Meine verbliebene Woche an der Uni verging wie im Flug und kaum das ich mich versah, hatte ich auch meine letzte Prüfung hinter mich gebracht. Ich war offiziell frei. Ich hatte meinen Abschluss in der Tasche. Beinahe. Nächste Woche würde die offizielle Zeugnisvergabe und Abschlussfeier stattfinden und danach würde ich wieder zurück nach New York fliegen. Nach Hause.
Doch ich würde einen Teil in London zurücklassen. Drei Monate lang war es mein Zuhause gewesen. Zweieinhalb hatte ich mit Kian gemeinsam in seiner Wohnung verbracht. Gerade einmal zwei Wochen mit Adrian in seinem Hotelzimmer. Doch gerade in dieser kurzen Zeit, war mir bewusst geworden, was ich eigentlich wollte. Wem ich fest an meiner Seite wissen wollte. Wem ich brauchte, damit ich mich nicht selbst verlor.
Doch ich machte mir nichts vor. Ich hatte Kian ebenfalls ins Herz geschlossen und ich konnte es einfach nicht ertragen, ihn so verletzt zu haben.
Vergangene Woche hatte er auf meine unzähligen Nachrichten reagiert und mir zurückgeschrieben. Tränen hatten in meinen Augen gestanden und mein Herz hatte gekrampft, als ich die wenigen Worte entziffert hatte. Sie waren kurz und rational gewesen und offenbarten mir nicht die geringste Gefühlsregung von ihm.
Kian West
15.00 Uhr. Kingston erwartet dich.
Und so war ich mit Adrian zu Kians Wohnung gefahren, wo Kingston tatsächlich auf mich wartete. Ich hatte Adrian gebeten im Wagen auf mich zu warten, was er überraschenderweise sofort akzeptiert hatte, während ich dem dunkelhäutigen in die obere Etage gefolgt war, um mir das wichtigste meiner Sachen zusammenzuklauben.
Das Wohnzimmer war leer, als ich es betrat, wobei ich mich fühlte, wie ein Fremdkörper. Ich gehörte hier nicht hin. Nicht mehr. Nicht nachdem, was passiert war.
»Ist Kian da?«, hatte ich trotzdem die entscheidende Frage gestellt, die ich mir in Gedanken schon selbst beantwortet hatte. Doch ich musste sie ihm einfach stellen.
Ich blickte zu Kingston, der seine Sonnenbrille abgenommen hatte und mich mitfühlend ansah. Eine Reaktion, die ich nie von ihm erwartet hätte.»Nein, Miss White.«
»Natürlich nicht«, hauchte ich beklommen und zog eine Reisetasche aus meinem Schrank hervor, die ich auf das Bett stellte. Ich wollte es nicht, als mein Bett bezeichnen. Das erschien mir falsch. Alles hier gehörte Kian. Nichts mir. Nicht einmal die Tasche.
»Wie geht es ihm?«, hörte ich mich selbst fragen, während ich wahllos Unterwäsche in meine Tasche stopfte.
»Er erzählt mir nicht viel von sich, Miss«, erklärte der Chauffeur zögerlich und beobachtete meine Reaktion darauf.
»Oh. Verstehe«, antwortete ich schlicht und schlurfte zum Schrank, um mir ein paar schlichte T-Shirts und Jeans zu greifen. Nichts auffälliges. Nichts, was zu teuer gewesen war. Das Nötigste.»Es geht ihm gut«, versicherte er mir daraufhin und sah dabei zu, wie ich meine Unterlagen für die Uni in die Tasche stopfte. Sie zerknitterten dabei, doch das kümmerte mich nicht. Ich sah Kingston an. Lange. Bis er aufhörte mich anzulügen. »Mr. West wirkte in den letzten Tagen sehr zerknirscht. Es geht ihm den Umständen entsprechend.« Damit konnte ich leben. Er verschwieg mir zwar immer noch das gesamte Ausmaß der Umstände, doch er war der Wahrheit bereits um einiges Näher gekommen. Es geht ihn also beschissen, schlussfolgerte ich, sprach es aber nicht laut aus.
Stattdessen zog ich die Tasche zu und warf sie mir über die Schulter. Sie war nicht schwer. Den Großteil der Sachen hatte ich hier gelassen. Weil mir nicht wohl dabei gewesen wäre, alles einzupacken. Es hätte sich sonst so angefühlt, als würde ich ihn verlassen und einen Schlussstrich ziehen. Ihn Zurücklassen. Einsam und verletzt. Und alles was ihm bleiben würde, wäre ein kahles Zimmer und seine Erinnerungen, die langsam verblassen würden, bis er mich schließlich vergessen hätte.
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Feel My Love
Romance»Ich wünschte, ich könnte das alles rückgängig machen.« »Wirklich?« »Nein, das wäre die größte Lüge meines Lebens.« Jeder von uns trägt eine geheimnisvolle Maske, die die wahren Gefühle und Absichten sorgfältig zu verstecken versucht. Das musste auc...