Sonntag, 01. Dezember 2019

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Ich hasse Sonntage

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Ich hasse Sonntage. Nein wirklich. Ich hasse sie. 

Der Grund dafür? 

Meine Eltern. 

Wenn man den beiden bei ihren ständigen Streitereien einmal genau zuhört, dann frage ich mich tatsächlich ob sie sich überhaupt jemals geliebt haben. Denn so wie sie klingen, kann das unmöglich der Fall gewesen sein. 

Unter der Woche kann ich dem Unfrieden in unserem Haushalt wenigstens entfliehen und an den Samstagen ist Papa sowieso immer in der Kanzlei, aber an den Sonntagen sind alle Familienmitglieder anwesend. Früher waren die Sonntage unsere Familientage. Jetzt sind sie nur noch ein Schatten ihrer selbst. Tage an denen jeder tut was er will und versucht dem anderen so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Was wiederum in einer Wohnung nicht besonders gut funktioniert. Die gerade einmal vier Jahre alten Wohnungen über dem Einkaufszentrum in der Mitte Stuttgarts sind zwar groß, aber im Vergleich zu einem Haus überhaupt nichts erwähnenswert. 

Früher haben wir in einer Stadtvilla auf dem Killesberg gelebt. Nur vier Straßen von meinen Cousinen und meinem Cousin entfernt. Davon all unsere Habseligkeiten und unser Leben von einer kleinen aber feinen Stadtvilla in eine Wohnung zu quetschen, habe ich sowieso noch nie etwas gehalten. Gesagt habe ich gegen den Umzug jedoch nichts. Ich habe die Veränderung hingenommen und gehofft, dass sich die Beziehung meiner Eltern wieder verbessert. Aber Pustekuchen - obwohl es zu Anfangs danach aussah.

Meine im Wohnbereich lautstark diskutierenden Eltern ignorierend, schleppe ich mich über den Flur ins Badezimmer. Ein Blick in den Spiegel zeigt mir gleich, dass ich wie das reinste Traummonster aussehe. Meine langen blonden Haare stehen am Haaransatz so merkwürdig vom Kopf ab, dass ich mir ernsthaft Sorgen um meine nächtlichen Tätigkeiten machen sollte. Als wäre das nicht genug habe ich tiefe und vor allem dunkle Augenringe, wofür ich wohl Lucifer danken sollte. 

Damit meine ich nicht den wirklichen Teufel sondern die Serie, die ich zum wiederholten Mal durchsuchte und von der ich mich nur schwer lösen kann. 

Ein Blick auf den digitalen Radiowecker auf dem Spiegelschrank zeigt mir, dass ich mich besser beeilen sollte, wenn ich nicht das Frühstück bei Oma verpassen will. Was definitiv nicht in meinem Interesse ist, denn das Frühstück ist der Grund wieso ich die Wohnung sehr bald verlassen kann und meine Eltern ihren Streit allein und ungestört ausfechten können. 

In Windeseile hüpfe ich also in die Dusche und versuche so zu retten was noch zu retten ist. Den Rest wird nachher das Make-up erledigen müssen. Das prasselnde Wasser auf mir übertönt die Stimmen meiner Eltern, die man sicherlich auch in den beiden Nachbarwohnungen hört. Es wundert mich schon ein kleines bisschen, dass sich bisher noch niemand über die Lautstärke beschwert hat. 

Obwohl ... Anderenfalls könnte es durchaus sein, dass vorletzten Sommer deshalb die Rodriguez ausgezogen sind. Das junge spanische Ehepaar mit ihrer kleinen Tochter sind mir in den zweieinhalb Jahren die sie neben uns gewohnt haben wirklich an's Herz gewachsen. Unter anderem deshalb, da ich hin und wieder auf ihre Tochter aufgepasst habe, wenn sie Besorgungen zu erledigen hatten wo Lucia einfach nicht mit konnte oder wenn die beiden ein Date hatten. Die Rodriguez haben mir gezeigt, was ich später auch einmal gern hätte. Eine Familie, aber auch Zweisamkeit in der Beziehung. Vielleicht ist das der Grund wieso es zwischen meinen Eltern nicht mehr so gut läuft. Weil sie sich keine Zeit mehr für sich genommen haben. Nur noch für die Arbeit und für uns Kinder. 

Granatapfel [ II - 2019 ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt