"Sora ist absolut wundervoll!", schwärmt Paddy, nachdem sie an ihrer heißen Schokolade genippt hat und sich nun in ihrem Sessel zurücklehnt. Eine feine Sahneschicht ziert ihre schön geschwungene Oberlippe, doch schon in der nächsten Sekunde fährt sie mit ihrer Zunge darüber wie Kitti, meine Perserkatze.
Bereits seid wir das Café betreten haben, haben sämtliche Worte aus dem Mund der Brünetten mit der ihr zugeteilten Austauschstudentin zu tun. Ich kann es ihr nicht verdenken. Wenn das Mädchen auch nur halb so umwerfen ist wie sie in Patrizia's Beschreibungen klingt, dann zieht sie ohnehin die gesamte Welt in ihren Bann. Mit dem kinnlangen Bob und dem Pony, sieht sie sowieso beinahe schon befremdlich brav aus. Dazu noch die für Koreaner, Asiaten und Japaner typisch glatte Haut, verleiht ohnehin jedem etwas engelhaftes.
Mit einem leisen Klirren stelle ich die beigefarbene Tasse auf dem kleinen Tisch zwischen uns ab und lasse den Blick von Patrizias Gesicht zu dem großen Fenster nach rechts gleiten. Menschen in dicken Jacken, mit Mützen und Handschuhen bewaffnet, eilen über die Pflastersteine. Das letzte Laub des Jahres wird vom Wind über den Boden gezerrt und stellt ein wildes Spiel dar. Die ansonsten vollkommen kahlen Bäume werfen dank der wärmenden Sonne lange Schatten auf den Boden.
"Du kannst von Glück reden, dass Sora so ein Glücksgriff ist. Ich glaube mit Jin habe ich wahrhaftig das Haar in der Suppe erwischt." Seufzend verdrehe ich die Augen und fahre mir mit der Hand über die Stirn um die Verzweiflungsfalten zu glätten. Die Führung durch die Hochschule wurde so kurz wie nie, jeder Versuch ein Gespräch mit Jin anzufangen scheiterte kläglich und seine Freundlichkeit mir gegenüber wurde auch nicht gerade mehr. Von der Höflichkeit mal ganz zu schweigen. Ich habe eigentlich überhaupt keine Ahnung, ob er mir überhaupt zugehört hat. Dabei habe ich mich bei der Führung wirklich nur auf das Wichtigste beschränkt. Was zugegebenermaßen sogar ziemlich einfach war, denn mir ist nicht nur die Energie verpufft. Ich habe mich sogar schon lange nicht mehr so unwohl gefühlt, wie in den Momenten in denen ich einen halben Meter vor dem Austauschschüler durch die Hochschule gehetzt bin.
Im Prinzip hätte ich ein Gespräch mit einem Stein führen können. Der wäre kommunikativer als Jin gewesen.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Paddy nach ihrem Schokoladen-Muffin greift und dann den Blick wieder auf mich richtet. "Er sieht überhaupt nicht so gemein aus, wie du ihn mir gestern beschrieben hast."
Nachdem der Tag dank der fürchterlichen Führung relativ schnell für mich gelaufen war, habe ich mich mühevoll durch die Nachmittagsvorlesung gequält. Zu Hause habe ich mich dann sofort in mein Bett verkrochen, wo ich nach dem Abendessen noch einen Anruf von Paddy entgegengenommen habe und ihr mein Leid klagen durfte.
"Um ehrlich zu sein habe ich ihn mir nicht einmal wirklich angesehen. Nachdem er mir ohne jeglichen Grund so eine Ansage gemacht hat, habe ich nicht wirklich das Bedürfnis gehabt mich mit ihm abzugeben.", grummle ich und sehe meine Freundin schließlich wieder an. Ich bin froh, dass die Vormittagsvorlesung heute ausfällt. Mein Bedürfnis unserer Dozentin durch die Psychologie zu folgen, ist nicht besonders groß. Wie ich mich kenne würde ich nur damit beginnen, das Verhalten meines Austauschstudenten zu analysieren. Nichts, was ich mir zumuten sollte. Aus Erfahrung weiß ich, dass ich mich damit nur selbst fertig mache.
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Granatapfel [ II - 2019 ]
Teen Fiction"Na schön kleine Lady. Ich habe keinerlei Interesse wie ein Schoßhündchen an deinem Rockzipfel zu hängen. Führ mich herum und vergiss dann einfach, dass es mich gibt. Ich brauche keinen Babysitter. Und erwarte bloß nicht, dass ich dir vor Dankbarkei...