Die neue Woche begann schneller als mir lieb war und so fuhr ich gemeinsam mit Adrian zur Uni. Die Fahrt verlief weitestgehend schweigend, was vor allem daran lag, dass meine Gedanken ständig zu Kian abdrifteten. Es machte mich nervös, dass ich noch immer nichts von dem jungen Anwalt gehört hatte, da wir uns normalerweise innerhalb von vierundzwanzig Stunden aussprachen und vertrugen. Aber die momentane Situation war keinesfalls als normal zu bezeichnen.
Es lag auf der Hand, dass ich Kian mit meinem Verhalten und meinem letztendlichen Entschluss schwer verletzt, wenn nicht sogar das Herz gebrochen hatte. Ich machte mir schwere Vorwürfe, ihn geküsst und somit den schmalen Grat zwischen Freundschaft und Mehr überschritten zu haben. Niemals hätte ich dem dunkelhaarigen Mann Hoffnung machen dürfen, mich jemals als feste Freundin haben zu können. Denn wenn ich wirklich ehrlich zu mir war, hatte mein Herz von Anfang an Adrian gehört – dass hatte sich auch nicht an jenem schicksalhaften Abend geändert. Ich hatte lediglich versucht es mir einzureden, das Bluten meines Herzens zu ignorieren und die daraus entstandene Leere in mir mit Kian zu füllen.
Und vor allem für letzteres verurteilte ich mich, denn ich hatte wirklich mit seinen Gefühlen gespielt. Ich wusste von Anfang an, dass der junge Anwalt mehr für mich empfand als ich für ihn, doch ich hatte mich an die naiven Vorstellung geklammert, ihn mit der Zeit genauso lieben zu können, wie er mich liebte.
Unter anderen Umständen hätte das vielleicht sogar funktionieren können, wäre Adrian nicht zu mir zurückgekehrt. Hätte er mir nicht sein Handeln verständlich erklärt, mir nicht tief in die Augen gesehen und mir seine Gefühle gestanden. Ja, hätte mich Adrian in den Glauben gelassen, nur austauschbare Ware für ihn gewesen zu sein und hätte ich ihn nie wieder gesehen, würde jetzt womöglich alles anders aussehen.Ich würde nicht Adrian küssen, nicht neben meinem ehemaligen Professor einschlafen und nicht in seinem Wagen mitfahren. Meine Hände würden nicht durch braunes Haar gleiten, sondern durch schwarzes, ich würde nicht in goldene Augen sehen, sondern in strahlend blaue und ich würde mein Herz belügen und nicht mit ihm lieben. Ich würde eine einzige Lüge leben.
Mir versuchen einzureden, dass ich glücklich wäre, obwohl ich eigentlich unglücklich bin. Ich würde lächeln, obwohl mir eigentlich zum Weinen zumute wäre und so etwas hatte Kian nicht verdient.Irgendwann würde ich ihn zerstören und unglücklich machen und das wollte ich nicht. Nichts lag mir ferner. Lieber verletzte ich ihn heute leicht und gab ihn die Chance auf eine bessere Zukunft, als ihn später zu verletzten, wenn er keine weiteren Chancen mehr hatte. Er verdiente jemand Besseren als mich. Keine gebrochene Persönlichkeit, die ihn im Leben nur zurückhalten würde, als wäre er mit angezogener Handbremse unterwegs. Hoffentlich konnte ich ihm mein Handeln irgendwann begreiflich machen. Er sollte sich nicht an mir festklammern, sondern seine Seelenparterin finden, so wie ich meinen Partner gefunden hatte.
Denn Adrian war genau das für mich – mein Seelenverwandter. Wenn ich das leugnen würde, würde ich den Braunhaarigen und mich selbst in den Abgrund stoßen. Mittlerweile war ich mir nämlich ziemlich sicher, dass er ohne mich im Strudel des Lebens genauso verloren wäre, wie ich ohne ihn. Denn genau das wäre ich – verloren. Ich brauchte ihn und wäre am Boden zerstört, wenn es ihm nicht genauso ergehen würde wie mir.
Wie als hätte Adrian meine innere Unterhaltung und meine Befürchtungen mitgehört, legte er mir liebevoll eine Hand auf den Unterarm und flüsterte eindringlich: »Ich werde dich niemals mehr verlassen.« Erst jetzt bemerkte ich, dass wir schon längst angehalten hatten, wobei er mich schon seit geraumer Zeit betrachtet haben musste.
»Und ich werde dich nie wieder gehen lassen«, entgegnete ich schmunzelnd und spürte kurz darauf seine Lippen auf meinen. Viel zu schnell mussten wir uns wieder voneinander lösen, wobei ein bedauerndes Lächeln seine Mundwinkel umspielte.
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Feel My Love
Romance»Ich wünschte, ich könnte das alles rückgängig machen.« »Wirklich?« »Nein, das wäre die größte Lüge meines Lebens.« Jeder von uns trägt eine geheimnisvolle Maske, die die wahren Gefühle und Absichten sorgfältig zu verstecken versucht. Das musste auc...