen konnte. Meine Hand tat unglaublich weh. Es fiel mir schwer das Handtuch ordentlich um mich zu wickeln, als es plötzlich an der Tür klopfte.
So schnell ich konnte, tapste ich zur Tür.
Mit dem Arm, der weh tat hielt ich provisorisch das Handtuch und mit dem anderen öffnete ich die Tür.
„Zero? Was machst du denn hier?"
Plötzlich zitterte mein Arm und das Handtuch fiel zu Boden.   

Vampire Knight - SuriWo Geschichten leben. Entdecke jetzt