Kapitel 21

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Es kam der Tag, der vielleicht alles entscheiden würde. Ich war nicht nur tierisch aufgeregt, sondern hatte regelrecht panische Angst. "Alles wird gut gehen", sagte unser Anwalt mir und versuchte mich zu beruhigen, doch das war leider recht schwer. Meine Hände schwitzten und mein Dekolleté war vor lauter Aufregung schon rot. Allen denen ich bisher von Jonas erzählt hatte waren heute hier, um mich zu unterstützen. Sprich: Mein Vater und seine Familie, meine Mutter, meine beste Freundin und Wincent natürlich, an den ich mich jetzt noch viel mehr klammerte.

Ich fühlte mich wie in einem Highschool Film, als plötzlich Jonas durch die eine Tür am anderen Ende des Ganges kam. Auf der einen Seite sein Anwalt, auf der Anderen ein echt hübsches Mädchen im Arm. Er zwinkerte mir beim Vorbeigehen auch noch zu, weshalb ich mich an Wincent festklammerte, um mich nicht zu übergeben. Ich konnte nicht fassen, dass er das alles tat, obwohl er doch offensichtlich eine Freundin hatte. Keine Sekunde zweifelte ich daran, dass sie das gleiche Schicksal wie ich erlitt, weshalb sie mir echt Leid tat. Ich würde nicht nur für mich kämpfen, sondern für alle anderen Mädchen, die etwas mit Jonas hatten oder noch haben würden.

Leider überkam mich in diesem Moment wieder die Panik, als die Anhörung begann und ich als Zeugin aufgerufen wurde. "Du schaffst das, Shari. Du schaffst das", hörte ich die Stimme meines Freundes immer und immer wieder durch mein Gehör hallen.

"Entschuldigen Sie, Frau Geyer, geht es Ihnen gut?", fragte Jonas Anwalt nachdem ich offensichtlich nicht auf eine Frage geantwortet hatte. "Euer Ehren, diese Zeugin ist offensichtlich nicht zurechnungsfähig!" "Frau Geyer?", fragte die Richterin und schaute mich erwartungsvoll an. Verzweifelt suchte ich nach Wincent im Publikum und fand ihn blitzschnell. In seinem Gesicht lag so viel Vertrauen in mich und sein Blick sagte mir, dass er mich liebte, egal wie das hier und heute ausging.

"Entschuldigung", riss ich mich zusammen. "Mir geht es gut. Wie war noch gleich die Frage?"

Und damit ging die Anhörung erst richtig los. Ich beantwortete Fragen über Fragen, erzählte die ganze Geschichte mit Jonas, nicht ohne in Tränen auszubrechen. Hin und wieder schaute ich zu Jonas. Er ließ sich nichts anmerken, dabei wusste er genau, wovon ich sprach. Dann zu seiner Freundin. Auch sie schien zu wissen, wovon ich sprach.

Nachdem auch Wincent ausgesagt hatte, hatten wir zwar einen weiteren Zeugen, dass Jonas mich sexuell belästigt hatte, doch mit richtigen Beweisen für eine Vergewaltigung konnten wir nicht dienen, weshalb wir in eine kurze Pause gingen, um uns eine Strategie zu überlegen. Kurzerhand fasste ich mir ein Herz und holte mir Jonas Freundin zu einem Gespräch heran, als er gerade nicht hinschaute.

"Hören Sie, ich kenne Sie nicht und vielleicht halten Sie mich für bescheuert. Sicher müssen Sie auf Jonas Seite stehen, aber ich lüge nicht. Ich habe das alles durchgemacht und ich weiß, wovon ich spreche." Sie schien nicht interessiert an dem Gespräch und schaute sich immer wieder nach Jonas um. "Ich weiß nicht, was Jonas Ihnen angetan hat." Sie lachte nur laut auf. "Bitte glauben Sie mir, wenn ich sage, dass es so nicht weitergehen muss. Ich brauche einen weiteren Beweis und Jonas wird dafür bestraft werden. Es muss so nicht weitergehen, das verspreche ich. Bitte sagen Sie aus", flehte ich verzweifelt diese wildfremde Frau an, von der ich rein gar nichts wusste. Ich wusste ja nicht einmal, wie sie hieß. "Sie helfen nicht nur mir, Sie helfen nicht nur sich, sondern allen anderen Frauen. Wir müssen doch zusammenhalten. Zusammen können wir dieses Schwein endlich hinter Gitter kriegen."

Meine Rede war beendet und ich wartete ein paar Sekunden, ehe sie endlich endlich schüchtern nickte. "Danke danke danke", sagte ich überschwänglich und umarmte sie einfach. "Das werden Sie nicht bereuen." Und damit hatte ich nicht nur eine weitere Zeugin, sondern auch einen Beweis, denn bei ihr waren die Spuren einer Vergewaltigung noch ganz frisch.

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