»Bis später«, verabschiedete ich mich lächelnd von Kian und stieg aus dem Wagen.
»Hab einen schönen Tag«, entgegnete der Anwalt freundlich und reichte mir meine Tasche. Als ich mich hinunterbeugte, um sie zu nehmen, küsste er mich liebevoll auf die Stirn, was meinen Herzschlag abrupt beschleunigte. In seinem Gesicht lag aber überraschenderweise ein trauriges Lächeln, anstatt des gewohnten fröhlichen Grinsens, welches er mir sonst schenkte.
»Was ist denn?« Kian schüttelte den Kopf.
»Wieso fühlt es sich für mich so an, als würde ich dich bald verlieren?«, hauchte er mit rauen Ton und berührte mich flüchtig an der Hand.»Weil du mich in dieser riesigen Studentenmenge niemals mehr finden würdest?« Er lachte und die Traurigkeit war wie weggewischt.
»Kingston wird dich heute allein abholen. Ich bin heute im Gerichtssaal und mache nach dem Prozess noch einen Abstecher ins Büro«, fügte er hinzu und fuhr noch einmal kurz über meine Wange.
Ich nickte verstehend und wünschte ihm viel Glück für den bevorstehenden Prozess. Dann wartete ich noch bis das Auto verschwunden war, bevor ich mich umwandte und auf die Uni zu hielt.Ich sah die beiden Flitzpiepen schon von weitem, da sie sich nicht auffälliger hätten verhalten können. Beide lehnten lässig an dem riesigen Gebäudekomplex, wobei sie ihre Taschen achtlos in den Schnee vor sich hatten fallen lassen und gar nicht auf die entsetzten Blicke ihrer Mitstudenten achteten, die zur Genüge in die Uni strömten. Ich schon, weshalb ich nur die Augen verdrehen und mich in Grund und Boden schämen konnte. Denn Lee winkte mir überschwänglich zu, während mir Julian eine feuchte Kusshand nach der nächsten zuwarf. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich vermutet, dass die beiden stockschwul wären.
Ich wusste deshalb beim besten Willen nicht, wie Julian jemals der Frauenschwarm der gesamten Uni werden konnte. An seinem erwachsenen Verhalten konnte das jedenfalls nicht gelegen haben.»Hey, Prinzessin. Da bist du ja endlich!«, dröhnte der chinesische Student schon wenige Meter bevor ich die beiden überhaupt erreicht hatte. Ich kräuselte bei diesem Spitznamen ärgerlich die Lippen und strafte die beiden mit erzürnten Blicken, bei Julians nächsten dämlichen Kommentar.
»Hat dich dein toller Liebhaber etwa aus den goldenen Käfig gelassen? Oder hast du den Schlüssel geklaut?« Die beiden schienen Kians Verhalten, mich neuerdings von Kingston fahren zu lassen, als zu stark ausgeprägten Beschützerinstinkt zu deuten. Sie schienen außerdem zu viel in diese Sache hineinzuinterpretieren.
»Klappe!«, fuhr ich die beiden deshalb an und stapfte ungeduldig auf den Haupteingang zu, da in Kürze die ersten Vorlesungen beginnen würden. Die notorischen Zuspätkommer folgten mir lachend, was ich jedoch kaum registrierte, da ich einen saftigen Fluch aus stieß und fahrig in meiner Tasche herumwühlte.»Was ist denn?«, wollte Julian wissen, als ich damit begann meine Tasche zu leeren und ihm kurzerhand Blöcke und Schreibkram in die Hände drückte, die er hilfsbereit hielt.
»Ich kann ihn nicht finden«, schimpfte ich weiter und drückte auch den grinsenden Chinesen den Rest von meinem Tascheninhalt in die Hand. Er ignorierte glücklicherweise, dass ich ihm gerade eine Damenbinde gab. Obwohl? Bei seiner mangelnden Frauenerfahrung, wusste er vermutlich nicht einmal, was das war.
»Ist dir etwa der Käfigschlüssel abhanden gekommen? Sollen wir ihn für dich suchen, bevor dein Anwalt böse wird, weil er merkt, dass du ausgebrochen bist?«, feixte Lee, als ich meine Tasche selbst noch umstülpte und ausschüttelte. Natürlich fand ich ihn nicht. Mist.»Julian?«, wandte ich mich an den blonden Studenten, dem das dumme Grinsen vergangen war und der sich hilfsbereit zu mir herunterbeugte, um meine Tasche wieder einzuräumen. Solche netten Menschen waren eindeutig zu selten!
»Was ist?«, hakte er nach und nahm Lee schmunzelnd die Binde ab. Ich errötete leicht und verstaute sie schnell in meiner Tasche, bevor ich ihn entschuldigend ansah.
»Sag mir bitte, dass ich meinen Uniausweis nicht schon wieder verloren habe.«
»Nicht schon wieder!«
Der schwarzhaarige Student stöhnte und schlug sich die Hand vor die Stirn, während Julian mich tadelnd ansah. Ja, ich hatte dieses blöde Mistding schon zum ... vierten Mal verloren.
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Feel My Love
Romance»Ich wünschte, ich könnte das alles rückgängig machen.« »Wirklich?« »Nein, das wäre die größte Lüge meines Lebens.« Jeder von uns trägt eine geheimnisvolle Maske, die die wahren Gefühle und Absichten sorgfältig zu verstecken versucht. Das musste auc...