Kapitel 13

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Tai lag auf einer Decke im Garten. Nach der Auseinandersetzung mit Mini war ihm nicht wirklich danach, irgendwas zu unternehmen. Seine Gedanken kehrten immer wieder dahin zurück, selbst wenn er dem Rascheln der Baumkrone über ihm lauschte oder sich auf den Blumenduft in der Luft konzentrierte.

Dass er sich mit Mini gestritten hatte belastete ihn. Aber im Moment hatte er ganz einfach nicht die Kraft und den Willen dazu, Mini zu konfrontieren und zu versuchen, den Streit zu beenden.

Nach einer Weile spürte er eine Präsenz in seiner Nähe. Sie verschwand nicht, darum öffnete Tai seine Augen ein wenig.

Ziya stand dort, gegen den Baum gelehnt, die Arme locker verschränkt und sah zu ihm herunter. Sagte nichts. Tat nichts anderes. Er stand einfach nur dort, mit einem irgendwie verträumten Gesichtsausdruck.

»Beobachtest du mich?«, fragte Tai mit schief gelegtem Kopf und richtete seinen Oberkörper auf.

Ziya zuckte nur mit den Schultern. »Du bist hübsch«, lautete seine simple Erklärung.

Unbeeindruckt und ohne groß darauf zu reagieren ließ er sich wieder auf die Decke fallen und schloss seufzend die Augen. Er konnte es nicht leugnen, er hatte Ziya gern um sich herum, aber sein Verhalten war manchmal schwer für ihn nachzuvollziehen.

»Hey.« Die Stimme des Sonnengottes war näher gekommen. Ziya pikste ihm mit einem Finger wiederholt seine Wange. »Normalerweise freut man sich über ein Kompliment, weißt du das?«, beschwerte er sich vorwurfsvoll.

Tai schob Ziyas Hand von seinem Gesicht weg. Er hörte ihn neben sich unzufrieden brummen.

»Was ist los?«, fragte Ziya ihn dann, ein Hauch von Besorgnis lag in seiner sanften Stimme. »Dich bedrückt doch irgendwas, oder? Dein Licht...« Er ließ den Satz offen enden.

»Hm«, summte Tai zustimmend. Er war sich nicht sicher, ob er Ziya davon erzählen sollte. Andererseits wäre er früher oder später auf Mini getroffen und hätte spätestens dann bemerkt, dass etwas zwischen ihnen vorgefallen ist. Also erzählte er ihm von der Auseinandersetzung.

Danach war Ziyas Blick niedergeschlagen auf den Boden gerichtet. Er sah aus, als hätte er selbst grad einen heftigen Streit hinter sich gehabt. Es war bemerkenswert, wie sehr er mit anderen mitfühlen konnte.

»Weißt du was?« Sein Blick fand Tais, und er strahlte ihn an. »Wir werden jetzt zusammen nichts tun und Trübsal blasen, bis es du dich wieder besser fühlst!« Ziya schmiss sich geradezu neben ihn auf den Rücken, rutschte ein bisschen hin und her und blieb dann liegen.

Es war ebenso bemerkenswert, wie schnell sich Ziyas Laune wieder zum positiven ändern konnte. Ob das wohl davon beeinflusst wurde, dass er der Sonnengott war, oder ob er auch ohne diese Macht so wäre? Als Tai über diese Frage nachdachte, schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen.



»Erzähl mir was«, sagte Ziya in die Stille hinein, und das nach nur wenigen Minuten.

»Wir werden jetzt zusammen nichts tun, waren das nicht deine Worte?«

»Schon, aber das ist zu viel nichts tun!«, rechtfertigte er sich. »Irgendwas muss ich immer tun, wirklich komplett nichts tun fühlt sich so unsinnig an, und es bringt ja auch nichts. Ist wahrscheinlich auch der Grund, warum es sich für mich so ... nicht richtig anfühlt.«

»Man nennt es auch falsch«, warf Tai schmunzelnd dazwischen.

»Ja ja, ich weiß.« Ziya redete in demselben Ton weiter und schien sich nicht an der Unterbrechung zu stören. »Aber es fühlt sich ja nicht direkt falsch an, sondern nur nicht ganz richtig«, erklärte er und gestikulierte dabei wild herum. »Verstehst du?«

»Ja - glaube ich - aber wenn ich dir etwas erzähle, dann tust du selbst doch nichts, oder?«, hinterfragte er und sah zu Ziya hinüber. Der Sonnengott hatte den Blick nach oben, zur Baumkrone hin gerichtet. Seine goldenen Augen waren weit geöffnet und sahen so aufgeweckt aus, wie Ziya klang.

»Doch natürlich! Ich höre zu.«

Auf diese Aussage hin musste Tai laut auflachen. Diese Art, wie Ziya dachte und redete... Er wirkte immer so natürlich und unbeschwert, so als könnte nichts seine Laune trüben. Und das schien er irgendwie auf alle zu übertragen, die sich in seiner Gegenwart befanden. Vielleicht vertrieb sein Licht die schlechten und schweren Gedanken? Vielleicht zog er einen auch nur mit seiner Stimme und seinem Lächeln und seinen Augen in den Bann?

»Worüber soll ich denn erzählen?«, fragte Tai.

»Über dein Zuhause! Falls es dir nichts ausmacht.«

»Macht es nicht, keine Sorge.« Es freute ihn, dass Ziya mittlerweile schon mehr darauf achtete, was er fragte und worüber er mehr erfahren wollte. »Aber ... hat dir nie jemand vom Mondreich erzählt?«

»Nein, weil ich nie gefragt habe. Ich weiß auch nicht, ich glaube, ich hab mir immer vorgestellt, wie es dort aussehen müsste und hab nicht weiter drüber nachgedacht.«

»Dann kannst du ja jetzt überprüfen, ob deine Vorstellungen richtig sind«, lächelte Tai. Er überlegte kurz, wo er anfangen sollte. »Im Grunde kann man sagen, dass das Mondreich fast das komplette Gegenteil vom Sonnenreich ist. Hier ist es immer hell, dort ist es immer dunkel.«

»Immer?!« Ziya hörte sich wie erwartet entsetzt über diese Tatsache an.

»Immer. Aber im ganzen Schloss und im Garten wachsen leuchtende Blumen, die alles soweit erhellen, dass man etwas sieht. An manchen Orten gibt es mehr davon, an anderen weniger.«

»Leuchtende Blumen....?«, hauchte Ziya ungläubig.

Tai unterdrückte schmunzelnd ein Augenrollen. Als ein Gott, der noch dazu Lichtmagie beherrschte, sollte er so etwas eigentlich nicht überraschend finden. »Im Schloss wachsen aber nicht nur Blumen, sondern alle möglichen Pflanzen. Dafür ist der Garten sehr viel unspektakulärer, als dieser hier. Das Schloss selbst ist aus dunklem Stein gemacht-«

»Dunkles Image, sag ich doch!« Mit einem Klaps auf seinen Arm brachte Tai Ziya zum Schweigen. Da wollte er schon mal nur zuhören und musste trotzdem alles kommentieren.

»-und in den Boden sind Wasserrinnen eingebaut, die fast durch jeden Raum gehen.« Tai liebte das Mondschloss wirklich sehr. So wie Ziya ihn fröhlich stimmte, so hatte das Schloss mit seiner Dunkelheit eine beruhigende Wirkung auf ihn und schaffte es, seine wirren Gedanken zu ordnen.

»Das würde ich gern mal sehen«, bemerkte Ziya verträumt. Er legte sich auf die Seite und war Tai damit noch näher.

Tai machte es nichts aus. Aus dieser kurzen Distanz konnte er die dünnen, hellen Wimpern erkennen, die Ziyas runde Augen umrahmten, und der Kontrast zwischen seinen rot-blonden Haaren und seiner hellbraunen Haut war noch stärker.

»Weißt du, ich war noch nie irgendwo anders.« Ziyas Stimmlage verriet es nicht, aber in seine Augen blitze für einen Moment Bedauern über das Gesagte auf.

»Noch nie? In all den Milliarden Jahren, die wir schon existieren?« War das denn möglich? Ziya hatte ihm erzählt, dass er sich selbst hier eingesperrt hat, aber Tai dachte, dass er das Sonnenreich vor dem Aufstellen dieser Regel wenigstens einmal verlassen hätte.

»Es dient dem Wohle aller, also bleibe ich hier, in Sicherheit.«

»Ist es in anderen Reichen nicht sicher?«

»Doch. Aber hier ist es am sichersten. Warum also das Risiko eingehen und woanders hingehen?«

Tai wandte sich wortlos ab. Es war doch wirklich seltsam. Auf der einen Seite war er selbst, der seine Heimat verlassen wollte, der nie etwas anderes sehen wollte. Und dann war da Ziya, der nie das Sonnenreich verlassen konnte, weil er es sich selbst verboten hat.

Wie gern würde Tai ihm jeden Winkel der Welt zeigen.

Silver Light [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt