Kapitel 7

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Nachdem sie beschlossen haben, in den Garten zu gehen, hat sich der Sonnengott noch ein Buch mitgenommen, das er fest an sich gedrückt nun durch die Außenanlage trug. Tai kannte das Werk nicht - es war schließlich eins aus der Menschenwelt, von denen er bisher gerademal eins gelesen hat - aber es schien eines seiner Lieblingsbücher zu sein.

Tai bemerkte, wie Ziya plötzlich auf den Einband schaute und die Stirn runzelte. »Eigentlich wollten wir ja was zusammen machen, warum hab ich dann überhaupt das Buch bei? Das bringt ja wirklich rein gar nichts, wenn ich nur lese und du daneben sitzt und - oh, du hast ja gar kein Buch oder irgendwas dabei! Andererseits, fällt nebeneinander sitzen nicht auch unter gemeinsam etwas unternehmen? Aber das ist ja eigentlich auch nicht das, was ich wollte...«, klagte und redet er vor sich hin, während er den Kopf schüttelte.

Schon wieder ein Unterschied, bemerkte Tai gegen seinen Willen lächelnd. Er selbst würde nie seine Gedanken, Sorgen und Überlegungen derart offen legen, wie Ziya es eben getan hat. Es war seltsam amüsant, seinen Gedankengängen zuzuhören.

»Mit zusammen nichts tun hätte ich ehrlich gesagt auch kein Problem.« Tai erlöste den Sonnengott damit von seinem Selbstgespräch.

»Ja?«, meinte er überrascht und sah auf. Ziya begann zu strahlen - wortwörtlich und im übertragenen Sinne - und Tai fand es erstaunlich, wie schnell die Stimmung des Sonnengotts sich ändern konnte.

»Weißt du was? Ich zeig dir jetzt meinen Lieblingsplatz. Also in diesem Teil des Gartens«, fügte er hinzu.



Den Ort, den Ziya meinte, war eine kleine, grasbewachsene Fläche direkt am Schutzwall. Sie war von hohen, schmalen Bäumen und dichten Sträuchern umgeben und somit so gut wie vom restlichen Garten abgeschnitten. Nur ein schmaler Pfad durch das Dickicht führte dorthin.

Es wirkte friedlich und nicht so groß und überwältigend wie der Rest des Sonnenreichs.

Einzig die Sicht auf den Wald außerhalb der Kuppel trübte das Gesamtbild für Tai ein wenig. Die hochgewachsenen Bäume mit den kahlen, schwarzen Ästen, die nur wenige dunkelgrüne Blätter trugen, standen einige Schritte vom Wall entfernt. Man konnte nur einige Meter in den Wald hineinsehen, dann ging alles in schwarz über.

Es war fast so, als würde der goldene Schutzwall nicht nur die Schatten draußen halten, sondern auch das Licht von innen nicht hinaus lassen. Dort draußen herrschte immer Nacht.

Tai ignorierte es so gut wie möglich und legte sich auf die Grasdecke, die Arme neben sich ausgestreckt und die Augen geschlossen. Das war eine gute Gelegenheit wieder Ruhe in sein aufgewühltes Inneres zu bringen, und die wollte er sich nicht entgehen lassen.

Dann hörte er Ziya lachen und sah zu ihm hinüber.

Ziya saß im Schneidersitz gegen einen dünnen Baumstamm gelehnt und sah grinsend auf das Buch, welches geschlossen auf seinen Beinen ruhte. »So hat sich das Aria wahrscheinlich nicht vorgestellt«, kicherte er hinter vorgehaltener Hand.

Schulterzuckend und mit einem Lächeln auf den Lippen winkte Tai ab: »Ach was, gemeinsam herum lungern stärkt unsere Bindung doch wunderbar!«

»Ja ja, natürlich!« Ziya nickte so stark mit dem Kopf, dass Tai Angst hatte, sein Kopf würde gleich abfallen. »Ich spüre schon, wie das Band unserer Freundschaft stärker wird.« Über sich selbst lachend schlug er dann vorsichtig sein Buch auf, als hätte er Angst, dass es gleich auseinander fallen würde. Zugegeben, es sah schon sehr abgegriffen aus.

Tai richtete seine Aufmerksamkeit davon ab und auf den violetten, mit goldenem Schimmer benetzten Himmel.


Silver Light [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt