「Prolog」

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Meine Stiefel hinterließen feine Fußabdrücke im Schnee, während ich mit schnellen Schritten durch die spärlich geräumten Straßen lief. Immer dicker werdende Flocken peitschten mir unablässig entgegen, was den Räumungskräften jede Menge Arbeit bescherte und erklärte, warum die Bürgersteige bereits wieder mit der weißen Pracht übersät waren. Zitternd vergrub ich mein Gesicht tiefer in dem flauschigen Schaal, den ich mir bei den niedrigen Temperaturen glücklicherweise ungebunden hatte. Meine Mütze und die Handschuhe hatte ich dummerweise in der Kommode vergessen.

Wütend über meinen Leichtsinn schüttelte ich den Kopf, wodurch mir prompt einige blonde Haarsträhnen in den Mund fielen. Ich hustete und würgte, was mir einige irritierte Blicke von den vorbeieilenden Passanten einbrachte. Eine entgegenkommende Frau, blickte mich angewidert an, als hätte ich irgendeine ansteckende Krankheit. Vor einiger Zeit, hätte ich sie einfach ignoriert und wäre, mir meinen eigenen Teil denkend, weitergegangen. Doch ich hatte mich inzwischen verändert.

Er und alle anderen hatte mich verändert. Und genau deshalb, setzte ich einen möglichst todkranken Gesichtsausdruck auf und sah die alte Schreckschraube direkt an, die ziemlich erstaunt wirkte. Übertrieben hustete ich in ihre Richtung und genoss den giftigen Blick, den sie mir dadurch schenkte.
»Tschuldigung«, murmelte ich leise und hörte ein empörtes Schnauben. Ich kicherte.

Meine neu errungene gute Laune, hielt solange, bis ich um die nächste Ecke bog. Der Schneeball der mitten in meinem Gesicht landete, ließ meine Heiterkeit sofort wieder gefrieren. Der freche Rotzbengel, der das zu verschulden hatte, verschwand grinsend mit seinem Kumpel in der nächsten Seitengasse. Mein saftiger Fluch begleitete sie dabei.

Wütend wischte ich mir über das feuchte Gesicht, um die letzten Schneereste zu beseitigen. Nicht meine beste Idee, bei diesem Wetter draußen herumzulaufen. Ich hätte mir lieber ein Taxi nehmen sollen. Doch der stockende Verkehr hätte mir noch mehr Zeit gekostet. Und Zeit hatte ich nicht mehr viel. Nicht, wenn ich es noch schaffen wollte.

Innerlich fluchend und äußerlich schnaufend vor Anstrengung, zog ich den Wintermantel enger um meinen zitternden Körper und wich unermüdlich mir entgegen kommenden Passanten aus. Der Großteil eilte mit vollgestopften Einkaufstüten an mir vorbei. Glückliche Kindergesichter sowie ausgelaugte und müde Augen von Erwachsenen blitzten auf und ich registrierte mit dem Zucken meiner Mundwinkel, dass es mir in naher Zukunft vermutlich ebenso gehen würde.

Ich betrachtete lächelnd die Tüte in meiner Hand, in der sich ebenfalls eine beachtliche Sammlung an Geschenken verbarg. Zwischen den verschiedenen Päckchen befand sich ein Einziges, welches noch nicht mit Papier umwickelt war und welches mich den Kopf kosten konnte, wenn ich mich nicht rann halten würde. Ich atmete erleichtert auf, als endlich das Gebäude in Sichtweite kam, in das ich musste.
Ein kurzer Blick auf die Uhr an meinem Handgelenk verriet mir, dass es erst acht Uhr morgens war. Ich hatte also noch genug Zeit, um es einzupacken und unter den Baum zu schmuggeln, ohne, dass ich dabei von einem neugierigen Augenpaar beobachtet wurde.

Er würde erst gegen zehn aufstehen, da er die vergangene Nacht noch stundenlang gearbeitet und über seinen Papieren gesessen hatte. Mit einem Kuss hatte ich ihm eine gute Nacht gewünscht und war schlafen gegangen. Das hatte sich bezahlt gemacht, da er, als ich heute morgen aufgestanden war, um die letzten Geschenke zu besorgen, noch tief und fest geschlafen hatte. Womöglich lag das aber auch an der körperlichen Betätigung, die nachts halb zwei noch stattgefunden hatte.

Ich seufzte verzückt, als ich an den jungen Mann zurückdachte, neben dem ich heute morgen aufgewacht war. Und neben dem ich morgen aufwachen würde und übermorgen. Ich würde den Rest meines Lebens mit ihm verbringen, alles mit ihm teilen und bis in alle Ewigkeit lieben.

Mein Gedankengang wurde abrupt unterbrochen, als ich mit meinen Schuh auf eine spiegelglatte Eisfläche traf und prompt den Halt verlor. Ich strauchelte, ruderte wild mit den Armen und ... fiel trotzdem. Genau, da war niemand der mich festhielt! Das passierte nämlich nie in der Realität. Und das hier war eindeutig die Realität und kein romantischer Film - obwohl ich mich im Moment nicht über fehlende Romantik beklagen konnte.

Ich schaffte es gerade noch die Tüte vor dem Aufschlag zu bewahren, bevor sie mein Schicksaal teilte und der Länge nach auf dem Gehweg landete. Stöhnend rieb ich mir über den angeschlagenen Arm, der den Großteil meines Falls abgefangen hatte und stutzte. Ich blickte auf.

»Was zum Teufel?«

Feel My LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt