Ein lauter Donner ließ mich hochschrecken. Geschafft von den letzten Wochen rieb ich mir die Augen. Es war lange her, dass ich richtig geschlafen hatte, zumal ich mich dem Rhythmus der Menschen anpassen musste, wenn ich als einer der ihren durchgehen wollte.
Wo war ich?
Ich sah mich um. Das kam mir alles überhaupt nicht bekannt vor.
Hatte Zero uns etwa nicht ins Haus Sonne geführt?
Es wirkte alles so nobel und doch ehrfürchtig. Als würden die Möbel aus vergangen Jahrzehnten stammen. Dann machte es klick. Ich befand mich im Haus Mond.
Ich stand aus dem großen Himmelbett auf und taumelte zur Tür. Als ich sie öffnete, erschrak ich kurz, denn es stand jemand vor ihr.
Kaname Kuran.
Ich war viel zu durcheinander, um etwas zu sagen, also schwieg ich. Unsere Blicke trafen sich und einige Sekunden verstrichen.
„Ihr seid zu schwach. Legt Euch wieder ins Bett," sprach er und unterbrach damit den innigen Moment.
Was?
Zu schwach?
Bevor ich ihm Gehorsam schenken wollte, fiel mir Malin wieder ein.
Was war mit ihr geschehen?
Wir befanden uns hier im Haus Mond.
Was, wenn ihr etwas passiert war?
Schließlich waren wir unter Blutsaugern.
„Malin. Was ist mit ihr?" fragte ich den Reinblüter ohne auf seine Aussage einzugehen.
„Mit ihr ist alles in Ordnung. Sie ist bei den anderen Schülern der Day Class, die hier untergebracht sind."
„Ich will sie sehen. Umgehend!" rief ich etwas lauter und rieb mir dabei die Schläfen.
Das Kuran Oberhaupt drehte sich um und lief voran, was mir zu verstehen gab, dass ich ihm folgen sollte.
Wir liefen durch verwinkelte Gänge, bis wir in einen großen Gemeinschaftssaal kamen. Hier tummelten sich Day und auch Night Class Schüler. Einigen wurde gerade ein Verband um gewickelt. Einige schliefen auf den vielen Sofas. Komischerweise beherrschten sich die Day Class Schüler, obwohl sie den Eliteschülern näher denn je waren.
Der Rektor sprach mit Zero und einer anderen Lehrkraft, die ich noch nie gesehen hatte. Vermutlich unterrichtete sie die Night Class Schüler. Er trug eine Augenklappe und wirkte eher etwas unordentlich. Dann fiel es mir wieder ein. Diesen Mann hatte ich bereits schon einmal gesehen. In der Hunter Vereinigung.
War er also ein Hunter, der die Vampire unterrichtete?
Ob das wohl immer so gut ging?
Dann sah ich Malin, die auf einem Sessel zusammengekauert saß. Schnell eilte ich zur ihr hin.
„Malin!"
„Alles in Ordnung bei dir?" fragte ich und hockte mich vor ihr hin.
Das zarte Mädchen sah mich mit glasigen Augen an. Ihre dunkelblonden Haare waren immer noch nass vom Hagelregen. Ich sah, dass sie fror. Schnell zog ich den Mantel, den ich von Kaname Kuran bekam, aus und legte ihn ihr über die Schultern.
„Malin. Was ist los mit dir? Bist du verletzt?" sprach ich weiter, in der Hoffnung sie würde mir antworten.
Da sie mich nur anstarrte, drehte ich mich um und suchte nach Zero. Er war der Letzte, der mit Malin in Kontakt stand. Der Silberhaarige stand immer noch beim Rektor, zu dem sich mittlerweile auch der Reinblüter gesellt hatte.
Schnell hastete ich zum Guardian rüber und zog ihn an seinem Ärmel zu mir.
„Was ist mit ihr los, Zero?" fauchte ich ihn regelrecht an.
Zero sah überrascht zu Malin, dann wieder zu mir.
„Ich weiß es nicht. Seit ich sie hierher gebracht habe, sagte sie kein einziges Wort mehr zu irgendjemandem."
Verzweifelt drehte ich mich zu meiner Freundin um.
Malin, was ist nur los mit dir?
Zero befreite sich aus meinem Griff und ich lief zurück zur Blonden.
Sanft streichelte ich ihre Hand und sah sie an.
Malin starrte ausdruckslos auf den Boden und regte sich kein Stück.
„Malin, ich mache mir wirklich Sorgen. Was hast du?"
Plötzlich fiel mir wieder ein, dass ich vor einiger Zeit mal Yuki mit meinem Blut geheilt hatte. Vielleicht war sie verletzt worden, als der Sturm losbrach.
Ihr Gesicht war blass und trüb. Sie wirkte geschockt und ängstlich. Ich biss in mein Handgelenk und führte ihren Mund zu meinem Blut.
Komm schon Malin, ich will dir helfen, geisterte es durch meinen Kopf.
Vorsichtig strich ihre Haare aus dem Gesicht und plötzlich spürte ich, was ich noch nie gespürt hatte. Es fühlte sich an, als könnte ich in Malins Gedanken eindringen. Ich schloss meine Augen und öffnete meinen Geist.
Ich konnte Malin und mich sehen, wie wir uns vor dem Unwetter in Sicherheit bringen wollten. Dann stürzte der Baum ein und ich zog Malin weg. Kurz davor allerdings tauchte eine dunkle Gestalt im Hintergrund auf, die ich nicht gesehen hatte. Diese Person und Malin hatten kurz Sichtkontakt. Ich konnte nur schwer erkennen, um wen es sich handelte. Ich strengte mich an und als ein Blitz übers Himmelszelt jagte, wusste ich vor wem Malin solche Angst hatte.
Schweiß brannte auf meiner Stirn. Aus meinem Gesicht war jegliches Leben gewichen.
Rido?!
Was wollte er von Malin?
Wütend ballte ich meine Hand zu einer Faust.
Wenn er ihr etwas antun würde, würde ich ihn töten.
Plötzlich meldete sich eine ganz andere Seite in mir.
Was, wenn er das schon getan hatte?
Schnell sah ich wieder zur verängstigten Malin.
Was, wenn es schon begonnen hatte..
Vorsichtig griff ich Malins Gesicht und betrachtete es genauer. In der Verwandlundgsphase zum Vampir konnte man manchmal Anzeichen erkennen. Aber hauptsächlich suchte ich ihren Hals nach Bissspuren ab.
Als ich nichts fand, beruhigte sich mein Herz wieder und ich atmete erleichtert auf. Ich hätte mir nicht vorstellen können, was geschehen wäre, wäre Malin ebenfalls zu einem Vampir geworden.
Aber was wollte Rido von Malin?
Oder wollte er etwas von mir?
Blut, schoss es mir durch den Kopf. Er war bestimmt wieder hinter meinem Blut her.
Angestrengt rieb ich meine Augen. Es war alles so verwirrend und wirkte so unreal.
„Suri..." vernahm ich Malins Stimme.
Sofort galt meine ganze Aufmerksamkeit wieder ihr. Sie wirkte schwach und am Ende. Irgendetwas musste passiert sein.
Da sie nicht mehr Worte aus sich heraus brachte, beschloss ich sie ins Zimmer mit dem großen Himmelbett zu bringen. Vorsichtig half ich ihr beim Aufstehen und wir machten uns auf den Weg. Als ich das Zimmer tatsächlich wiederfand, legte ich Malin ins Bett und hoffte, dass ihr ein bisschen Schlaf gut tun würde. Kurz bevor ich das Zimmer verlassen wollte, sah ich eine Gestalt aus dem Augenwinkel. Mit einem Ruck drehte ich mich um und lag mit meiner Vermutung absolut richtig.
Er hatte sich ins Haus Mond eingeschlichen.
Rido Kuran.
„Was willst du von ihr? Verschwinde von hier!"
Der Reinblüter lächelte gehässig und betrachte mich mit einer gewissen Faszination.
„Ich bin hier, um mir mehr Blut einzufordern."
Wütend starrte ich ihn an.
„Dir ist sicher ebenfalls aufgefallen, dass mein Blut langsam seine Wirkung verliert."
Er hatte recht. Ich spürte es regelrecht, dass ich die Kontrolle über meinen Körper langsam verlor. Aber ich wollte nicht von Rido Kuran abhängig sein.
„Du willst mein Blut nur, weil ich ebenfalls ein Reinblüter bin," entgegnete ich ihm fest.
Rido lächelte weiter und das machte mich wütend, sodass ich kurzerhand beschloss mich seinem Pakt zu entziehen.
„Aber ab heute wirst du es nicht mehr bekommen. Das Blut macht dich stärker und ich verweigere dir diesen Zugang zur Macht."
Schlagartig veränderte Rido seine Miene.
„Du entscheidest hier absolut nichts!" donnerte seine Stimme.
„Und ob ich das mache. Es ist mein Körper und mein Blut," rief ich und fühlte mich stärker, als zuvor.
Sein Gesicht hatte sich bestialisch verändert. Er sah aus wie ein Raubtier. Seine Augen glühten und ich spürte, dass es gleich zu einer Auseinandersetzung kam.
In Sekundenschnelle stand er vor mir und jagte mir damit einen Schrecken ein. Ich zuckte und spürte Angst in mir aufkommen.
Doch bevor er mir etwas antat, verschwand er einfach. Schnell drehte ich mich im Raum um und sah ihn bei Malin stehen.
„NEIN!" schrie ich so laut ich nur konnte.
Mein Herz klopfte und mein Puls raste.
„Hör auf!Ich mache es!" rief ich und hoffte Rido würde sein Vorhaben stoppen, was er auch tat.
„Du wirst mir also weiterhin dein Blut geben?"
Ich nickte.
„Ich kann dich nicht hören!" rief Rido und präsentierte seine Reißzähne an Malins Hals.
„JA!" schrie ich und machte ein paar Schritte auf ihn zu.
„Ja, nur lass meine Freundin in Frieden!"
Rido lächelte gehässig.
Wütend kam ich näher.
„Was hast du ihr eigentlich angetan? Sie hat dich draußen im Wald gesehen, als das Unwetter losbrach. Das hat sie mir gezeigt. Woher kennt sie dich?"
Diese Fragen brannten mir auf der Seele.
Ridos Gesicht wurde wieder menschlich und er strich der schlafenden Malin über den Hals.
„Sie hat dir ihren Geist geöffnet?" fragte er mich und ich blickte ihn verwundert an.
„Sie hat mich in ihren Kopf gelassen."
„Erstaunlich..." murmelte Rido fast unhörbar und ich runzelte die Stirn.
„Was ist daran so unglaublich?" fragte ich ihn und hoffte, er würde mich nicht anlügen.
„Du bist absolut etwas Besonderes! Ein Grund mehr, dich nicht zu töten!"
Verwirrt sah ich zum Reinblüter.
Was meinte er damit?
Erst vor kurzer Zeit, hatte er versucht mich zu töten.
Ruhig und gelassen kam er auf mich zu, ohne mich aus den Augen zu lassen. Mir wurde etwas unbehaglich dabei.
Abscheu regte sich in mir.
„Es gibt bis jetzt nur einen mir bekannten Vampir, der es geschafft hat, in die Köpfe anderer zu gelangen. Du bist die Zweite, die ich in meinem langen Leben, getroffen habe."
Ich runzelte angestrengt die Stirn.
War das wirklich die Wahrheit?
„Du bist etwas besonderes. Dein Blut ist es ebenfalls..."
Rido betrachtete eindringlich meinen Hals.
Dann wusste ich, warum er mein Blut wollte. Es erlaubte ihm die gleichen Kräfte, wie ich zu entwickeln. Allerdings nur, wenn er es regelmäßig trank.
Das war meine Chance. Ich musste ihn von Malin ablenken. Am besten ich lockte ihn ganz aus dem Haus Mond. Dann würde er ein bisschen von meinem Blut bekommen und verschwinden, ohne dass ihm noch einfällt, jemanden umzubringen.
Blitzschnell drehte ich mich um und rannte was das Zeug hielt. Wenn mein Plan aufgehen sollte, musste ich mir überlegen wie ich Rido ausschalten konnte, denn er durfte nicht mehr mein Blut bekommen. Das würde ihn irgendwann unbesiegbar machen.
Ich konnte spüren, dass er mir folgte. Drehte ich mich allerdings zu ihm um, konnte ich niemanden sehen. Doch er war da.
Ich bog um die Ecke und plötzlich ging es nicht mehr weiter. Am Ende des Korridors war eine Sackgasse.
Was nun?
Meine Blicke gingen in alle Richtungen.
Das Treppenhaus. Es führte aufs Dach hinauf.
Sollte ich es wirklich wagen nach draußen zu gehen bei diesem Unwetter?
Und dann bog ich ab, hastete die Treppen hoch und riss unter Adrenalin die schwere Tür zum Dach auf.
Draußen wütete der Orkan. Das Gewitter ließ Blitze über Blitze auf die Erde nieder. Kalter Regen peitschte mir ins Gesicht. Ich brauchte eine Sekunde, um mich zu orientieren. Es war so stürmisch, dass ich befürchtete, dass der Wind mich mit sich trug, wenn ich nicht dagegen ankämpfte.
„Du kannst nicht vor mir fliehen, kleine Lady," ertönte Ridos Stimme und ich fuhr herum.
„Durch den Rest deines Blutes in mir, kann ich dich immer spüren. Egal wo du hingehst, dein Blut verrät es mir."
Mutig stellte ich mich dem Monster.
„Ich fliehe nicht vor dir."
Der Reinblüter kam näher und lächelte gehässig.
Mittlerweile war ich bis auf die Knochen durchgeweicht. Der Regen wurde immer stärker und ich kniff meine Augen noch mehr zusammen. Ich sah nur noch die grobe Silhouette von Rido.
Eigentlich hatte ich beschlossen ihm freiwillig mein Blut zu geben, doch auch ich sah, dass Rido mit dem Wetter zu kämpfen hatte. In dem Moment entschied ich, mich gegen den Reinblüter zu stellen. Rido kam noch näher, getränkt von dem Willen, mein Blut zu stehlen. Sofort drehte ich mich von ihm weg.
Ich schloss meine Augen und hoffte, dass ich auf meine innere Kraft zugreifen konnte. Beim letzten Mal war es mir gelungen ein Schwert zu formen. Konzentration war meine stärkste Waffe. Und siehe da, ich spürte plötzlich die Energie. Ich formte ein Schwert und fuhr ruckartig herum. Rido stand so nahe bei mir, dass er keine Chance mehr hatte auszuweichen. Mit einem festen Griff, durchbohrte ich ihn.
Die Gestalt ging schwer verletzt zu Boden. Ich ließ das Schwert los und es löste sich auf, bevor es auf dem Boden aufkam.
Ich hatte es geschafft.
Ich hatte den Reinblüter tödlich verletzt.
Er würde sterben.
Mit einem freudigen Gefühl ging ich zu Rido herüber und sah genüsslich mit an, wie er sich auf dem Boden wälzte.
Dann plötzlich, als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass die Person vor mir gar nicht Rido war, sondern jemand mit blonden Haaren. Doch der Sturm und der Regen beschränkten meine Sicht.
„Suri...Warum.."
Eine Stimme ließ mein Herz für einen Moment aussetzen.
Ich kannte sie.
Ein böser Gedanke kam mir und ich hoffte er würde sich nicht bewahrheiten. Aufgeregt wagte ich einen Blick zu der Person auf dem Boden.
Mein Herz verkrampfte sich und drohte aus der Brust zu springen. Ein Schrei blieb in meiner Kehle stecken.
„Malin..."

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Vampire Knight - Suri
VampireSuri, eine hübsche blond gelockte und junge Day Class Schülerin kommt neu an die Academy. Eigentlich sollten Day Class Schüler nicht das geringste über Vampire wissen. Doch Suri weiß Bescheid. Sie hasst Vampire über alles. Sie hasst sich selber! Den...