Kapitel 3

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»Vielen Dank, dass ihr euch alle hierher bemüht habt«, eröffnete der Sonnengott die Versammlung.

Der Saal war riesig, so wie alle anderen Räumlichkeiten, die Tai bisher im Palast gesehen hat. Dadurch dass er rund und stufig gestaltet war, passten alle hinein und konnten diskutieren, ohne dass die Akustik litt.

Tai saß mit Mini auf dem äußersten Ring. Von dort aus hatte er eine gute Sicht auf Ziya, der sich einen Platz ungefähr gegenüber von ihm auf einem der mittleren Ringe gesucht hat. Neben ihm saßen die beiden, mit denen er vorhin durch die Gänge gelaufen ist. Sie waren also wirklich zwei seiner Helfer, wie er es sich schon gedacht hatte.

»Dieses Jahr war es notwendig, dass sich alle Götter persönlich hier treffen, weil die Schatten in letzter Zeit ein sehr viel aggressiveres Verhalten gezeigt haben und sich auch ihre Anzahl stark erhöht hat.«

Die gewandelte Ausstrahlung des Sonnengottes ließ Tai staunen. So wie er hier stand, aufrecht, die Schultern nach hinten gezogen und den Blick durch den Raum streifend, wirkte er routiniert und professionell. Wie für seine Rolle geschaffen.

Tai konnte fast nicht glauben, dass es sich hier um die Person handelte, die bei ihrer ersten Begegnung achtlos umher gerannt und über seine Tasche gestolpert war.

»Aber da wir alle schon mal beisammen sind, kümmern wir uns auch gleich um die anderen Punkte, mit denen wir auch beginnen werden.«

Tai schloss kurz die Augen und atmete einmal tief durch. Damit hatte er schon gerechnet und es gefiel ihm ganz und gar nicht.

Außerdem kam es ihm ein wenig viel auf einmal vor. Die normalen Versammlungen, bei denen immer nur einer seiner Helfer war, dauerten schon relativ lang. Eigentlich wollte er hier nicht länger als unbedingt notwendig sitzen.

»Wir werden die Versammlung deshalb auf ein paar Tage strecken, damit es nicht zu viel wird. Ich bitte euch, in dieser Zeit hier im Palast zu bleiben.« Ziya warf ein blendendes Lächeln in die Runde.

Bei dieser Ansage hob Tai seinen Kopf, den er gelangweilt auf die Arme gestützt hatte und machte große Augen. Er widerstand dem Drang, sich lautstark zu beschweren, so wie er es zu Haus getan hätte und lehnt sich stattdessen hastig zu Mini hinüber. »Heißt das, wir müssen hier bleiben?!«

Zerknirscht das Gesicht verziehend beobachtete er, wie Mini nickte.

Seine Pläne, sich kurz im Sonnenpalast sehen zu lassen, mit halbem Ohr zuzuhören und dann wieder zu verschwinden, waren somit offiziell über den Haufen gefahren. Den anderen Göttern konnte er so auch nicht aus dem Weg gehen. Fantastische Aussichten.

Seine Finger fanden den Saum seines Hemdes, als er sich gegen die Stuhllehne fallen ließ. Er spürte das Unbehagen, das sich in seinem Körper sammelte, während er den Kopf in den Nacken legte und die hohe gewölbte Decke betrachtete.



Nach einer halben Ewigkeit war der erste Teil der Versammlung abgeschlossen und Tai konnte endlich den Saal verlassen.

Als nächstes führte sein Weg ihn zu einem Raum, in der er seine Tasche abstellte. Tais Plan sah eigentlich vor, danach die Bibliothek aufzusuchen und sich einen schönen einsamen Platz zu suchen, wo er ungestört lesen könnte.

Eigentlich.

»Tai, warte mal!« Mini stoppte sie beide, kurz nachdem sie den Raum verlassen hatten. »Aria wollte dir doch den Garten zeigen!«

»Was? Aber-«

»Nichts aber«, unterbracht sie ihn schnell. »Du kannst ihr Angebot nicht einfach ablehnen, das wäre unhöflich. Nicht zu vergessen, dass sie sowieso nicht locker lassen würde.«

Silver Light [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt