9. Kapitel

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»Schattenwind!«, miaute Flammenpfote ein wenig erschreckt. Sie hatte nicht damit gerechnet ausgerechnet heute auf den Kater aus dem Wald der Finsternis zu treffen.
»Es freut mich dich wieder zu sehen, Flammenpfote«, begrüßte er sie und kam auf sie zu.
»Ich bedaure das wir uns nicht außerhalb dieses grausamen Ortes treffen konnten, aber ich bin dazu verdammt hier zu sein. Ich hasse diesen Wald.«
Unsicher sah sich die junge Kätzin um. Alle Bäume waren verdorrt und überall roch es nach Angst, Gefahr und Tod. Sie schauderte. Ihr machte schon die Präsenz des Waldes Angst, aber dazu verdammt zu sein für alle Zeiten in diesem grauenvollen Ort gefangen zu sein...
»Bist du hier alleine?«, fragte sie unsicher.
»Gibt es hier keinen SternenClan?«
Schattenwind schüttelte mit ernster Miene den Kopf.
»Nein. Hier lebt jeder für sich. Wir haben alle in unserem Leben etwas getan, wofür wir unseren Platz im SternenClan nicht verdient haben. Manchmal hörst du Andere aus den Tiefen des Waldes schreien. Wir sind hier um zu Leiden, dieser Wald ist unsere Strafe für das was wir getan haben.«
Er machte eine kurze Pause und sah Flammenpfote fest in die Augen.
»Du darfst nie vergessen, wir sind alle Verräter und Mörder. Auch ich«, sagte er ernst.
Flammenpfote sah ihn nur an. Erst jetzt erkannte sie, das in seinen Augen nicht nur warmer Glanz ihr gegenüber lag, sondern auch eine große Kälte. Eine Kälte, die sie bis jetzt nur bei Fang gesehen hatte, damals, als er Flick getötet hatte. Erst jetzt wurde ihr wirklich bewusst, dass vor ihr nicht nur einer ihrer Ahnen stand, sondern auch ein blutrünstiger Krieger, der keine Scheu davor hatte jemanden zu töten.
»Du traust mir nicht mehr, hab ich recht?«, fragte Schattenwind sie.
»Ich habe dir gesagt, dass du jederzeit frei von mir sein kannst und ich habe vollstes Verständnis dafür...«
»Du bist kein Monster!«, unterbrach Flammenpfote ihn.
»Du magst Fehler gemacht haben, aber du bereust sie doch, nicht wahr? In deinen Augen sehe ich nicht nur Kälte, du siehst mich immer an wie dein eigenes Junges! Du willst doch den Clans helfen, darum bin ich doch hier!«
Der Kater seufzte.
»Du musst noch viel lernen, Flammenpfote. Du bist zu gutgläubig, trotz das du schon gesehen hast wie jemand sterben musste.«
Aus Schattenwinds Kehle war ein bedrohliches Knurren zu vernehmen, sein Fell stellte sich auf und sein Rücken formte sich langsam zu einem Buckel. Erschreckt wich Flammenpfote zurück und nahm Abwerstellung ein. Was hat er denn? Warum greift er an?
»Sofort weg da!«, brüllte er und kaum hatte er das gesagt, hörte sie hinter sich ein Knacken.
So schnell sie konnte sprang die Schülerin zur Seite und hörte etwas fauchend aus dem Gebüsch brechen. Als sie ihren Blick Schattenwind zuwand, war dieser im Gefecht mit dem Unbekannten. Sie erkannte nur einen hellgelben Pelz zwischen den Krallen von Schattenwind. Der Fremde konnte sich trotz vorhandener Kampferfahrung nicht durchsetzen und wurde von Schattenwind weg geschleudert.
»Sandstreif! Was hast du hier zu suchen?!«, fauchte der braun-schwarz gecheckte aggressiv.
»Hattest du nicht gesagt, dass hier jeder für sich lebt?«, fragte Flammenpfote verunsichert.
»In der Regel ist das auch so«, erklärte ihr Ahn.
»Nur wenn es etwas Wichtiges ist, treffen wir aufeinander. Also du alter Sack Fuchsdung, was willst du!«
»Dich zur Rede stellen!«, kam es von dem gelben Kater.
»Ich habe mitbekommen, das du sie beim SternenClan getroffen hast. Was ist da am Laufen?«
Während er das sagte, hatte er sich aufgerappelt und war wieder näher gekommen, blieb jedoch auf Abstand.
Sandstreif war ein abgemagerter Kater mit hellgelben, zerrupftem Pelz und hellen, giftgrünen Augen und vielen Narben. Für Flammenpfote war es kein Wunder, dass er gegen Schattenwind verloren hatte, sie jedoch würde sich nicht mit ihm anlegen wollen. Trotz seines verletzlichen Äußerem hatte er einen kämpferischen Glanz in den Augen, vor dem die Schülerin großen Respekt hatte.
»Du verschwendest meine Zeit, zieh ab!«, blaffte Schattenwind nur unbeeindruckt.
»Nicht ohne eine Antwort!«
Eine Weile sahen sich die Kater nur mit einem gehässigem Blick an, bis Sandstreif seine Haltung aufgab.
»So, so. Du hast den Wald der Finsternis satt und willst dich beim SternenClan einschleimen, indem du es deine Nachfahrin wieder gut machen lässt, hab ich recht?«
»Wie? Woher weiß er das?«, fragte Flammenpfote verwirrt.
»Du hast deine Gabe auch hier noch?«, knurrte Schattenwind gehässig.
»Sie ist zwar nicht mehr so stark wie zu meiner Lebzeit, aber ja: Ich kann immer noch durch Augenkontakt die Gedanken meines Gegenübers lesen«, erklärte der Sandfarbene.
»Schade, ich dachte, du würdest dich vielleicht meiner Sippe anschließen und wieder in einem Clan leben wollen. Anscheinend hast du dich aber für einen anderen Clan entschieden.«
»Du hast aus Katzen dieses Waldes einen Clan gegründet? Du hast sie ja nicht mehr alle! Dieser Ort ist eine Bestrafung, keine zweite Chance«, meinte Schattenwind entrüstet.
»Und was tust du hier gerade?«, fragte Sandstreif ihn ruhig.
»Ich baue mir jedenfalls keinen Clan auf um den Clans weiter Schaden zu zu fügen«, fauchte er.
»Und jetzt hau ab und belästige weder mich noch Flammenpfote jemals wieder!«
»Ruhig Blut, ich gehe ja schon«, murmelte Sandstreif und verschwand fast geräuschlos in den Büschen.
Schattenwind sah ihm noch eine Weile wachsam hinterher und wand sich dann erst wieder Flammenpfote zu.
»Ist alles in Ordnung bei dir? Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.«
»Mir geht es gut. Wer ist er und warum kann er Gedanken lesen?«
»Sandstreif wurde mit dieser Gabe geboren, jedoch missbrauchte er sie und stürzte den NachtClan damit fast in den Untergang. Ich habe nur Geschichten davon gehört was passiert ist, aber es ist um Längen grausamer als das, was ich getan habe. Halte dich von ihm fern. Er mag zwar kein großer Kämpfer mehr sein, aber er hat seine Gabe noch und wenn er sie nutzt ist er fast unantastbar. Entweder du hälst ihn dir vom Hals, oder schließt dich ihm an. Das sind die Arten, wie man mit ihm zurecht kommt. Aber wenn er jetzt diesem Clan hat... Du solltest deinen Clan warnen. Ich kann dir nicht sagen, was sie vor haben, aber in der Regel ist das nichts Gutes. Wenn ich kann, werde ich dem SternenClan eine Botschaft bringen. Wie ich Sandstreif kenne, wird er eher gegen ihn in den Kampf ziehen, als gegen die Clans.«
»In Ordnung, ich werde es Firnstern sagen«, nickte die Kätzin.
»Komme mir zwar vor wie eine Spionin, aber es ist für einen guten Zweck.«
»Ich würde dich nicht dazu bewegen wenn es nicht wichtig wäre. Glaub mir, Sandstreif willst du nicht als Feind haben.«
»Du hast ihn mit einem Nein weggeschickt, ich denke nicht, dass er dich leiden kann«, äußerte die Kätzin ihre Bedenken.
»Mach dir um mich keine Gedanken, ich bin stark und er weiß das. Wir sind uns früher schon über den Weg gelaufen und wir haben den nötigen Respekt voreinander um uns nicht gleich an die Gurgel zu gehen. Ich weiß, das sah zwar jetzt gerade anders aus, aber in der Regel ist das so.«
»Ich versuche mir da einfach keine Gedanken zu machen«, versprach die Schülerin.
»Wir haben jetzt mehr als genug Mondlicht verschwendet. Du bist nicht ohne Grund hier bei mir«, fuhr der Kater fort.
»Ich wollte dir ein paar Kampfzüge beibringen, allerdings wird uns die Zeit nicht mehr reichen.«
»Für was denn Kampfzüge? Ich lerne doch schon bei meinem Clan zu kämpfen«, hinterfragte die Schülerin das Vorhaben des Katers.
»Du trägst eine große Bürde, die ich dir auferlegt habe. Ich sehe es als meine Pflicht dich zu unterstützen wo ich nur kann. Gerade jetzt wo sich auch noch sämtliche Katzen dieses Waldes zusammen schließen und den Clans schaden wollen...«, begann ihr Ahn, wurde jedoch von Flammenpfote unterbrochen.
»Er hat nicht gesagt, dass er den Clans Schaden zufügen will.«
»Du bist zu gutgläubig«, widersprach Schattenwind ihr und schüttelte den Kopf.
»Und doch gebe ich Sandstreif recht. Du sagst hier sind alle Mörder und Verräter, auch du. Doch genauso suchst du nach einer zweiten Chance. Wenn hier alle böse sind, können nicht genauso gut alle etwas bereuen und sich nach etwas besseren sehnen?«, miaute die Schülerin und brachte damit den Kater zum Schweigen.
»Du sagst Sandstreif ist stark und ihr habt gegenseitigen Respekt voreinander. Wenn er so wäre wie du sagst, hätte er diesen Respekt nicht. Er hätte nicht gezögert mich anzugreifen und dir und den Clans alle Hoffnung zu nehmen.«
Eine Zeit lang herrschte Stille zwischen den beiden und Flammenpfote dachte schon, sie hätte Schattenwind verärgert, als dieser letzten Endes doch den Kopf hob und zum Sprechen ansetzte:»Ich muss schon sagen, du hast eine ausgesprochen gute Kenntnis über das Verhalten anderer. Das hast du nicht gerade nur jetzt unter Beweis gestellt, meine liebe Flammenpfote. Deine Gutherzigkeit macht dich nicht blind, im Gegenteil. Sie öffnet dir die Augen um Dinge aus einer neuen Perspektive zu sehen und Verständnis dafür zu entwickeln.«
Das sanfte Lächeln des Katers ließ das Herz der Schülerin höher schlagen und ihre Augen begannen zu glänzen, als es im Busch raschelte und Sandstreif hervortrat.
»Ich bin auch wirklich beeindruckt von dir, junge Schülerin«, sprach er und neigte respektvoll den Kopf.
»Das war ein Test, und du hast ihn besser gemeistert als ich angenommen habe«, schnurrte Schattenwind als die Kätzin ihn nur verwirrt ansah.
»Ich wollte einfach ein wenig mehr über dein Verhalten lernen. Du hast das Herz am rechten Fleck und die Clans brauchen eine Kätzin mit starkem Herz jetzt mehr denn je.«
»Das war alles inszeniert?«, wiederholte sie ungläubig und die beiden Kater nickten.
»Und ich bin auch nicht in der Lage Gedanken zu lesen, das haben wir uns nur ausgedacht«, lachte der magerere Kater noch.
»Aber es ist wie du gesagt hast. Sowie jeder hier böse ist, so kann jeder hier auch seine Taten bereuen. Es gibt nur wenige von uns, aber wir halten zusammen um einen Weg hier weg zu finden.«
Sowie der Kater ausgesprochen hatte, traten ein paar weitere Katzen aus den Büschen zu ihnen und betrachteten die Schülerin mit freundlichen Blicken.
»Doch das es eine Sippe von Katzen gibt, die hier zusammen halten ist nicht gelogen. Wir sind der DämmerClan. Katzen, die in die Dunkelheit gefallen sind aber zurück ins Licht wollen. Wir zählen vielleicht nicht so viele wie der SternenClan, aber gemeinsam zu leben ist hier alle mal besser als alleine«, erklärte Schattenwind stolz.
Flammenpfote ließ ihren Blick über die Gruppe von nun etwa fünfzehn Katzen schweifen. Einige nahm sie nur noch eher verschwommen wahr und sie wirkten älter. Einige andere wirkten noch jung und schienen eher zu strahlen. Ob man es im Wald der Finsternis strahlen nennen konnte war allerdings eine andere Frage. Was sie aber gemeinsam hatten war der Ausdruck an Entschlossenheit in ihren Augen, den sie von ergebenen Kriegern kannte.
»Das sind alles loyale Katzen. Du kannst auf den gesamten DämmerClan zählen Flammenpfote. Ich habe dir eine große Bürde aufgetragen, aber du musst sie nicht alleine tragen. Wir werden dir zur Seite stehen«, sprach Schattenwind weiter und er sah dabei die Schülerin an, welche respektvoll nickte.
»Ich will eure Hilfe ja nicht infrage stellen, aber wie wollt ihr das tun? Die Streuner sind ein Problem der materiellen Welt und dies hier ist eine Form des Jenseits«, fragte Flammenpfote ein wenig schüchtern.
»Ich frage mich eher, wie und wann ich gegen sie vorgehen soll. Ein Kampf wird sich zwar nicht vermeiden lassen, aber ich will das Gespräch suchen und zumindest versuchen eine friedliche Lösung zu finden.«
»Flammenpfote, Firnstern und Schattenstern haben schon sehr oft versucht mit Fang zu reden, doch er antwortet nur mit Kämpfen«, erklärte ihr Ahn ihr.
»Und was soll ich dann daran ändern? Wenn ich doch die Clans von den Streunern befreien soll und es von vorne herein klar ist, dass es in einem Kampf gipfelt, was soll da meine Aufgabe sein? Der Unterschied ist nur die Seite für die ich kämpfe!«
»Irgendwann wirst du verstehen warum nur du dazu in der Lage bist...«
Mit diesen Worten verschwammen die Katzen und der Wald um die Schülerin herum und sie wachte in ihrem Nest im Schülerbau wieder auf.
»Warum muss er nur in Rätseln sprechen!«, fluchte sie, bemerkte jedoch zu spät, dass sie nicht alleine war.
Steinpfote und Eispfote sahen sie ein wenig verwirrt an.
»Alles in Ordnung bei dir?«, fragte Eispfote sie.
»Es war nur ein Traum«, wimmelte sie ihn leichtfertig ab und hoffte, es war damit getan und sie würden keine weiteren Fragen stellen.

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Nach etwa einem Jahr geht es hier auch mal wieder weiter xD
Ich hoffe, ich komme in Zukunft wieder öfter dazu an meinen Storys weiter zu schreiben, weil unbeendet lassen will ich sie nicht :D

Warrior Cats - Flammenwinds BürdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt