Wir haben tatsächlich einen Weihnachtsbaum.
Ziemlich überrascht stehe ich am Morgen im Wohnzimmer und mustere den geraden, beinahe deckenhohen Baum. Er ist bereits geschmückt mit mehreren Lichterketten, doch von Schmuck fehlt noch jede Spur. Papa steht mit einem Verlängerungskabel in der Hand da und schließt gerade den letzten Lichterkettenstecker an. Stumm beobachte ich ihn dabei, wie er den Schalter umlegt und die Lichter erstrahlen. Draußen ist es bereits hell, also verliert sich die Wirkung sofort, aber immerhin. Ich habe ja schon damit gerechnet, keinen Baum dieses Jahr zu besitzen. Allerdings weiß ich auch nicht, ob er sich nun überhaupt noch lohnt.
"Juhu!", jubelt mein Bruder und klatscht in die Hände. Im knallroten Weihnachtsmann-Schlafanzug sitzt er auf dem Sofa und klatscht begeistert in die Hände. Automatisch bildet sich ein Lächeln auf meinem Gesicht. Moritz ist einfach zu süß mit seinen noch verstrubbelten Haaren.
Bevor mein Vater sich zu meinem Bruder umdrehen kann oder einer von beiden mich bemerkt, setze ich mich wieder in Richtung Küche in Bewegung und begrüße meine Familie mit einem simplen "Guten Morgen".
Ich erhalte den selben Gruß zurück, während ich die Kaffeemaschine betätige und mir eine Schüssel für mein Müsli heraushole. Moritz taucht neben mir auf wie ein U-Boot und grinst mich breit an. "Holst du mir auch eine Schüssel raus?"
Ich grinse meinen Bruder an und stelle ihm ebenfalls eine Müslischüssel auf die Theke. Nachdem eben diese gut gefüllt sind, lasse wir uns an den Esstisch fallen und beobachten unseren Vater schweigend dabei, wie er an den Lichterketten herumzupft und dabei Selbstgespräche über deren falschen platzieren führt. Während es für Moritz das große Kino zu sein scheint, wird mir schnell langweilig und ich ziehe mein Handy aus der Tasche meiner Jeans. Ich öffne Instagram und sehe in der Story meiner Schwester aus dem Auto. Offenbar ist sie schon seit zwei Stunden unterwegs. Da habe ich noch friedlich im Tiefschlaf mit Jin gekuschelt - im Traum versteht sich.
Nachdem ich meinen Feed durchgescrollt habe und auch die eingegangenen Nachrichten auf WhatsApp beantwortet habe, blicke ich wieder zu Papa. Dieser betrachtet gerade mit schiefgelegtem Kopf den Baum. Da er uns den Rücken zugewandt hat kann ich nicht sehen, ob er genauso misstrauisch dreinblickt wie von mir vermutet.
"Wie feiern wir dieses Jahr eigentlich Weihachten?", frage ich und verschränke die Arme vor der Brust. Die Schüssel vor mir ist bis auf das letzte mickrige Cornflake leergegessen und nur am Boden befindet sich noch eine kleine Pfütze Milch. Ich beiße mir auf die Unterlippe, während Papa sich zu mir umdreht und der Blick aus seinen brauen Augen auf mich fällt. Die Stirn ist zu falten gezogen und auf seinem dunkelgrauen Hemd befindet sich auf der linken Brust ein Fleck. "Ich meine wir werden doch wohl kaum hier feiern so wie geplant oder?"
Tatsächlich schüttelt Papa den Kopf und seufzt. "Nein. Wir feiern bei Oma. Ich habe mit ihr bereits vor einigen Tagen gesprochen. Mama ist ebenfalls einverstanden. Ich denke es ist so die beste Lösung für uns alle."
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Granatapfel [ II - 2019 ]
Teen Fiction"Na schön kleine Lady. Ich habe keinerlei Interesse wie ein Schoßhündchen an deinem Rockzipfel zu hängen. Führ mich herum und vergiss dann einfach, dass es mich gibt. Ich brauche keinen Babysitter. Und erwarte bloß nicht, dass ich dir vor Dankbarkei...