Mittwoch, 11. Dezember 2019

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Obwohl bereits mehr als 12 Stunden vergangen sind und ich fleißig in der Deutsch-Vorlesung mitschreibe, hängen meine Gedanken noch immer bei gestern Abend

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Obwohl bereits mehr als 12 Stunden vergangen sind und ich fleißig in der Deutsch-Vorlesung mitschreibe, hängen meine Gedanken noch immer bei gestern Abend. Bisher dachte ich Jin würde wie ein Staubschicht über allem liegen was sich in meinem Kopf befindet. Jetzt weiß ich es besser. Jin ist alles was überhaupt in meinem Kopf vorhanden ist. Denn er ist es, an den ich pausenlos denken muss und der noch sehr viel weniger als bisher verschwinden will. So sehr ich mich auch darauf konzentriere, es ist vollkommen zwecklos. Der Koreaner will einfach nicht verschwinden. Als hätte er sich wie eine Schraube in meinen Schädel gebohrt habe.

Trotz meiner Aufschriebe kann ich aus den bereits vergangenen zwei Vorlesungsstunden nichts wiedergeben. Ich bin froh, dass wir heute Abend "frei" haben und nicht mit den Austausstudenten einen Programmpunkt abzuarbeiten haben. So kann ich vielleicht einiges an Stoff nachholen und vielleicht schaffe ich es auch mit Jenny noch ins Fitnesstudio zu gehen. Ich weiß, dass meine Freundin auch ohne mich trainieren geht, aber irgendwie könnte ich ihre Gesellschaft heute gut gebrauchen. Lucie steht mir definitiv nicht zur Verfügung, denn sie hat heute Abend noch ein Date mit Luca und ich will sie auf keinen Fall von diesem schönen Ereignis abhalten oder gar ablenken. Das erscheint mir einfach nicht fair.

War der Kuss gestern ein schönes Ereignis? Warum denke ich jetzt überhaupt genau an diesen Kuss? Es ist nicht mein erster Kuss gewesen. Bei weitem nicht. Aber ausgerechnet er fällt mir bei schönes Ereignis ein. Ja, er war schön. Er war kalt, hart und unvorhergesehen. Aber er war nicht ohne Bedeutung. Zumindest für mich nicht. Mein Herz hat noch bis zum Einschlafen geklopft als würde es die ganze Stadt zusammentrommeln wollen.

Nachdem ich den gesamten restlichen Abend versucht habe nochmal Augenkontakt zu dem Koreaner aufzubauen, zumindest nachdem dieser irgendwann aus dem nichts wieder aufgetaucht ist, habe ich es geschafft. Egal wann und wie lange ich zu der Verwirrung auf zwei Beinen gesehen habe ist es mir nicht gelungen seine Augen auf mich zu ziehen. Dafür habe ich seine Blicke wie Feuer auf meiner Haut gespürt wenn ich nicht zu ihm gehen habe. Doch kaum habe ich mich zu Jin umgedreht, hat er den Blick abgewandt und mich gemieden. Er hat auch nicht den Versuch unternommen mit mir zu sprechen - ich jedoch genauso wenig.

Ich hätte auch nicht gewusst was ich hätte sagen sollen. Ich wusste ja nicht einmal was ich über seine Tat denken sollte. Ich wusste nur, dass es das alles in keiner Weise einfacher machen würde. Und dem Kloß in meinem Magen nach zu urteilen habe ich damit auch bis heute Morgen  Recht behalten. Ich weiß überhaupt nicht wie ich nachher das Mittagessen herunter bekommen soll. Allerdings habe ich schon nichts gefrühstückt und irgendwie sagt mir mein Verstand auch, dass ich etwas essen sollte.

Mein Verstand. Wieso kann er sich nicht einmal einschalten wenn Jin wieder in meiner Nähe auftaucht oder irgendwelche unvorhersehbaren Dinge tut. Dinge wie zum Beispiel mich aufzufangen oder mich zu küssen. Aber nein, von meinem geliebten Verstand ist natürlich genau dann weit und breit nichts zu sehen.

Ich sollte bis heute Abend einfach nur noch herausfinden, wie ich Jin aus meinem Kopf bekomme. Denn so kann ich mich eindeutig nocht konzentrieren.

Granatapfel [ II - 2019 ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt