Ein lieblicher Geruch lag in der Luft. Er verführte mich. Ich wusste ganz genau, dass es sich bei diesem angenehmen Duft um Blut handelte. Stöhnend setzte ich mich auf.
Wo war ich und was war passiert?
Mein Kopf dröhnte und ich massierte mir gereizt die Schläfen. Als ich mich dann umsah, fiel mir alles wieder ein.
Ridos Massenmord an den Mädchen, unser Kampf, sein Verschwinden und die gewaltige Macht in mir. Mal abgesehen von meinem anderen Ich in Form eines kleinen Mädchens, welches genauso aussah wie ich in dem Alter. Das ganze Blut machte es mir auch nicht leichter klar zu denken. Vorsichtig stand ich auf und begutachtete die Halle. Abscheulich, über all und in jeder Ecke lagen ermordete Mädchen. Wunderschöne Mädchen mit verzerrten Gesichtern.
Sie wurden wie Dreck behandelt.
Kurz blieb ich an einem rothaarigen Mädchen stehen. Ich kniete mich hin und strich ihr sanft über die Wange. Mein Blickt verhakte sich an ihrem Hals und der nie mehr schlagenden Halsschlagader. Ich beobachtete sie und als ich mich abwenden wollte, sah ich wie sich die Ader bewegte.
Sie hatte Puls, schoss es mir durch den Kopf.
Schnell befreite ich sie von zwei anderen Leichen, welche halb über ihr lagen und lehnte sie gegen eine Wand. Vorsichtig prüfte ich ihren Hals und ich hatte mich wirklich nicht versehen.
Sie lebte.
Langsam hob ich ihren Kopf und konnte auf der anderen Seite des Halses eine Bisswunde erkennen.
Sie war tief und klaffend, aber Rido hatte sie nicht getötet. Vermutlich war Rido nicht ganz gründlich bei der Ermordung der Mädchen gewesen.
Als sie stöhnte, presste ich meine Hand an ihre Wunde und versuchte die Blutung zu stoppen.
Doch ich wusste, dass Rido ihre Halsschlagader schlimm verletzt hatte und sie jetzt in wenigen Augenblicken verbluten würde.
Was sollte ich tun?
Sollte ich ihr den Gnadenstoß geben?
In meinem Inneren meldete sich plötzlich mein Bewusstsein und fand diese Idee sehr gut. Das war der schnellste Weg. Sie würde nicht mehr leiden müssen.
Aber das konnte ich doch nicht machen. Ich wollte nie ein Monster sein, ich wollte mich immer für die Unschuldigen einsetzten.
Ich blickte auf meine Hand, welche mittlerweile mit fremden Blut getränkt war.
Irgendetwas musste geschehen!
Dann kam der Geistesblitz, den ich brauchte.
Als Yuki schwer verletzt war, konnte mein Blut sie heilen, binnen weniger Sekunden.
Sofort biss ich in mein Handgelenk und drückte es dem Mädchen in den Mund.
Sie schluckte ein bisschen Blut. Es war nicht viel, aber ich hoffte so sehr, dass es wirkte.
Es dauerte nicht lange, da wuchs ihre Bissspur zusammen und sie konnte wieder normal Luft holen.
Zwar schnappte sie regelrecht nach der Luft, aber sie überlebte.
„Wo bin ..ich?" wimmerte sie und hielt sich die Stelle am Hals, welche eben verheilte.
Ich versuchte beruhigend zu wirken.
„Es wird alles gut, ich bringe dich hier weg."
Als ich aufstand und so die Sicht auf den Massenmord frei gab, fing die Rothaarige an zu schreien und zu kreischen.
„Jetzt fällt mir wieder alles ein" schrie sie und zog ihre Beine an den Körper. Schnell wand ich mich ihr wieder zu.
„Was ist passiert?" fragte ich sie und blickte ihr tief in die blauen Augen.
„Da war ein Mann. Er ... er wirkte so geheimnisvoll und dann hat er mich in eine dunkle Ecke geführt und ... und ganz plötzlich seine Zähne tief in meinem Hals vergraben. Als ich wach wurde, befand ich mich an diesem Ort und sah die ganzen toten Mädchen" schluchzte sie und ihr liefen die Tränen übers Gesicht.
Wozu brauchte Rido soviel Blut?
Blut verhilft einem Vampir stärker zu werden. Stärke brauchte man für einen Krieg, ging es mir durch den Kopf.
Bereitete sich Rido etwa auf einen Krieg vor?
Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und ich versuchte schnell den Gedanken daran zu verdrängen.
Ein paar Tage waren vergangen, nachdem ich das Mädchen gerettet hatte. Nach der Rettung gab ich das Mädchen in Aidans Obhut und überredete ihn, eine Möglichkeit zu finden, ihr das Gedächtnis zu erleichtern, damit sie sich nicht mehr an die Geschehnisse erinnern musste und ihr so keine Gefahr drohen konnte. Die Schule hatte vor drei Tagen ihren Start für die Wintermonate gegeben und so waren alle Schüler wieder in der Academy versammelt.
Um einen klaren Kopf zu bekommen, stieg ich aufs Schuldach und genoss die kühle Luft. Ich wartete auf Aidan, welchen ich kurz zuvor gerufen hatte.
„Hey Suri, alles in Ordnung?" ertönte seine ruhige, aber dennoch freudige Stimme.
„Aidan, mich beschäftigt etwas, was ich dir nicht erzählt habe."
Ich konnte spüren, dass sich sein Gesicht voller Sorgen verzog. Er setzte sich neben mich und blickte wie ich geradeaus in den dunklen Wald.
„Ich habe dir doch von meinem Kampf mit Rido erzählt und der gewaltigen Kraft, die ich entfesseln konnte. Von meinem inneren Ich, welches an meiner Stelle gegen Rido kämpfte, als ich es nicht mehr konnte und von unserer Verschmelzung anschließend. Nicht wahr?"
Ich blickte zu ihm und Aidans Miene veränderte sich nicht.
„Ja" sagte er kurz.
Ein Windhauch fuhr durch unsere Kleidung und Haare.
„Als ich wieder mit mir verschmolzen bin, erlitt ich einen so grausamen und schrecklichen Schmerz. Ich habe jeden Moment geglaubt ich sterbe oder werde in Stücke gerissen. Meine Knochen scheuerten und begannen zu brechen. So fühlte es sich zumindest an."
Aidan nickte und sah nun angestrengt drein.
„Doch bevor sich mein Körper entzweite oder auflöste oder seinen Geist aufgab, konnte ich eine Gestalt sehen, welche mich berührte und in Sekundenschnelle den Schmerz in sich aufsaugte. Mir bereitet das ziemlich große Sorgen."
Nachdenklich sah mich Aidan an. Als sich unsere Blicke trafen, war ich mit einem Mal so froh, jemanden an meiner Seite zu haben, dem ich vertraute. Jemand, der bis jetzt immer für mich da war. Und das obwohl Aidan und ich uns noch gar nicht lange kannten.
„War es ein Mann oder eine Frau?"
Was?
Ich runzelte die Stirn.
„Naja, die Gestalt. War das ein Mann oder eine Frau?" fragte er mich.
„Ich weiß nicht. Ich glaube eher ein Mann. Er berührte mich am Hals und der Schmerz war einfach weg. Ich bin mir nicht sicher, aber ich meine kurze blaue Haare wahrgenommen zu haben."
Angestrengt versuchte ich mich auf die jüngsten Ereignisse zu konzentrieren. Kurz schluckte ich und hoffte Aidan würde das nicht einfach als Halluzination abstempeln.
„Ich werde in der Bibliothek nachforschen und sehen, ob ich etwas herausfinden kann."
Aidan stand auf und rollte sein Magazin zusammen.
„Außerdem muss ich mal nach Ira sehen. Sie ist jetzt schon eine ganze Weile alleine."
Ich nickte ihm zu und er verschwand. Gedankenverloren beobachtete ich den Schulhof. Aidan hatte sich in Ira verguckt, auch wenn er es abstritt. Seit ich sie gerettet hatte, behütete und pflegte er sie. Da sie Rido Kurans Biss überlebt hatte, befand sie sich nun in der Verwandlungsphase zum Vampir. Aidan unterstützte sie wo er nur konnte.
Eine kühle Abendbrise umspielte mich und fuhr durch meine Uniform. In letzter Zeit war soviel passiert. Ich wusste gar nicht, um was ich mich zuerst kümmern sollte. Mein Blick fiel auf das Haus Mond, welches in die letzten Herbststrahlen getaucht wurde.
Eine Verlobung mit Kaname Kuran.
Ich und ein Reinblüter.
Meine Familien ermordet.
Schlimmer konnte es doch nicht mehr kommen. Noch bevor ich mich intensiver mit meinen Gefühlen beschäftigen konnte, spürte ich einen Luftzug direkt hinter mir. Jemand versuchte sich heranzuschleichen. Sofort fuhr ich herum und wollte ihm meine Hand um den Hals legen und denjenigen in den Würgegriff nehmen. Doch bevor ich dies in die Tat umsetzen konnte, wurde meine Hand durch den Arm von meinem Gegenüber abgewehrt.
„Ich kenne dich!" rief ich und tatsächlich, die Kapuzengestalt hatte mich auf dem Schulausflug von einem Dach aus beobachtet. Ich erkannte ihre langen blonden Haare.
„Ich soll Euch dies hier überreichen."
Aufgeregt betrachtete ich die recht große Schachtel, welche mir die Gestalt überreichen wollte.
Ich wusste nicht was ich davon halten sollte. Widerwillig griff ich danach und so leise und schnell, wie die Gestalt aufgetaucht war, verschwand sie wieder. Angespannt hielt ich diese Schachtel in meinen Händen. Hin und hergerissen, ob ich sie aufmachen oder einfach wegschmeißen sollte.
Aber meine Neugier siegte. Ich öffnete den Karton. Stirnrunzelnd nahm ich die Papierrolle mit rotem Band raus. Darunter verbarg sich ein .... ein Kleid.
Verdutzt löste ich das Band, um den Inhalt der Rolle lesen zu können.
Hochverehrte Suri Raave,
der Senat lädt Euch zum jährlichen Blutmondball ein. Bitte kleidet Euch angemessen. Diese Veranstaltung ist verpflichtend. Die Teilnahme ist Gesetz. Nicht eingehaltene Regeln werden mit einer Strafe versehen.
Da Ihre Teilnahme zum ersten Mal eingefordert wird, hat sich der Senat bereiterklärt Euch die Abendgarderobe zu stellen.
Mit dem größten Respekt
Senat der Vampirgesellschaft
Die Einladung haute mich glatt aus den Socken. Das konnte ich nicht glauben.
Warum bekam ich dieses Schreiben?
Sie mussten Wind davon bekommen haben, dass ich eine Reinblütige war.
Was mich aber noch mehr verwunderte, dass der Senat mich zum Blutmondball einlud, dieser allerdings verpflichtend für mich war.
Was war dieser Ball eigentlich?
Ich hatte noch nie von ihm gehört.
Wieder fuhr eine leichte Brise durch meine Kleidung. Noch einmal las ich den Brief des Senats. Dann blickte ich von den Zeilen hoch. Die ganze Schule versammelte sich auf dem Schulhof, um eine kurzfristige Ansprache des Rektors zu hören. Zu dieser Zeit hatten die Guardians alle Hände voll zu tun, da auch die Night Class anwesend sein würde.
Schnell machte ich mich auf den Weg zu Romilda und den anderen.
„Da bist du ja Suri!" rief Malin.
„Fast hättest du die Eliteschüler verpasst" sagte Jara.
Innerlich verdrehte ich die Augen. Meine Abneigung gegen Vampire hatte sich nicht verändert.
Als sich die Tore des Hauses Monds öffneten, fingen die Mädchen an lauthals zu schwärmen.
Er war auch unter ihnen.
Gepflegt in seiner weißen Uniform trat er der Day Class gegenüber.
Komischerweise hatte ich nur Augen für ihn.
Innerlich rügte ich mich dafür.
„Liebe Schüler und Schülerinnen, wir haben uns hier versammelt, um euch allesamt zu warnen."
Wir blickten uns einander an und auch andere Schüler begannen miteinander zu tuscheln.
„Ein gigantisches Unwetter wird uns in kürzester Zeit erreichen. Wenn dies geschieht, dann darf sich kein einziger mehr von euch draußen befinden. Es wäre zu gefährlich. Das Unwetter soll angeblich so stark sein, dass es Bäume mit Leichtigkeit fällt. Man sei nur in steinernen Gebäuden in Sicherheit. Bitte begebt euch umgehend in die Wohnheime. Bleibt ruhig. Falls es jemand noch nicht gemerkt hat, die letzten Tage waren alle bezogen und der Wind wurde immer stärker. Also macht schnell. Das Unwetter kann jede Minute über uns einbrechen."
Angst machte sich in der Menge breit. Der Rektor hatte recht. Die letzten Tage waren alle extrem windig gewesen. Plötzlich knackte es und ein Baum fiel lauthals um. Sofort brach Panik in der Menge aus. Vor allem die Day Class Schüler rannten auseinander und nahmen keine Rücksicht auf ihre Mitmenschen. Yuki und Zero versuchten die Menge zu beruhigen und sie in ihre Wohnheime zu begleiten.
„Schnell Suki, wir müssen hier verschwinden!" rief Malin und riss mich hinter sich her.
Aus meinen Gedanken gerissen, versuchte ich mit ihr Schritt zu halten. Dann plötzlich gefror mir das Blut in den Adern. Ein Baum, genau vor uns, fiel um und im letzten Moment riss ich Malin zurück. Ein leichtes Erschüttern der Erde ließ Malin in Tränen ausbrechen.
„Hey, alles gut" versuchte ich sie zu beruhigen.
Panisch drehte ich mich nach Hilfe um, denn sie war auf dem Boden zusammengebrochen. Sie saß auf dem Boden und weinte vor Angst.
„Malin, wir müssen hier weg. Komm schon" versuchte ich sie zu ermuntern.
Mittlerweile hatte der Regen eingesetzt. Es prasselte Hagelkörner. Der Wind nahm zu und wurde jedes Mal stärker.
„Los, hilf mir mal!" ertönte plötzlich eine Stimme hinter mir.
Ich fuhr herum und der Guardian stand vor mir, völlig durchnässt.
„Zero, sie hat einen Schock. Ein Baum hätte sie fast erwischt."
Er nickte und ich half ihm dabei Malin in seine Arme zu hieven. Dann lief er los. Durch den Regen konnte ich gerade so meine Hand vor Augen sehen.
Ein gigantischer Blitz huschte übers Himmelzelt, gefolgt von ohrenbetäubendem Donner. Er war so laut, dass sogar ich mir die Ohren zuhalten musste.
Dann mit einem Mal kamen wir an einem Gebäude an. Ich konnte die Silhouette vom Rektor erkennen und andere, diese jedoch nicht zuordnen.
Irgendjemand legte mir einen Mantel über und zog mich zu sich ran in Sicherheit. Ich hörte den Rektor mit irgendwelchen Leuten reden, doch konnte ich nichts verstehen. Etwas benommen klammerte ich mich an die Person.
Alles Unglück kam natürlich mit einmal, denn das Blut von Rido wirkte plötzlich nicht mehr. Ich brauchte Nachschub. Mein Körper fing an schlapp zu werden und verlor seine Kräfte. Benommen hielt ich meine Stirn und versuchte mich zusammenzureißen. Mein Griff um den Körper des anderen wurde fester und ich hatte das Gefühl Blut erbrechen zu müssen. Mit aller Kraft kämpfte ich dagegen an.
Dann ließen meine Beine nach. Ich konnte nicht mal mehr richtig stehen. Im letzten Moment nahm mich jemand hoch und drückte mich an seinen Körper.
Verschwommen sah ich sein Gesicht.
Ich schloss meine Augen und fühlte mich zum ersten Mal sicher, auch wenn ich gerade mit heftigen körperlichen Problemen kämpfte.
Der Rektor sagte etwas zum Reinblüter, was ich nicht verstand. Kaname Kuran antwortete darauf, dass er sich darum kümmern würde.
Dann berührte er behutsam meine Stirn und ich spürte eine Energiewelle, welche mich augenblicklich in einen tiefen Schlaf fallen ließ.
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Vampire Knight - Suri
VampireSuri, eine hübsche blond gelockte und junge Day Class Schülerin kommt neu an die Academy. Eigentlich sollten Day Class Schüler nicht das geringste über Vampire wissen. Doch Suri weiß Bescheid. Sie hasst Vampire über alles. Sie hasst sich selber! Den...