「48. Kapitel - Vergebung」

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Nachdem Adrian und ich uns endlich ausgesprochen hatten und alle Karten offen auf den Tisch gelegt waren, erzählte ich ihn von den Geschehnissen des vergangenen Abends. Auch, wenn ich wusste, dass Kian ihn bereits alles über meinen Ausraster gesagt hatte, war ich es ihm schuldig, meine Version zu berichten.
Also erklärte ich dem jungen Mann, wie ich zunächst mit Christian gesprochen hatte, wie danach der schwarzhaarige Anwalt zu uns gestoßen war und wie ich letztendlich meine Mutter wiedergesehen hatte. Adrian hörte die ganze Zeit über aufmerksam zu und unterbrach mich nicht, auch nicht, als ich zu dem Teil überging, bei dem ich meine Mutter zum Weinen gebracht hatte.

»Ich hätte das nicht sagen sollen«, schloss ich schließlich. »Natürlich war ich wütend und verletzt, aber ich bin trotzdem zu weit gegangen. Keine Mutter sollte so etwas je zu hören bekommen. Und jetzt kann ich es nicht mehr ungeschehen machen. Ich kann es nicht zurück nehmen und dafür hasse ich mich. Sie wird mir das niemals verzeihen.«
Adrian blieb ruhig, streichelte über meinen Arm und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Mein Rücken lehnte an seiner Brust, seine Arme umschlossen mich und betten mich in einen Kokon aus Sicherheit und Liebe.
»Du wirst dir niemals sicher sein, ob sie bereit wäre dir zu verzeihen, wenn du sie nicht selbst danach fragst«, murmelte Adrian schließlich und drehte mein Gesicht in seine Richtung. »Du solltest einfach mit ihr reden. Vermutlich würde es euch beiden gut tun.«

»Das hat mir auch schon jemand gesagt«, entgegente ich leise und kuschelte mich näher an den braunhaarigen Mann heran. Es tat so unglaublich gut, in seinen Armen zu liegen.
»Scheint als wäre derjenige mit einer ebensolchen hohen Intelligenz gesegnet, wie ich«, erklärte Adrian und brachte mich damit zum Lachen.
»Von deiner Arroganz blieb er aber glücklicherweise verschont.«
»Ich und arrogant? Du musst mich mit jemanden verwechseln.« Gespielt schockiert sah ich ihn an.
»Dann bist du der langweilige Adrian?! Fuck! Ich habe mit dem falschen Silver geschlafen! Wo ist Aiden, dein cooler und viel attraktiverer Zwillingsbruder?«, neckte ich ihn, was sein Grinsen an Breite gewinnen ließ.

»Der ist leider nicht zu erreichen. Ich übernehme aber solange für ihn. In jeglicher Hinsicht, emotional sowie auch körperlich. Und die tollen Ratschläge sind inklusive.« Er zwinkerte verschmitzt, doch meine kurze Ungezwungenheit löste sich trotzdem in Luft auf. Stattdessen gewann ein anderes Gefühl die Oberhand.
»Ich habe Angst«, hörte ich mich selbst sagen. »Angst davor, wie meine Mutter auf mich reagiert und noch mehr über das, was sie mir sagen könnte.«
»Keine Sorge, ich bin für dich da. Vorher und danach. Doch diesen Weg wirst du trotzdem allein beschreiten müssen. Ich kann dich auffangen, wenn du fällst, aber ich kann dir nicht zeigen, wie man fliegt. Das musst du allein herausfinden«, wisperte er und entließ mich aus seinem Griff.

»An dir ist wirklich ein Poet verloren gegangen«, meinte ich trocken, bevor ich seufzte. »Aber ich verstehe, was du mir sagen willst.« Ich stand auf und ging zur Treppe, die in den zweiten Stock führte.
»Hey! Was hast du denn jetzt vor?«, rief Adrian mir hinterher. Ich blieb stehen und drehte mich grinsend zu ihm um.
»Na was wohl? Ich gehe telefonieren.« Der junge Autor lächelte ebenfalls.
»Wie Sie wünschen, Miss. Mein Arbeitszimmer steht Ihnen zur Verfügung.«

Adrians Arbeitszimmer hatte sich – wider erwarten – nicht verändert. Vermutlich bekam die gute Miss Powell keinen Zutritt.
Ich ignorierte die Bilder in meinem Kopf, die mich zwingen wollten diesen einen Abend erneut zu durchleben und blickte stattdessen auf mein Handy. Zwei unbekannte Nummern hatten mich gestern versucht zu erreichen. Eine von beiden musste wahrscheinlich Christian gehören, die andere meiner Mutter (ich bezweifelte, dass Kians Vater mich hatte anrufen wollen). Und jetzt? Ene, mene, muh - und raus bist du!

Spontan drückte ich auf eine der Nummern und hielt mir dann das Gerät ans Ohr. Mein Herz hämmerte stetig gegen meinen Brustkorb, während ich auf das monotone Tuten horchte.
»Sie sind verbunden mit dem einzigartigen Christian West. Was treibt Sie an mein Ohr?«, begrüßte mich die fröhliche Stimme meines Halbbruders, was mich doch tatsächlich lächeln ließ. Trotzdem blieb meine Nervosität bestehen.
»Hi, Christian. Hier ist Claire«, stammelte ich so unbeholfen wie eine Zwölfjährige und schlug mir die Hand gegen die Stirn. Er ist dein Bruder verdammt, nicht dein Date für den Abschlussball!

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